Diesel-Betrug Diesel-Betrug: Manager von Mercedes und Audi geraten unter Druck

Fankfurt - Jetzt wird es richtig ungemütlich für die Manager der deutschen Autobauer. Daimler-Chef Dieter Zetsche musste am Montagnachmittag bei Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) antreten. Zugleich ließ Staatsanwaltschaft München die Privatwohnung von Audi-Chef Rupert Stadler wegen Betrugsverdachts durchsuchen. Und Industrie-Präsident Dieter Kempf fordert, dass die Manager endlich Verantwortung übernehmen.
Umweltschützer fordern hartes Durchgreifen
Umweltschützer machen sich derweil für ein hartes Durchgreifen der Bundesregierung stark. „Ebenso schlimm wie eine fehlende Hardware-Nachrüstung für Fahrzeuge im Bestand ist, dass die Autobauer noch immer im großen Stil Diesel-Neuwagen verkaufen, die auf der Straße viel zu viel Stickoxid ausstoßen und damit die Gesundheit von Millionen Menschen schädigen“, sagte Jens Hilgenberg, Verkehrsexperte des BUND, dieser Zeitung.
Dagegen müsse endlich konsequent vorgegangen werden. Sein Vorschlag: Das Kraftfahrtbundesamt (KBA) soll einen Verkaufsstopp für Fahrzeuge erlassen, die nicht auch im Realbetrieb die gesetzlichen Abgasvorschriften einhalten. Das würde de facto auf ein Vorziehen der Abgasnorm „Euro-6d-temp“ hinauslaufen, die eigentlich erst vom 1. September 2019 für alle erstmals zugelassenen Neuwagen gelten soll.
Beim neuen Standard wird für die Ermittlung der Luftschadstoffwerte erstmals das deutlich realistischere RDE-Verfahren angewendet, bei dem Werte im normalen Straßenverkehr gemessen werden – zunächst sind 168 Mikrogramm Stickoxid (NOX) pro Kilometer erlaubt. Dieser Wert soll nach derzeitigen Planungen der EU 2021 auf 120 Mikrogramm reduziert werden.
Mehrheit der Fahrzeuge erfüllt Norm noch nicht
Viele Autobauer bieten zwar jeweils bereits Dutzende von Modellen an, die diesen Vorgaben entsprechen. Gleichwohl erfüllt die weit überwiegende Mehrheit der hierzulande offerierten Dieselfahrzeuge diese Norm noch nicht.
Besonders dünn sieht es bei den Fahrzeugen des Volkswagen-Konzerns aus. Einer aktuellen Aufstellung des ADAC ist zu entnehmen, dass es gerade einmal zwei Audi-Modelle, ein A6 und ein A7, sowie zwei VW, ein T-Roc und ein Touareg, sind. Der Hintergrund: Der Volkswagen-Konzern hat in der Vergangenheit bei der Motorentwicklung mehr als andere Autobauer darauf gesetzt, mittels Turbo-Technik Dieselmotoren effizienter zu machen – mit mehr Leistung und weniger CO2-Ausstoß, das hat aber dazu geführt, dass die NOX-Emissionen gestiegen sind. Dies macht sich insbesondere bei großen Aggregaten bemerkbar.
Staatsanwaltschaft ermittelt gegen Audi-Chef Rupert
Dies könnte auch ein Grund dafür sein, dass die Volkswagen-Tochter Porsche inzwischen den Verkauf von Diesel-SUV gestoppt hat. Das KBA hatte schon im Mai einen Rückruf für schon zugelassene Diesel-Modelle der Baureihen Cayenne und Macan illegaler Abschalteinrichtungen angeordnet. Selbiges wurde vorige Woche für große Audis (A6 und A7) mit verwandten Aggregaten wegen erlassen – mit einem Update soll die unzulässige Software unwirksam gemacht werden. Die Münchner Staatsanwaltschaft wirft indes Audi-Chef Rupert Stadler „mittelbare Falschbeurkundung“ vor, weil für den Verkauf von Dieselfahrzeugen mit manipulierter Abgasreinigung verantwortlich sein soll.
Das KBA hat auch schon Ende Mai einen Rückruf für den Mercedes-Transporter Vito erlassen. Branchenkennern zufolge sollen die Bordcomputer hierbei mit fünf verschiedenen Abschaltfunktionen arbeiten. Beim Vito handelt es sich um knapp 1400 Fahrzeuge in Deutschland. Diese haben – wie die Modelle von Porsche und Audi – Motoren, die der aktuellen Abgasnorm Euro 6c entsprechen, bei der nur auf dem Prüfstand gemessen wird.
Juristisch in einer Grauzone
Inzwischen zeigt sich immer deutlicher, dass es sich beim Fall Vito nur um eine kleine Spitze eines riesigen Eisbergs handeln könnte. Mehr als eine Million Fahrzeuge allein bei Mercedes könnten womöglich betroffen sein. Kein Wunder jedenfalls, dass Mercedes die Anordnung des KBA nicht akzeptieren und vielleicht sogar vor Gericht ziehen will.
Branchenkenner gehen davon aus, dass die Abschalteinrichtungen sich juristisch in einer Grauzone bewegen. Daimler hat immer wieder argumentiert, dass es zulässig sei, die Abgasreinigung zum Schutz des Motors etwa beim Unterschreiten bestimmter Außentemperaturen auszuschalten. Umweltschützer und Wissenschaftler widersprechen.
Mercedes-Chef Zetsche ins Ministerium zitiert
Medienberichten zufolge soll ein Daimler-Anwalt dem Verkehrsministerium gegenüber erklärt haben, wenn die Praxis von Mercedes für illegal erklärt werde, dann werde dies die gesamte deutsche Autobranche in Gefahr bringen. Am Montag jedenfalls wurde Konzernchef Zetsche zum zweiten Mal innerhalb von zwei Wochen zum Rapport ins Ministerium zitiert.
Ein Daimler-Sprecher wollte keine Angaben zu den Verhandlungen machen. „Spiegel Online“ berichtete, dass Zetsche dem CSU-Politiker einen Deal vorschlagen wollte: Umfängliche Software-Updates bei mehreren zehntausend Fahrzeugen, im Gegenzug eine Art General-Amnestie, also keine weiteren KBA-Untersuchungen bei Fahrzeugen des Konzerns.
Betrug wohl ein flächendeckendes Phänomen
All dies deutet auf eins hin: Die Abgasbetrügerei ist offensichtlich ein flächendeckendes Phänomen in der Autobranche, was Umweltschützer schon im September 2015 nach der Aufdeckung des Betrugs bei Volkswagen behauptet hatten. Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang, dass sich nun auch Kempf als Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI) zu Wort meldet. Seine Kritik an den Autobauern ist massiv: Der Umgang mit Fehlern, auch der betrügerischen Art, habe viele in der Politik, viele Verbraucher und auch viele in Unternehmen ärgerlich gemacht. Wer Fehler gemacht habe, müsse sie benennen, sich entschuldigen und sie abstellen, „um endlich Vertrauen zurückzugewinnen“.