G36-Hersteller Heckler & Koch G36-Hersteller Heckler & Koch: Die umstrittenen Machenschaften der Rüstungsindustrie

Berlin - Angeblich trifft das Sturmgewehr G 36 bei Dauerfeuer nicht präzise. Angeblich sind die Mängel dieser Standardwaffe in den vergangenen Jahren mehrfach dem Bundesverteidigungsministerium (BMVg) gemeldet worden, ohne dass dies Konsequenzen gehabt hätte.
Angeblich wurden die Gewehre des Herstellers Heckler & Koch zu tausenden in mexikanische Unruheprovinzen geliefert, wohin sie nach geltendem Recht nicht hätten geliefert werden dürfen. Angeblich hat die im baden-württembergischen Oberndorf ansässige Waffenschmiede 2013, unterstützt von der Rüstungsabteilung des BMVg, den Militärischen Abschirmdienst (MAD) gebeten, gegen kritische Berichterstattung zum Thema G36 vorzugehen.
Man muss all diese Sätze mit einem „angeblich“ beginnen, weil Heckler & Koch die Vorwürfe bestreitet und Rüstungsbetriebe in der Regel über sensible Rechtsabteilungen verfügen. Da ist Vorsicht geboten. Einige Vorgänge immerhin sind unstrittig. Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) hat das Zusammenspiel zwischen Heckler & Koch und einem hochrangigen BMVg-Beamten mittlerweile bestätigt. Nach Informationen dieser Zeitung werden in vertraulichen Unterlagen des BMVg sogar fünf Spitzenbeamte namentlich genannt, die den Schusswaffenhersteller unterstützt haben sollen.
Machtfülle der Rüstungsbranche
Klingt unglaublich, oder? Kann es sein, dass eine mächtige Rüstungsindustrie nach Belieben Ministerien und Geheimdienste einschaltet, um unliebsame Medien zu domestizieren und weiterhin ungestört Geschäfte machen zu können? Ganz so einfach liegen die Dinge wohl nicht. Das beginnt schon mit der vermeintlichen Machtfülle der Rüstungsbranche.
Es gibt zwar viele hundert Unternehmen in Deutschland, deren Erzeugnisse auch militärisch genutzt werden können, von Sonaranlagen für Wasserfahrzeuge über mobile Teleskopantennen bis hin zu hydraulischen Verschraub-Systemen. Die Liste der „Dual Use“-Produkte, die sowohl zivil als auch militärisch zum Einsatz kommen, ist schier endlos. Deren Hersteller zählen aber mehrheitlich nicht zum Rüstungssektor.
Nur wenige Firmen
Diesem lassen sich eindeutig nur wenige große Firmen zuordnen. Rheinmetall erwirtschaftet gut 40 Prozent des Jahresumsatzes von zuletzt knapp 4,7 Milliarden Euro mit Rüstungsgütern. Der Jahresumsatz von Krauss-Maffei Wegmann in Höhe von einer Milliarde Euro geht zu 100 Prozent auf das Konto der Wehrtechnik. Bei der Unternehmensgruppe Diehl mit Sitz in Nürnberg beträgt der Rüstungsanteil ein Drittel am Drei-Milliarden-Euro-Umsatz.
MTU Aero Engines setzt 500 Millionen mit Rüstungsgeschäften um, ThyssenKrupp Marine Systems gut eine Milliarde. Branchenprimus ist die Airbus Group, die mehr als ein Viertel ihres Jahresumsatzes von zuletzt 60 Milliarden Euro mit Rüstungsgütern herein holt. Dagegen zählt Heckler & Koch mit 170 Millionen Euro Jahresumsatz und 680 Mitarbeitern eher zum kleineren Mittelstand.
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Bundeswehr als wichtigster Kunde
Das gilt letztlich auch für den Wirtschaftszweig insgesamt: Nur 80 000 Arbeitsnehmer lassen sich dem „harten Kern“ der Rüstungsbetriebe zuordnen und damit etwa so viele, wie in der inländischen Möbelherstellung tätig sind. Dass die Branche gleichwohl über beste Kontakte zur Politik verfügt, liegt nicht an ihrer – eher übersichtlichen - wirtschaftlichen Bedeutung, sondern an gegenseitigen Abhängigkeiten. Auf der einen Seite haben Bundesregierungen egal welcher Couleur stets Wert auf eine eigenständige leistungsfähige Wehrtechnik gelegt, um Abhängigkeiten vom Ausland zu begrenzen.
Auf der anderen Seite ist die Bundeswehr wichtigster Kunde der hiesigen Waffenschmieden. Da ist eine größtmögliche Nähe zu politischen Entscheidungsträgern für erfolgreiche Geschäfte unabdingbar, zumal die Bundesregierung auch für die Genehmigung von Waffenexporten zuständig ist. Weltweit belegt Deutschland nach einer aktuellen Analyse des Friedensforschungsinstituts SIPRI hinter den USA, Russland und China den vierten Platz der Waffenexportnationen. Vor diesem Hintergrund erscheinen enge Kontakte zwischen Waffenherstellern wie Heckler & Koch und dem Bundesverteidigungsministerium beinahe naturgegeben.
Problematisch wird solche Nähe, wenn sie zur Kameraderie wird, findet Jan van Aken, der für die Linke im Bundestag sitzt. Als Experte in Rüstungsfragen hat er manches Zusammentreffen von Politkern und Rüstungsmanagern aus der Nähe beobachten können. „Man kennt sich, oft schon seit vielen Jahren. Auf Empfängen der Gesellschaft für Wehrtechnik zum Beispiel gibt es immer ein großes Hallo und viel Schulterklopfen, eine Party alten Stils, sozusagen.“
Kritik von außen
Gestärkt wird solches Wir-Gefühl durch die Biografie mancher Protagonisten. Airbus-Vorstandschef Tom Enders beispielsweise war Fallschirmjäger bei der Bundeswehr und steht im Rang eines Majors der Reserve. Er arbeitete 1989 bis 1991 im Bundesverteidigungsministerium unter dem damaligen Minister Gerhard Stoltenberg, wechselte dann zu Messerschmidt Bölkow Blohm und schaffte es schließlich bei EADS/Airbus bis ganz nach oben.
Kritik von außen wird in diesem Netzwerk aus Politik, Wirtschaft und Militär schnell als Generalangriff auf die Verteidigungsbereitschaft des Landes insgesamt begriffen und dunklen Verschwörungen angelastet, wie die jüngsten Vorgänge zeigen. Heckler & Koch-Eigner Andreas Heeschen hatte bereits 2010 Berichte über illegale G36-Exporte nach Mexiko mit der Feststellung zurückgewiesen, „interessierte Kreise“ wollten seinem Unternehmen Schaden zufügen.
In einem Anfang 2014 vertraulich eingestuften Dokument des BMV , aus dem die Süddeutsche Zeitung unlängst zitierte, ist von einer „gesteuerten Kampagne gegen den Hersteller Heckler & Koch und gegen die Bundeswehr“ die Rede. Laut SZ soll die Geschäftsführung des Waffenherstellers den damaligen MAD-Präsidenten Ulrich Birkenheier am 20. November 2013 aufgesucht haben, auf dass der „jahrelangen negativen und in Teilen falschen Medienberichterstattung“ Einhalt geboten werde.
Ob sich das alles so zugetragen hat, wird vielleicht irgendwann ein Untersuchungsausschuss des Bundestages aufklären. Dann könnte auch ans Licht kommen, ob die Pointe dieser unglaublich klingenden Geschichte denn stimmt. Den Berichten zufolge hat MAD-Chef Birkenheier die Heckler&Koch-Führung nämlich abblitzen lassen, das der MAD nicht zuständig sei. Das wäre ja ein Ding.