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Erfolgreicher Außenseiter Erfolgreicher Außenseiter: Bestes Weingut in der Anbauregion Saale-Unstrut geehrt

Von Steffen Höhne 05.11.2014, 09:04
Winzer Marcel Schulze hat gestern Rotwein vom vergangenen Jahr abgefüllt. Über 20 Rebsorten stehen auf seinen Weinbergen.
Winzer Marcel Schulze hat gestern Rotwein vom vergangenen Jahr abgefüllt. Über 20 Rebsorten stehen auf seinen Weinbergen. Jens Schlüter Lizenz

Döschwitz - Marcel Schulze sitzt in der neuen, kleinen Vinothek seines Weingutes. In den Regalen stehen fein sortiert seine Weine, an den Wänden hängen zahlreiche Urkunden von Landes- und Bundesweinprämierungen. In diesem Jahr erhielt Schulze bereits zum dritten Mal in Folge den Bundesehrenpreis für das beste Weingut in der Anbauregion Saale-Unstrut. 14 Medaillen erhielten seine Weine - darunter zwei goldene. Der 37-Jährige gehört damit zu den erfolgreichsten Winzern der Region. Doch trotz der vielen Auszeichnungen blieb ihm bisher die Anerkennung in der hiesigen Winzer-Gemeinde weitgehend versagt. Er ist ein erfolgreicher Außenseiter.

Schwieriger Start

Schulze wurde in Zeitz geboren und wuchs dort auf. Mit Wein ist er in seiner Kindheit nicht in Berührung gekommen. Er lernte Kaufmann bei der Supermarktkette Edeka. Als die Stadt Zeitz die Weinbautradition am Kloster Posa wiederbeleben wollte, erklärte sich die Familie Schulze, die in der Gastronomie tätig war, dazu bereit. „Im Jahr 1999 haben wir am Südhang des Klosters die ersten Reben Dornfelder und Weißburgunder gesetzt“, sagt Schulze. 2002 wurde das erste mal geerntet. „Wir suchten damals jemanden, der uns den Wein keltert“, erzählt er.

Neun goldene, 37 silberne und 22 bronzene Medaillen brachten die Weingüter von Saale und Unstrut dieses Jahr von der Bundesweinprämierung mit nach Hause. Heute werden die Medaillen-Gewinner auf einer Festveranstaltung in Freyburg noch einmal geehrt.

Allein 25 Auszeichnungen (davon drei Gold) gehen auf das Konto der Winzervereinigung Freyburg-Unstrut, die damit mit Abstand die meisten Weine auf das Siegertreppchen brachte. Auf 14 Auszeichnungen (zwei Gold) brachte es das Weingut Marcel Schulze.

Dafür gab es gleichzeitig den Bundesehrenpreis. Zwar hat Schulze weniger Medaillen als die Winzervereinigung, er bewirtschaftet allerdings auch sehr viel weniger Fläche. Ebenfalls Goldmedaillen holten das Thüringer Weingut Zahn und das Weingut Frölich-Hake aus Naumburg.

Das Weinbaugebiet Saale-Unstrut ist mit einer Rebfläche von rund 760 Hektar das kleinste und nördlichste geschlossene Weinanbaugebiet Deutschlands. Drei Bundesländer teilen sich heute die Weinregion: Sachsen-Anhalt (642 Hektar), Thüringen (108) und Brandenburg (zehn). Es gibt etwa 50 private Weingüter in dem Gebiet. (sth)

Doch von den hiesigen Winzern erhielt er nur Absagen. „An Weinbau in Zeitz hat offenbar niemand geglaubt, wären wir in Freyburg gewesen, hätte dies vielleicht anders ausgesehen.“ Also entschloss sich die Familie, in Döschwitz selbst einen kleinen Weinkeller zu bauen. Schulze kaufte zunächst gebrauchte Anlagen. Um das Angebot und die Effizienz zu erhöhen, pachtete er in den Folgejahren bestehende Weinberge in Freyburg, Naumburg und Bad Kösen. Mit sieben Hektar gehört das Weingut mittlerweile zu den mittelgroßen in der Region.

Wie es dem jungen Winzer gelungen ist, seine Weine am Markt zu etablieren, lesen Sie auf Seite 2.

Doch mit dem zusätzlichen Wein hatte Schulze ein Absatzproblem. „Wenn man als junger Winzer ohne Namen anfängt, rennen einem die Kunden nicht die Tür ein“, sagt er. Also nutzte er seine Kontakte in den Einzelhandel. Der Lebensmittelriese Kaufland war die erste Kette, die seine Weine regional in die Märkte stellte. Es folgten Real, Globus und Edeka.

Dass ein kleines Weingut über Supermärkte seinen Wein verkauft, ist eher ungewöhnlich. Im Anbaugebiet beliefern bisher nur die großen Erzeuger, die Winzervereinigung Freyburg-Unstrut und das Landesweingut Kloster-Pforta, den Einzelhandel. So kommt es, dass Schulzes preisgekrönte Weine nicht beim Fachhändler, sondern im Markt um die Ecke für sechs bis acht Euro erhältlich sind. Einigen Winzern schmeckt dies nicht. Sie fürchten einen Preisverfall.

Doch wie ist Schulzes Erfolg zu erklären? Eine Landwirtschafts- oder Winzerausbildung hat er nie absolviert. „Ich habe mir Stück für Stück alles selbst beigebracht.“ Durch die unterschiedlichen Lagen seiner Weinberge besitzt der Winzer ein breites Angebot an Rebsorten, die er bei Prämierungen einsenden kann. Andere Weingüter konzentrieren sich eher auf einzelne Rebsorten und können von vornherein keinen Medaillen-Regen erwarten. Einige Winzer, die bereits einen renommierten Namen besitzen, senden auch nur noch vereinzelt Weine zu den Prämierungen ein. Ihre Jahresproduktion ist auch so ausverkauft. Die Landes- und Bundesweinprämierung spiegelt daher nicht das gesamte Spektrum der Weine und Weingüter.

Lob vom Weinbaupräsidenten

Schulzes Reben stehen vor allem in Steillagen. Das fördert die Qualität der Trauben, macht die Ernte allerdings schwierig. „Bei uns wird alles von Hand gelesen“, erklärt er. Auch dies erhöhe die Güte. Im Weinkeller hat Schulze in den vergangenen Jahren kräftig aufgerüstet. Edelstahltanks, eine Presse und eine moderne Abfüllanlage wurden angeschafft. Nach seinen Worten wurden in die Kelterei, die sich in einem ehemaligen Gasthaus befindet, mehrere hunderttausend Euro investiert. Schulzes Hauptproblem heißt Platzmangel. In seinem Keller kann man sich kaum drehen und wenden.

Bei der Qualität des Weines verlässt er sich nicht nur auf sein Gespür. „Wir schicken die Weine an ein Labor.“ Dort werde eine sogenannte Schönungs-Analyse durchgeführt, die beispielsweise den Säuregehalt ermittelt. Ist der zu hoch, kann Schulze durch Erwärmung des Weines im Tank gegensteuern. „Gerade weil ich keine Weinbau-Ausbildung habe, hinterfrage ich viele Dinge zweimal“, sagt der Winzer. Vom Weinbaupräsidenten Siegfried Boy erntet der junge Unternehmer daher Lob: „Herr Schulze hat in den vergangenen Jahren hervorragende Arbeit geleistet.“

Das hat jedoch auch seinen Preis. Für Hobbys fehlt ihm die Zeit. Das letzte Mal in längerem Urlaub - man kann es kaum glauben - war er nach eigenen Worten „als Kind - 1988“. Schulze lebt für und vom Wein. Steigender Absatz und die Zufriedenheit seiner Kunden ist für ihn die größte Auszeichnung. (mz)