US-Geldpolitik Fed geht „in die Vollen“: US-Notenbank setzt auf Zinssenkung
Mit einem großen Zinsschritt von 0,5 Prozentpunkten hat die Fed ihren Kurswechsel eingeleitet. Die Prognosen der Notenbank zeigen, dass weitere Zinssenkungen ins Haus stehen dürften.
Washington - Die US-Notenbank Fed hat das erste Mal seit Ausbruch der Coronapandemie den Leitzins verringert und steuert auf weitere Zinssenkungen in diesem Jahr dazu. Das Vorgehen der Federal Reserve deutet darauf hin, dass sie den Druck auf die Wirtschaft mindern möchte und gleichzeitig zuversichtlich ist, im Kampf gegen die hohen Verbraucherpreise einen nachhaltigen Erfolg erzielt zu haben. Die jüngsten Wirtschaftsprognosen der Notenbank zeichnen ein optimistisches Bild der Inflationsrate. Inmitten des US-Wahlkampfs beschäftigt die Fed-Entscheidung aber auch die Politik - beim republikanischen Präsidentschaftskandidaten Donald Trump scheint sich die Begeisterung in Grenzen zu halten.
Fed schaut auf den Arbeitsmarkt
Für Unternehmen und Verbraucher in den USA dürfte die deutliche Zinssenkung um 0,5 Prozentpunkte eine Erleichterung darstellen. Denn Kredite werden günstiger, weswegen Firmen eher investieren und Bürgerinnen und Bürger weniger für Schulden ausgeben müssen.
Der Leitzins liegt nun in einer Spanne von 4,75 bis 5,00 Prozent. Bisher ist der Fed zwar der Drahtseilakt gelungen, die Inflation mit ihrer Hochzinspolitik in den Griff zu bekommen, ohne die Wirtschaft zu sehr auszubremsen. Doch jüngste Daten deuten darauf hin, dass der Arbeitsmarkt zu schwächeln beginnt.
„Wir versuchen, eine Situation zu erreichen, in der wir die Preisstabilität wiederherstellen können, ohne dass es zu einem schmerzhaften Anstieg der Arbeitslosigkeit kommt“, betonte Fed-Chef Jerome Powell. Er machte jedoch deutlich, dass derzeit nichts auf eine gestiegene Rezessionsgefahr hindeute. Dennoch scheint sich die Fed mit ihrem jüngsten Zinsentscheid nun vor allem auf die konjunkturellen Risiken zu konzentrieren.
Mehr Zinssenkungen als bisher erwartet
Denn der Kurswechsel der Notenbank der weltgrößten Volkswirtschaft ist durchaus beachtlich. Noch im Juni rechnete die Fed im Mittel mit einem Leitzins von 5,1 Prozent in diesem Jahr. Dieser Wert wurde in der neuen Prognose auf 4,4 Prozent nach unten korrigiert. Das deutet auf einen weiteren großen Schritt um 0,5 Prozentpunkte oder zwei kleine Senkungen um je 0,25 Prozentpunkte hin.
„Die US-Notenbanker gehen bei der wohlvorbereiteten Zinswende direkt in die Vollen. Die fortschreitende Abkühlung am Arbeitsmarkt, die inzwischen mindestens so stark gewichtet wird wie die noch immer erhöhte Inflation, dürfte hierfür den Ausschlag gegeben haben“, meint Elmar Völker, Analyst der Landesbank Baden-Württemberg. Auch Fed-Chef Powell entgegnete auf die Frage, ob die Fed nun die hohe Inflation für besiegt erklären könne: „Nein, das tun wir nicht. (...) Wir sagen nicht "Mission erfüllt" oder so etwas.“
Fed strebt Inflationsrate von 2 Prozent an
Die Prognose der Fed für die Teuerungsrate ist aber durchaus optimistisch: Sie soll im kommenden Jahr bei durchschnittlich 2,1 Prozent (Juni: 2,3 Prozent) liegen. Die US-Notenbank strebt auf mittlere Sicht eine Inflationsrate von 2 Prozent an. Recht hoffnungsvoll geben sich die Notenbanker auch bei der Kerninflation - sie berücksichtigt Lebensmittel- und Energiepreise nicht und gibt den allgemeinen Preistrend nach Meinung von Fachleuten besser wieder als die Gesamtrate. Hier rechnet die Fed im kommenden Jahr mit durchschnittlich 2,2 Prozent (Juni: 2,3 Prozent).
„Die Notenbank wird die Inflation genau im Auge behalten, die zuletzt aufgrund der Energiepreisentwicklung deutlich gesunken ist, im großen Dienstleistungssektor der US-Wirtschaft aber keinesfalls auf dem Zielniveau der Notenbank liegt“, urteilt Michael Heise, Chefökonom von HQ Trust.
Für die Fed ist der Kampf gegen die hohen Verbraucherpreise ein Balanceakt. Bei zu hohen Zinsen besteht die Gefahr einer Rezession. Werden die Zinsen zu früh gesenkt, könnte die Inflationsrate wieder ansteigen. Im Sommer 2022 lag sie bei mehr als 9 Prozent.
Trump ist nicht begeistert
Kurz vor der Präsidentenwahl am 5. November spielt die Zinspolitik der Fed auch im Wahlkampf eine Rolle. Donald Trump, der nach der Präsidentenwahl im November wieder ins Weiße Haus einziehen will, warf der Fed in der Vergangenheit vor, mit Zinssenkungen vor der Wahl die Stimmung zugunsten der aktuellen Regierung des demokratischen Präsidenten Joe Biden verbessern zu wollen. Auf den Zinsentscheid reagierte der Republikaner nun mit den Worten: „Ich denke, es zeigt, dass die Wirtschaft sehr schlecht ist, wenn man (die Zinsen) so deutlich senkt - vorausgesetzt, sie spielen nicht nur Politik.“
US-Präsident Biden hingegen feierte die Entscheidung der Notenbank und bewertete die Lage erwartungsgemäß völlig anders: „Wir haben gerade einen wichtigen Moment erreicht: Die Inflation und die Zinssätze sinken, während die Wirtschaft stark bleibt.“ Die hohe Inflation hatte Bidens Präsidentschaft überschattet - und die wirtschaftliche Lage ist für die Menschen im Land das Topthema bei der anstehenden Wahl. Für die Demokraten geht US-Vizepräsidentin Kamala Harris ins Rennen. Sie nannte die Fed-Entscheidung „eine willkommene Nachricht für die Amerikaner, die die Hauptlast der hohen Preise zu tragen haben.“
Powell: Wir dienen keinem Politiker
Angesprochen auf Trump betonte Fed-Chef Powell, dass Länder mit unabhängigen Zentralbanken wie die USA oftmals eine niedrige Inflationsrate aufweisen würden. Trump hatte während seiner Zeit im Weißen Haus immer wieder öffentlich Druck auf die Fed ausgeübt. Powell betonte: „Wir dienen keinem Politiker, keiner politischen Figur, keinem Anliegen, keiner Sache, gar nichts. Es geht nur um maximale Beschäftigung und Preisstabilität im Namen aller Amerikaner.“
Die New Yorker Börsen profitierten am Mittwoch letztlich trotz erneuter Rekorde nicht nachhaltig von der deutlichen Zinssenkung der Fed. „Dafür, dass die große Senkung nur von einem Teil der Akteure erwartetet worden ist, fallen die ersten Reaktionen an den Börsen eher überschaubar aus“, kommentierte Portfoliomanager Thomas Altmann vom Vermögensverwalter QC Partners. Auch der Euro profitierte nur kurz vom Fed-Zinsentscheid.