Fluggastrechte Fluggastrechte: Wann ein Flugzeug verspätet ist

Luxemburg - Hat ein Flug bei Ankunft am Zielflughafen mehr als drei Stunden Verspätung, steht jedem Passagier laut EU-Recht eine Ausgleichszahlung von mehren hundert Euro zu. Doch wann kommt ein Flugzeug tatsächlich an – in dem Augenblick, in dem es auf die Piste aufsetzt oder dann, wenn die Türen geöffnet werden? Der Europäische Gerichtshof hat sich mit dieser Frage beschäftigt und die Rechte der Verbraucher erheblich gestärkt.
Was hat der EuGH entschieden?
Der Gerichtshof ist der Ansicht, dass die „tatsächliche Ankunftszeit“ eines Fluges der Moment ist, in dem die Crew nach Landung mindestens eine Flugzeugtür öffnet und den Passagieren das Verlassen der Maschine gestattet. Das geht aus einem am Donnerstagmorgen veröffentlichten Urteil hervor (Rechtssache C-452/13). Zur Begründung heißt es, dass sich Fluggäste während eines Fluges nach Weisungen und unter Kontrolle der Airline in einem geschlossenen Raum aufzuhalten hätten. Ihre Möglichkeiten, mit der Außenwelt zu kommunizieren und sich um ihre persönlichen Angelegenheiten zu kümmern, seien während dieser Zeit erheblich eingeschränkt. Solange ein Flug die planmäßige Dauer nicht überschreite, sei dies unumgänglich. Bei einer Verspätung könnten die Passagiere die verlorene Zeit aber nicht für die Zwecke verwenden, die sie veranlasst haben, eben jenen Flug zu buchen. „Der Begriff ,tatsächliche Ankunftszeit‘ ist somit dahin zu verstehen, dass er für den Zeitpunkt steht, zu dem eine solche einschränkende Situation endet“, schreibt der Gerichtshof.
Warum ist das Urteil für Verbraucher relevant?
Laut EU-Recht haben Fluggäste bei mehr als dreistündiger Verspätung Anspruch auf eine Entschädigungszahlung. Im konkreten Fall ging es um einen Mann, der mit der Gesellschaft Germanwings von Salzburg in Österreich nach Köln/Bonn unterwegs war. Beim Abflug hatte die Maschine eine Verspätung von 3 Stunden und 10 Minuten. Als die Räder des Flugzeuges bei der Landung auf die Piste aufsetzten, betrug die Verspätung 2 Stunden und 58 Minuten. Germanwings vertrat deshalb die Auffassung, dass der Fluggast keinen Anspruch auf eine Ausgleichszahlung habe. Der Mann verwies aber darauf, dass die Maschine erst 3 Stunden und 3 Minuten nach der planmäßigen Ankunftszeit ihre Parkposition erreicht hatte und dann die Flugzeugtüren geöffnet wurden. Der Streit landete zunächst vor einem österreichischen Gericht, das die Frage dem EuGH zur Entscheidung vorlegte. Die Europa-Richter entschieden nun eindeutig zugunsten des Verbrauchers.
Wie lauten die genauen Regeln zur Entschädigung?
Bei Nichtbeförderung, Annullierung oder verspäteter Ankunft der Maschine am Zielflughafen mit mehr als dreistündiger Verspätung besteht laut EU-Recht ein Anspruch auf eine Zahlung von 250 bis 600 Euro. Die genaue Höhe richtet sich nach der Flugstrecke: Bei Flügen innerhalb der Union werden für eine Distanz von bis zu 1.500 Kilometern 250 Euro fällig und bei Routen von mehr als 1.500 Kilometern 400 Euro. Die gleichen Staffeln gelten auch für Verbindungen zwischen der EU und einem Nicht-EU-Land. Hier kommt aber noch eine dritte Stufe hinzu: Bei Distanzen von mehr als 3.500 Kilometern beträgt die Entschädigung 600 Euro. Die genannten Regeln gelten für alle Flüge, die in der EU starten sowie für alle Flüge, die hier ankommen und von einer Airline ausgeführt werden, die in der EU, Island, Norwegen oder der Schweiz ihren Sitz hat. Die Gesellschaft muss selbst für die Verspätung verantwortlich sein.
Und was ist, wenn der Ticket selbst viel billiger war?
Der tatsächliche Flugpreis spielt keine Rolle. Wer beim Ticket-Kauf ein Schnäppchen macht, kann unter Umständen am Ende mehr Geld ausbezahlt bekommen, als die Reise insgesamt gekostet hat.
Haben Verbraucher in jedem Fall Anspruch auf Zahlungen?
Nein. Bietet die Fluggesellschaft einen Ersatzflug in einem ähnlichen Zeitraum an, kann die Entschädigungszahlung um 50 Prozent verringert werden. Bei der Annullierung eines Fluges aufgrund ungewöhnlicher Umstände (etwa schlechten Wetters) besteht kein Anspruch auf Entschädigung. Das gilt auch, wenn der Fluggast zwei Wochen vor dem geplanten Abflugdatum über die Annullierung informiert wurde oder die Airline einen vergleichbaren Alternativflug angeboten hat. Wird ein Flug wegen außergewöhnlicher Umstände abgesagt, muss die Gesellschaft aber die Erstattung des Flugpreises oder eine alternative Beförderung anbieten.
Wie können Verbraucher eine Entschädigung oder Erstattung beantragen?
Die EU-Kommission hat dafür einen speziellen Vordruck entwickelt, das EU-Beschwerdeformular für Fluggastrechte. Es lässt sich beispielsweise hier (http://ec.europa.eu/transport/themes/passengers/air/doc/complain_form/eu_complaint_form_de.pdf) herunterladen. Das Formular muss ausgefüllt und an die entsprechende Fluggesellschaft geschickt werden, eine Kopie bewahrt man am besten auf. Sofern sich die Airline nicht rührt oder der Verbraucher unzufrieden mit der Antwort ist, kann er eine bei der zuständigen nationalen Behörde beschweren. In Deutschland ist das das Luftfahrt-Bundesamt in Braunschweig. Es ist empfehlenswert, sich Verspätungen oder Absagen immer gleich am Flughafen von der Airline schriftlich bestätigen zu lassen.
Haben Passagiere auch Rechte bei Verspätungen von weniger als drei Stunden?
Ja, allerdings kommt es dann nicht auf die Ankunfts-, sondern auf die die planmäßige Abflugzeit an. Bei zwei Stunden Verspätung und Strecken bis 1.500 Kilometer muss die Airline ihren Fluggästen Verpflegung und Getränke zur Verfügung stellen und ihnen ermöglichen, zu telefonieren und E-Mails zu verschicken. Ist die Flugstrecke innerhalb der EU länger als 1.500 Kilometer oder beträgt sie bei Flügen ins Nicht-EU-Ausland zwischen 1.500 und 3.500 Kilometer, gilt diese Regelung ab drei Stunden verspätetem Abflug. Bei Flügen von mehr als 3.500 Kilometer in Länder außerhalb der Union greift die Vorschrift erst nach vier Stunden. Verschiebt sich der Abflug auf den nächsten Tag, besteht Anspruch auf eine Hotelübernachtung inklusive Transfer.
