Werbung gegen Realität Deutsche Bahn: Ist der Strom so grün wie behauptet?

Berlin - „Bahnfahren ist Klimaschutz“. So steht es in großen weißen Buchstaben auf knallgrünem Grund auf dem neuen Geschäftsbericht der Deutschen Bahn. Und: „Ab 2018 sind 140 Millionen Reisende im DB-Fernverkehr mit 100 Prozent Ökostrom unterwegs.“ Doch ist die Bahn wirklich so öko, wie sie tut? Aus Sicht von Umweltschützern bleibt sie deutlich hinter ihren Möglichkeiten zurück.
Mit den 100 Prozent wird seit Monaten geworben. Gemeint ist damit: Der Staatskonzern verspricht, dass er genau so viel elektrische Energie aus erneuerbaren Quellen einkauft, wie er im Fernverkehr verbraucht. Doch das macht nur einen kleinen Teil des gesamten DB-Bedarfs aus. Unter dem Strich will der Schienengigant in diesem Jahr 45 Prozent seines Stromverbrauchs mit grüner Elektrizität 2018 bestreiten, und dabei soll es bis 2020 bleiben – nachdem es im vergangen Jahr ein Prozentpunkt weniger gewesen war.
Kritik an DB-Werbung
45 Prozent Erneuerbare, das heißt auch, dass die übrigen 55 Prozent über langfristige Verträge mit den Betreibern von Atom-, Gas- und Kohlekraftwerken abgedeckt werden. Auch aus diesem Grund hält Dominik Seebach vom Öko-Institut die Werbung mit dem klimaneutralen Bahnfahren für sehr bedenklich.
„Da wird dem Fahrgast suggeriert, er könne auf Fernstrecken so viel mit der Bahn fahren wie er will, es sei immer klimaneutral.“
Dabei werde vergessen, dass die null Emissionen im Fernverkehr nur ein rechnerischer Wert seien. Um ICE-Züge zu bewegen, werde real durch das zeitgleiche Zusammenspiel von Erzeugung und Verbrauch natürlich immer CO2 in die Luft geblasen - es ist technisch unmöglich, jederzeit genau die Menge an Grünstrom bereitzustellen, die gerade benötigt wird.
Aber immerhin: Mit den 44 Prozent ist der Bahnstrom sauberer als der deutsche Strommix im Allgemeinen, da kommt nämlich nur gut ein Drittel aus erneuerbaren Quellen. „Doch das darf nicht genügen“, sagt Jens Hilgenberg, Verkehrsexperte des Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland. Die Bundesregierung müsse sich an den eigenen Klimaschutzzielen orientieren und die Bahn so schnell wie möglich auf echte CO2-freie Energie umstellen. Als Nahziel fordert Hilgenberg, dass der Konzern „bis 2020 mindestens die Hälfte des Gesamtstrombedarfs aus regenerativen Quellen zu bezieht“.
In die DB fließt viel Strom
Die Bahn hat beinahe ideale Bedingungen, um die Verkehrs- und die Energiewende zu forcieren. Schließlich ist sie komplett in der Hand des Staates und einer der größten Stromkunden Deutschlands. Laut Geschäftsbericht hat der konzerneigene Energieversorger 2017 rund 27,5 Terawattstunden eingekauft, um Züge in Bewegung zu bringen, Bahnhöfe, Tausende andere Betriebsstätten und externe Kunden zu beliefern. Das sind mehr als fünf Prozent des gesamten Strombedarfs in Deutschland. Die Bahn verfügt über ein eigenes Stromnetz, und vor allem ist sie Pionier in der Elektromobilität – damit wird gut 90 Prozent der gesamten Verkehrsleistung erbracht.
Wie wäre es, einfach eigene Solar- und Windkraftanlagen zu betreiben, um sich komplett mit selbst gemachtem Strom zu versorgen? Aber: „Energieproduktion gehört nicht zu unserem Kerngeschäft. Deswegen fließen unsere begrenzten Investitionsmittel auch nicht in den Bau neuer Windräder oder Wasserkraftwerke, sondern in die Verbesserung unserer Mobilitäts- und Logistikangebote“, sagt ein Bahnsprecher.
Der Schienenkonzern kauft Energie en gros ein, und zur „Vergrünung“ habe man mit RWE und Eon die zwei größten Lieferverträge für Strom aus Wasserkraft in Deutschland abgeschlossen. „Die Verträge laufen noch bis weit in das nächste Jahrzehnt“, so der DB-Sprecher. Darüber hinaus werde Erneuerbare-Energien-Strom an den Handelsmärkten zugekauft. Die Grünstrom-Eigenschaft werde über sogenannte Herkunftsnachweise nachgewiesen. Es handelt es sich also nicht um Strom, der schon über die Förderung nach dem Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) finanziert wird. Beim EEG wird Energie ins allgemeine Netz eingespeist und von den Netzbetreibern vergütet.
Bahn will nicht auf Kohle verzichten
Wie lange indes die Lieferverträge mit den konventionellen Erzeugern noch laufen, will der Bahnsprecher nicht verraten. Klar ist aber: Ende diesen oder Anfang nächsten Jahres soll das riesige Kohlekraftwerk in Datteln 4 hinzu kommen, das vor allem für die Versorgung der Bahn gebaut wurde. Schließlich gibt es dort „die weltweit leistungsstärkste Bahnstromumrichteranlage“, so der Betreiber Uniper, der einst zu Eon gehörte. Datteln 4 soll damit bis zu 413 Megawatt ins Bahnstromnetz pumpen, könnte theoretisch einen Großteil des Energiebedarfs der DB-Züge für viele Jahre decken. Das zeigt: Einen Kohleausstieg wird es bei der Bahn so schnell nicht geben.
Das ist Wasser auf die Mühlen von Umweltschützern und ökologisch orientierten Verkehrsverbänden, die der Bahn immer wieder vorwerfen, bei den Erneuerbaren hinter ihren Möglichkeiten zu bleiben.
In den Niederlanden jedenfalls ist die staatliche Eisenbahngesellschaft schon erheblich weiter. Dort kommt der Fahrstrom schon seit Anfang vorigen Jahres vollständig aus Onshore- und Offshore-Windkraft. Allerdings hat das Land aufgrund seine Geographie auch ideale Bedingungen, und der Bedarf an elektrischer Energie für die Züge ist etwa nur ein Zehntel so hoch wie hierzulande. Dennoch kann sich die Bahn nach Ansicht von Seebach bei den Nachbarn etwas abgucken. „Mit Öko-Stromlieferanten werden langfristige Verträge abgeschlossen.“ Die umfassten Abnahmegarantien auch für Windräder, die noch gar nicht errichtet seien. „Solche Konzepte könnten auch hierzulande Investitionssicherheit bringen und damit den Ausbau der Erneuerbaren forcieren – und zwar zusätzlich zu den Neuanlagen, die über das EEG finanziert werden.“
Denn ökologisch entscheidend sei ein Beitrag zum weiteren Ausbau der Erneuerbaren. Ganz wichtig ist dabei elektrische Energie, die moderne Windmühlen erzeugen. Der Experte des Öko-Instituts räumt allerdings auch ein: Kalkuliere man mit den kompletten Kosten für den Windstrom und der bedarfsgerechten Versorgung der Züge, müssten bei hohen Anteilen von Erneuerbaren Erhöhungen der Ticketpreise durch andere „politische Vorteile“ vermieden werden. Gemeint sind beispielsweise Steuerentlastungen für die DB. Denn das Bahnfahren dürfe im Vergleich zu konkurrierenden Verkehrsträgern für die Reisenden nicht unattraktiv werden.