Gänse vom Bio-Hof Gänse vom Bio-Hof: Gans und gar glücklich

Beckwitz - Angefangen hat der Biohof Barth mit drei Gänsen. „Wir wollten damit unseren eigenen Bedarf decken“, erzählt Landwirt Oliver Barth. Dann hätten die Nachbarn gefragt, ob sie auch welche bekommen könnten. Aus drei wurden schnell 30, dann 60 und in diesem Jahr waren es 220. Barth verkauft die Tiere von seinem Hof im nordsächsischen Beckwitz aus und beliefert Hotels und Bioläden. „Wir hätten auch Platz für 500 Gänse“, sagt der 28-Jährige. „Doch dann verliert man schnell den Überblick.“ Barth kommt es mehr auf Qualität als auf Quantität an.
Gänse zum Verzehr überwiegend aus Osteuropa
Zu Weihnachten steht bei vielen Familien traditionell eine gebratene Gans auf dem Tisch. Die Statistiker haben errechnet, dass jeder Deutsche im Schnitt 400 Gramm Gans im Jahr isst. Aus Deutschland stammt davon allerdings nur jedes zehnte Tier. 90 Prozent des Geflügels wird importiert, vor allem aus den osteuropäischen Staaten Polen und Ungarn.
Barth bekommt seine rund drei Wochen alten Gössel, so heißen die Jungtiere, jeweils Ende Mai von einem Zuchtbetrieb aus der Region geliefert. Die jungen Gänse sind nur sehr kurz im Stall und kommen dann schnell an die frische Luft. Hohe Bäume schützen die Tiere anfangs auf einem Abschnitt der Wiese vor Raubvögeln.
Der Betrieb, der der landwirtschaftlichen Öko-Gemeinschaft Gäa angehört, besitzt 45 Milchkühe, die auf einer großen Weide grasen. Dazu gesellen sich die Ganter. Auch sie fressen Gras. Nach Worten Barths verlassen die Gänse am Morgen den Stall und abends, sobald es dämmrig wird, „marschieren“ sie zur Fütterung mit Hafer selbstständig wieder ein. „Sie sammeln sich vorher und watscheln zusammen.“ Der Bio-Bauer ist von diesem Phänomen selbst auch immer wieder fasziniert. Die Weide für die Kühe ist nur durch einen Elektrozahn begrenzt. „Aber noch nie ist eine Gans abgehauen.“ Auch das ist für ihn ein Zeichen, dass es den Tieren „gut geht“.
Artgerechte Haltung kostet
Diese artgerechte Haltung hat natürlich ihren Preis. Barth verkauft seine Biogänse für 14,50 Euro das Kilogramm. Für ein vier Kilogramm schweres Tier erhält er so knapp 60 Euro. Gänse aus konventionellen Mastanlagen in Deutschland kosten im Schnitt zehn Euro pro Kilo. „Bei einzelnen Discounterketten gibt es das Kilo aber auch für weniger als vier Euro“, sagt Lorenz Eskildsen, Vorsitzender des Bundesverbandes Bäuerliche Gänsehaltung. Diese Gänse würden meist aus Osteuropa stammen, wo sich zahlreiche Mäster „überhaupt nicht um das Wohl der Tiere kümmern“. So betrieben einige Produzenten aus Ungarn weiter eine Stopfleberproduktion, bei der die Tiere in kürzester Zeit an Gewicht zunehmen. Die fettige Leber werde dann teuer verkauft. Gänsekeule und Brust seien nur noch Restprodukte, die billig auf den Markt geworfen würden.
Auch können Gänse in der EU weiter bei lebendigem Leib gerupft werden, um an die Daunen zu kommen, die unterste Federschicht bei Vögeln. Der wirtschaftliche Vorteil der Methode ist, dass man mehrmals im Leben einer Gans Daunen gewinnen kann.
Forderung einer Kennzeichnungspflicht
Der Gänsehalterverband fordert eine Kennzeichnungspflicht von Fleisch aus der Stopflebererzeugung. „Derzeit kann ein Verbraucher im Supermarkt nicht einmal erkennen, aus welchem Land seine Gans stammt“, beklagt Eskildsen.
Auf MZ-Anfrage teilte der größte deutsche Einzelhändler, Edeka, mit, dass die Supermarktkette 2008 aus Tierwohlgründen beschlossen hat, keine Gänse aus Stopfmast zu führen. Das gelte auch für Tiere, „die aus Haltung mit Lebendrupf stammen“.
Ob die Mehrzahl der Verbraucher bereit wäre, mehr Geld für das Wohl der Gänse zu zahlen, ist ungewiss. Bio-Landwirt Barth ist aber überzeugt, dass sich Qualität für ihn langfristig auszahlt. „Die Tiere konnten sich immer frei bewegen und mit den Flügeln schlagen“ sagt Barth. Das stärke die Muskulatur und mache das Fleisch fester. „Am Ende schmeckt der Kunde das beim Gänsebraten.“ Anfang November fängt er an, die ersten Tiere zu schlachten. Die letzten Gänse wurden Ende vergangener Woche ausgeliefert. Nun ist das Geschnatter auf dem Hof verstummt. (mz)
