FAM in Magdeburg FAM in Magdeburg : Bagger im XXL-Format für die ganze Welt

Magdeburg - FAM glänzt: Wenn die Sonne auf die Aluminium-Glas-Fassade strahlt, leuchtet die neue Firmenzentrale sogar. Die Form des geschwungenen, futuristischen Gebäudes orientiert sich dabei an der Tagebautechnik, die das Magdeburger Unternehmen herstellt. Die Architekten ließen sich vom FAM Bandwagen BW 1524 inspirieren, der in Chile pro Stunde 4 500 Tonnen Kupfererz befördert. Am Freitag wird der zehn Millionen Euro teure Neubau am Rande der Landeshauptstadt eingeweiht.
Der Förderanlagen- und Baumaschinen-Hersteller zeigt mit dem Gebäude nun sichtbar nach außen, dass es sich um ein besonderes Unternehmen in Sachsen-Anhalt handelt. Die Firmen-Gruppe mit rund 1.500 Beschäftigten gehört in ihrer Branche zur Weltspitze. Wenn irgendwo auf der Welt eine neue Erz- oder Kohlemine den Betrieb aufnimmt, dann kommen häufig die riesigen Förder- und Abraumbagger sowie Bandanlagen von FAM zum Einsatz. Im Foyer des Unternehmens hängt eine Weltkarte, auf der mit kleinen Lampen die einzelnen Anlagen verzeichnet sind. In 80 Ländern leuchtet es.
Großauftrag von der Mibrag
FAM-Chef und Miteigentümer Lutz Petermann zählt die aktuellen Projekte auf: Kraftwerksanlagen in Vietnam und Serbien, Zulieferungen für zwei Düngemittelfabriken in Turkmenistan und ein Massenverteiler für die Mitteldeutsche Braunkohlengesellschaft (Mibrag) aus Zeitz (Burgenlandkreis). Das 45-Millionen-Euro-Projekt für die Mibrag veranschaulicht recht gut die Dimensionen der Aufträge. Der Massenverteiler wird das logistische Herzstück des Tagebaus auf dem neuen Abbaufeld „Peres“: Die automatisierte Anlage sortiert die zu Tage geförderte Braunkohle und die anfallenden Gesteinsreste, im Fachjargon als „Abraum“ bezeichnet. Über 36 Kilometer lange Stahlgurtbänder wird die Braunkohle dann zu einem zentralen Lagerplatz transportiert, der Abraum hingegen auf Kippflächen.
„Fast immer fertigen wir die Anlagen nach Kundenwünschen“, sagt Petermann. Es gebe daher keine Standardprodukte. Die Fertigung findet ausschließlich in Magdeburg statt. In 20 Meter hohen Hallen werden schwere Teile auf Werkzeugmaschinen gebohrt, gesägt und gefräst. Überall leuchten Schweißbrenner. Eine Anlage zu fertigen, dauert mitunter Monate. Transportiert werden die Bagger und Bandanlagen fein zerlegt per Lkw und Schiff.
FAM-Unternehmen leidet unter Ukraine-Krise und Russland-Embargo
Das Unternehmen erwirtschaftet einen Jahresumsatz zwischen 250 und 300 Millionen Euro. Wenn ein Großprojekt ausfällt, trifft das FAM empfindlich. So ist es im Jahr 2014 passiert. Durch den Russland-Ukraine-Konflikt musste FAM ein Hafenprojekt in der Nähe von Odessa (Ukraine) auf Eis legen. „Ob und wann wir dieses noch einmal aufnehmen, wissen wir nicht“, so Petermann. Auch wenn die Produkte des Unternehmens nicht direkt vom Russland-Embargo betroffen sind, fallen auch dort Projekte wegen ausstehender Finanzierungen weg. Petermann beziffert die Umsatzverluste auf zehn Prozent.
Der Unternehmenschef sprach sich in der Vergangenheit daher öffentlich auch immer wieder für ein Aufheben der Wirtschaftssanktionen aus. Auch in Südamerika und Asien läuft es aktuell nicht rund. Wegen gefallener Rohstoffpreise haben BHP Billiton, Glencore und andere Bergbauriesen neue Projekte gestoppt und Minen stillgelegt. FAM musste daher im Vorjahr 400 der rund 875 Service-Mitarbeiter in Chile entlassen, die zuvor Wartungen von Förderanlagen in Minen übernommen hatten. „Es ist die dritte Branchen-Krise, die ich miterlebe“, sagt Petermann.
In den 30er Jahren des 19. Jahrhunderts beginnt in Magdeburg die Maschinenbau-Tradition. 1838 wird die „Maschinenfabrik Buckau AG“ gegründet, die zunächst Dampfmaschinen für Schiffe herstellt.
1907 stellt die „Maschinenfabrik Buckau“ den ersten Doppeltorbagger für die Kohleförderung her. 1908 gründet der Kaufmann Georg Becker in Magdeburg-
Sudenburg eine Fabrik für Transportanlagen. Heute befindet sich an gleicher Stelle der FAM-Sitz.
Nach 1945 wird das Unternehmen „Buckau Wolf“ verstaatlicht und firmierte ab 1956 unter Schwermaschinenbau „Georgi Dimitroff“. Die Firma „Georg Becker“ wird 1959 durch eine Fusion zum Unternehmen Förderanlagen „7. Oktober“.
Nach 1990 entsteht aus diesem Betrieb das Unternehmen Förderanlagen Magdeburg (FAM), das 1994 privatisiert wurde. Damals kauften Petermanns Vater und ein anderer ehemaliger Mitarbeiter das Unternehmen gemeinsam mit zwei Beteiligungsgesellschaften von der Treuhand. Der Anlagenbauer hatte gerade noch 350 Beschäftigte.
Die erste sei die Asienkrise 1997 gewesen, die zweite die Finanz- und Wirtschaftskrise 2009/10. Aktuell hat FAM laut Petermann seine Produktionskapazitäten noch voll ausgelastet. Für das Jahr 2017 müsse aber noch intensiv gearbeitet werden. Weltweit konkurriert FAM direkt mit vier Unternehmen, die alle in Europa sitzen. Eines davon ist das Leipziger Unternehmen Takraf. Petermann bezeichnet es als Stärke der Magdeburger, dass man sehr schnell auf gesonderte Kundenwünsche reagieren kann. „Das F bei FAM steht eigentlich für flexibel“, erklärt der Unternehmenschef.
Alle Industrien brauchen Rohstoffe
Ist angesichts der aktuellen Herausforderungen die neue Firmenzentrale nicht ein teurer Luxus? Petermann zögert mit der Antwort. Stünde die Entscheidung jetzt an, fiele sie wahrscheinlich auch anders aus. Trotz der aktuellen Turbulenzen in der Bergbau-Branche rechnet Petermann langfristig mit weiter steigenden Absätzen. Einerseits geht er zwar davon aus, dass es in der deutschen Kohleindustrie kaum noch neue Großprojekte geben wird. Rückgänge im Heimatmarkt seien für FAM schmerzhaft. Andererseits würden ausländische Märkte langfristig weiter zulegen „Rohstoffe stehen am Anfang fast aller industriellen Wertschöpfungsketten“, sagt Petermann. Auch die digitale Wirtschaft käme ohne Metalle nicht aus. Die mehrere hundert Tonnen schweren Schaufelradbagger von FAM kommen also nicht so schnell aus der Mode.
(mz)

