Künftiger Finanzminister Die Baustellen des künftigen Finanzministers Olaf Scholz

An diesem Montag kann sich Peter Altmaier noch einmal in Brüssel bei seinen Kollegen der Euro-Zone verabschieden. In seiner Zeit als geschäftsführender Bundesfinanzminister hat er der meist gut gelaunte Saarländer im deutlichen Kontrast zu Wolfgang Schäuble zumindest die Stimmung in den Sitzungssälen deutlich verbessert.
Am Dienstag soll Jens Spahn (alle CDU), noch Parlamentarischer Finanzstaatssekretär und bald Gesundheitsminister, Deutschland beim informellen Treffen der EU-Finanz- und Wirtschaftsminister vertreten, bevor dann Olaf Scholz (SPD) übernimmt.
Nicht viel Zeit zum Einarbeiten
Viel Zeit zum Einarbeiten bekommt der Sozialdemokrat im wichtigsten und anspruchsvollsten Ministerium nicht. Aber die wird der Fachanwalt für Arbeitsrecht auch kaum benötigen. Als einer der wenigen SPD-Politiker wusste er schon lange, was in einer neuen Regierung aus ihm werden würde.
Zudem hat der ehemalige Arbeitsminister und SPD-Generalsekretär immer wieder für seine Partei die schwierigsten Finanzthemen verhandelt. So sorgte er selbst für einen innerdeutschen Finanzausgleich mit so vielen und komplizierten Milliardenströmen, dass selbst Fachleute den Überblick verlieren. Das freut einen ganz besonders, der so gerne mit Expertenwissen glänzt wie der Hamburger.
Herausforderungen eine schwere politische Last
Auf der internationalen Bühne ist er freilich weitgehend unbekannt. Gerade dort wird er sich rasch beweisen müssen. Das Regierungsflugzeug für die Reise noch in dieser Woche nach Buenos Aires zum G 20-Treffen ist reserviert. Dort wird Scholz auf US-Finanzminister Steven Mnuchin treffen, an dem bereits Schäuble mit allen Bemühungen um eine Verständigung in zentralen wirtschaftspolitischen Fragen abprallte.
Über Handel wollte Mnuchin beim Gipfel in Baden-Baden unter deutscher Präsidentschaft gar nicht erst reden – dafür sei er nicht zuständig. Dafür trägt er die Verantwortung für eine massive Steuersenkung für alle Konzerne in den USA.
Diese Herausforderung für den Standort D konnte Schäuble noch weitgehend ignorieren. Für den Sozialdemokraten Scholz wird sie eine schwere politische Last. Lange wird er sich nicht um eine Positionierung drücken können.
Zum Abschied aus dem Finanzministerium hinterließ ihm der scheidende Staatssekretär und CDU-Hoffnungsträger Spahn ein nettes Abschiedsgeschenk, indem er sich der Forderung nach einer Entlastung für die Wirtschaft auch in Deutschland anschloss.
Im Koalitionsvertrag findet sich dazu nichts außer ein paar allgemein gehaltenen Beteuerungen zu einem abgestimmten europäischen Vorgehen und einer Kooperation mit Frankreich. Geld haben Union und SPD für eine solche Reform zu Gunsten der Wirtschaft nicht beiseitegelegt. Allein dies spricht dafür, dass Scholz alle Wünsche so lange wie möglich zurückweisen wird.
Bei einem weiteren Thema setzen die USA unter Präsident Donald Trump den künftigen Bundesfinanzminister unter Druck. In Washington arbeiten Republikaner und Demokraten daran, Kernelemente der Regulierung nach der Finanzkrise von 2009 zurück zu nehmen.
Den Weg zu Kompromissen weist der Koalitionsvertrag
Vor allem für kleinere und mittelgroße Banken wollen sie die verschärfte Aufsicht und erhöhten Sicherheitsanforderungen wieder abschaffen, die Trumps Vorgänger Barack Obama als Reaktion auf den massiven Wirtschaftseinbruch nach Platzen der Spekulationsblase auf den Weg gebracht hatte. Weil von dieser Deregulierung auch gar nicht so kleine Firmen wie American Express und sogar die US-Tochter der Deutschen Bank profitieren werden, scharen in Berlin und Brüssel die Lobbyisten mit den Füßen.
Als Sozialdemokrat allerdings muss und wird Scholz alles daran setzen, diesen Abwehrkampf zu gewinnen, um sich die nötige politische Rückendeckung im eigenen Lager zu sichern.
Begehrlichkeiten erwarten ihn auch in Brüssel beziehungsweise in Paris, Rom und Athen, wo man Europa neu aufstellen möchte. Selbst Altmaier kämpfte verzweifelt gegen Spekulationen, er wolle die harte Linie Schäubles aufgeben und deutsches Geld für die verschuldeten Euro-Staaten und die kriselnden südeuropäischen Banken frei geben. „Ich werde zum vierten Mal in der Euro-Gruppe die Positionen vertreten, die auch Wolfgang Schäuble immer vertreten hat“ – so wehrte der Christdemokrat Zweifel an seiner Zuverlässigkeit ab.
Scholz selbst aber nährte die Hoffnungen in Frankreich und Italien auf ein Entgegenkommen mit dem vorsichtigen Hinweis, dass manche deutsche Position der Vergangenheit überzogen gewesen sein könnte. Nicht nur Frankreichs Präsident Emmanuel Macron drängt, auch Ratspräsident Donald Tusk mahnte „konkrete Entscheidungen“ für die Weiterentwicklung der Währungsunion bis zum EU-Gipfel im Juni an. Den Weg zu Kompromissen weist der Koalitionsvertrag.
Ringen um die Vollendung der Bankenunion durch einen europaweiten Schutz für Sparer
Dort lassen sich Union und SPD nicht nur ausführlich über ihre Liebe zu Europa aus. Sie sprechen sich auch dafür aus, den Euro-Rettungsfonds ESM zu einem „einem parlamentarisch kontrollierten Europäischen Währungsfonds“ weiter zu entwickeln und ihn im Europa-Recht zu verankern. Schäuble dagegen beharrte stets darauf, dass die nationalen Staaten und Regierungen die Hand auf dem Geld halten und nicht etwa die EU-Kommission zu viel Einfluss bekommt.
Der Koalitionsvertrag greift dies zwar auf, indem er das Recht des Bundestages auf die letzte Entscheidung bekräftigt. Insgesamt aber lässt er Raum für Diskussionen und für Verhandlungen mit den Euro-Partnern. Die setzen zudem darauf, dass Deutschland mehr Geld für europäische Initiativen etwa zur Förderung von Investitionen bereitstellt. Auch für diesen Gedanken hat Scholz bereits Sympathie angedeutet.
Am heikelsten für jeden deutschen Finanzminister ist das Ringen um die Vollendung der Bankenunion durch einen europaweiten Schutz für Sparer. Schäuble musste widerwillig akzeptieren, dass in der Zukunft die Einlagensicherung vergemeinschaftet wird. Geht eine Bank in Italien pleite, würden dann die von deutschen Banken und Sparkassen geleisteten Zahlungen mit zur Absicherung der Kunden herangezogen - und umgekehrt.
Strikter Verfechter solider Finanzen
Etwas polemisch sprechen Kritiker davon, dass deutsche Sparer für Bankenpleiten in Italien oder Spanien haften müssten. Allerdings pochte Berlin bisher energisch darauf, dass erst einmal die anderen Länder ihre Zusagen erfüllen. Sprich: Erst einmal müssen sie ihre Bankensysteme in Ordnung bringen und Risiken durch faule Kredite abbauen. Scholz wird an dieser Bedingung festhalten und wie sein Vorgänger versuchen, die Umsetzung der vollen Bankenunion zu verzögern. Doch der politische Druck insbesondere aus Italien wächst.
Leichter wird für den neuen Finanzminister eine Hausaufgabe, die freilich rasch erledigt werden will. Bis April muss er den Entwurf für den Haushalt des laufenden Jahres ins Kabinett einbringen, damit ihn der Bundestag vor der Sommerpause verabschieden kann. Bisher gilt die vorläufige Haushaltsführung, weil das Parlament noch keinen Etat für 2018 beschlossen hat. Das ist nach Bundestagswahlen nicht ungewöhnlich und kein größeres Problem. Die Ressorts dürfen die nötigen Ausgaben tätigen, aber keine neuen Programme auflegen.
Mit seinem ersten Etat kann Scholz erste politische Akzente setzen, also etwa zusätzliche Mittel für Digitales oder Bildung freigeben. Wegen des Zeitdrucks aber ist mit keiner großen Abweichung von den Plänen der alten Regierung zu rechnen. Aber die wurde ja auch von denselben Parteien gestellt. Festhalten wollen die an der Schwarzen Null.
Läuft die Konjunktur weiter rund, dürfte dies trotz einiger kostspieliger Vorhaben kein Problem sein. Erst bei einem Abschwung käme Scholz in die Verlegenheit, sich für einen ausgeglichenen Haushalt anstrengen zu müssen. Als strikter Verfechter solider Finanzen würde er alles daran setzen, alte Vorurteile über das Verhältnis von Sozialdemokraten zum Geld zu widerlegen.