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Fahrrad statt Auto: Rad-Händler als Corona-Gewinner

09.09.2020, 13:12
Kunden einer Fahrradwerkstatt stehen vor der Tür des Geschäftes in einer Schlange an. Foto: Sebastian Willnow/dpa-Zentralbild/dpa
Kunden einer Fahrradwerkstatt stehen vor der Tür des Geschäftes in einer Schlange an. Foto: Sebastian Willnow/dpa-Zentralbild/dpa dpa-Zentralbild

Berlin - Der Fahrradhandel in Deutschland hat in der Corona-Krise stark zugelegt - und rechnet dank der hohen Nachfrage nach Rädern, E-Bikes und Reparaturen weiter mit guten Geschäften.

„Wir gehen davon aus, dass viele Händler 2020 mit einem sehr guten Ergebnis abschließen werden - unabhängig davon, wie sich die letzten Monate noch entwickeln”, sagte Tobias Hempelmann, Vorstandsmitglied beim Verband des Deutschen Zweiradhandels (VDZ), der Deutschen Presse-Agentur. Das Statistische Bundesamt betonte, die Branche sei - ebenso wie der Handel mit Sport- und Campingartikeln - „klarer Corona-Gewinner im Bereich Mobilität”.

Angesichts der guten Auftragslage in vielen Betrieben erwartet der VDZ für 2020 ein Gesamtumsatzplus im zweistelligen Prozentbereich im Vergleich zum Vorjahr. Zwar mussten auch die meisten Fahrradgeschäfte ausgerechnet zum Saisonauftakt im März und April in der Corona-Krise zeitweise schließen. Die Umsatzlücke sei aber aufgrund der starken Nachfrage in den Folgemonaten vielerorts bereits nach wenigen Monaten wieder eingeholt worden, wie mehrere Fahrradhandelsverbände mitteilten. Lediglich Lieferengpässe bei Rädern und Waren könnten den Umsatzschub bis Jahresende noch bremsen, hieß es.

„Wir gehen davon aus, dass dieses Jahr das Wachstum - trotz Corona - noch weiter zugenommen hat, denn Corona hatte einen positiven Effekt für die Fahrradbranche”, sagte Dirk Sexauer vom Verbund Service und Fahrrad (VSF). Diese Einschätzung wird von Zahlen des Statistischen Bundesamts (Destatis) untermauert. Nach der Wiedereröffnung der Läden schossen die Erlöse in der Branche - also inklusive Sport- und Campingartikeln - demnach im Mai 2020 zum Vormonat um 56,1 Prozent in die Höhe. Der Juni 2020 lag nach Berechnung der Statistiker mit einem Umsatzplus von 29,2 Prozent immer noch deutlich über dem Vorjahresmonat. 2019 hatte allein der Fahrradhandel nach VSF-Angaben einen Gesamtumsatz von 6,3 Milliarden Euro verzeichnet.

Die gute Lage der Fahrradbranche ist für viele Kunden allerdings mancherorts noch mit langen Wartezeiten auf Modelle und Reparaturen verbunden. „Die intensive Fahrradnutzung hat einen Run auf die Werkstätten ausgelöst, dem niemand gewachsen war und den man auch nicht so schnell kompensieren konnte”, sagte VDZ-Vorstand Hempelmann. Einzelne Betriebe berichteten demnach noch immer von teils monatelanger Wartezeit für Reparaturtermine.

Der Rückstau kann laut VDZ kaum kurzfristig abgebaut werden, da vielen Händlern Fachkräfte im Service fehlen. „Ich kenne keinen Fahrradhändler, der nicht noch Fachkräfte und Auszubildende in der Werkstatt sucht”, sagte Hempelmann. Nach VSF-Angaben gingen die Wartezeiten insgesamt zuletzt aber wieder zurück.

Nach Angaben der Verbände kommt es vor allem in Ballungsgebieten noch zu Engpässen, da dort besonders viele Menschen zuletzt vom ÖPNV auf das Rad umstiegen. Auch der Trend zum Urlaub mit Fahrrädern in Deutschland sei der Branche zusätzlich zugutegekommen. Wer aktuell nach einem neuen Rad Ausschau hält, sollte bei seinem Wunschmodell flexibel sein, riet David Eisenberger vom Zweirad-Industrie-Verband (ZIV). „Wer nicht so festgelegt ist, bekommt aus jeder Modellgruppe von Mountainbikes bis City-Rädern noch passende Fahrzeuge. Vielleicht bekommt man sie nicht sofort beim Händler um die Ecke, sondern muss ein bisschen suchen.”

Während die Fahrradhändler mit der Nachfrage kaum hinterherkommen - insgesamt stiegen die Umsätze der Fahrrad-, Sport- und Campingartikelhändler nach Destatis-Berechnungen im ersten Halbjahr kalender- und saisonbereinigt um 6,8 Prozent im Vergleich zum zweiten Halbjahr 2019 -, gingen die Erlöse von Kfz-Handel und Kfz-Werkstätten deutlich zurück. Betroffen war den Angaben zufolge vor allem der Autohandel mit einem Minus von rund 18 Prozent. Wegen der Einschränkungen zur Bekämpfung des Coronavirus durften zeitweise die Verkaufsräume der Autohändler nicht öffnen.

© dpa-infocom, dpa:200909-99-488686/3 (dpa)