Deutsche Bahn AG Deutsche Bahn AG: Debatte über ausreichende Sicherheitsmaßnahmen

Berlin - „Offene Verkehrssysteme mit tausenden von Zügen und alleine bei der Deutschen Bahn 7,4 Millionen Fahrgästen pro Tag stellen besondere Anforderungen an objektive und subjektive – also gefühlte – Sicherheit.“ Ein wahrer Satz, gelassen aufgeschrieben, zu lesen auf der Homepage der Bahn AG, im Kapitel DB Sicherheit GmbH. Allerdings werden besagte Anforderungen im alltäglichen Schienenverkehr nach Ansicht der Eisenbahnergewerkschaft EVG bestenfalls bruchstückhaft erfüllt.
Entgegen anders lautender Zusicherungen habe die Bahn Personalbestand und Budget im Sicherheitsbereich nicht erhöht, sondern im Gegenteil in einigen Bereichen sogar abgebaut, kritisiert EVG-Vize Klaus-Dieter Hommel. „Angesichts der Vielzahl an Übergriffen überrascht uns dieser Rückzug. Sicherheit ist für uns existenziell“, betont der Gewerkschafter.
Wachsende Gewaltbereitschaft von Reisenden
Mit „uns“ meint Hommel nicht allein die Fahrgäste, sondern auch und vor allem das Bahnpersonal auf der Schiene und in Bahnhöfen. Seit Jahren sehen sich vor allem Zugbegleiterinnen und Zugbegleiter mit wachsender Gewaltbereitschaft einzelner Reisender konfrontiert. 2013 meldeten Bahnbeschäftigte bundesweit 1199 Angriffe, die eine Körperverletzung zur Folge hatten. 2014 waren es bereits 1541, im Jahr darauf 1876 und 2016 schließlich 2374 Attacken mit Verletzungsfolgen – ein historischer Höchststand. Der, wie es aussieht, aber nicht lange Bestand haben wird, denn im ersten Halbjahr 2017 wurden bereits 1228 gewalttätige Übergriffe auf Bahnbeschäftigte registriert und damit 100 mehr als im Vorjahreszeitraum.
Über die Ursachen der wachsenden Aggressivität nach zu sinnen, überlässt die Gewerkschaft anderen. Der EVG geht es um schnell umsetzbare Möglichkeiten, Beschäftigte und Fahrgäste wirksam vor gewalttätigen Übergriffen zu schützen. Wobei die Umsetzung aus EVG-Sicht bisher an mangelnden Finanzmitteln scheitert: Das Konzernbudget für den Sicherheitsbereich liege seit langem unverändert bei 160 Millionen Euro pro Jahr. Investitionen in bessere technische Ausrüstung wie Body-Cams gingen daher stets zulasten der Präsenz des Sicherheitspersonals vor Ort. So sei im Berliner Hauptbahnhof, mit täglich rund 300.000 Fahrgästen der viertgrößte Bahnhof der Republik, werktags lediglich eine zweiköpfige Streife unterwegs. „Das ist nicht nur ungenügend, das ist fahrlässig“, findet Hommel.
Bahn AG weist Homel-Kritik zurück
Überdies habe die Bahn AG konkrete Vereinbarungen über die Einstellung von 500 zusätzlichen ausgebildeten Sicherheitskräften nicht eingehalten, die Ausrüstung des Zugbegleitpersonals mit Pfeffersprays werde verzögert, anstelle eigener Sicherheitskräfte kaufe die Bahn Dienstleistungen bei Subunternehmen ein, deren Personal in aller Regel nicht angemessen ausgebildet sei – anders als die 2300 Beschäftigten der konzerneigenen DB Sicherheit GmbH. Deren Mitarbeiter dürfen laut Hommel außerhalb ihrer Arbeitszeit nicht in Uniform in ICE-Zügen mitfahren, anders als Bundespolizisten, die sogar das Ticket geschenkt bekommen, wenn sie sich beim Zugpersonal anmelden. „Da gibt es Spielregeln, die sich der normalen Logik nicht erschließen, um es vorsichtig auszudrücken“, sagt Hommel.
Und erntet damit Widerspruch. Nach Angaben eines Bahnsprechers können uniformierte Sicherheitsbedienstete seit diesem März sehr wohl in ICE-Zügen mitfahren, um die gefühlte Sicherheit zu erhöhen. Die Ausrüstung mit Pfefferspray werde nicht verzögert, sondern bedürfe der Schulung von konzernweit 20.000 Zugbegleitern. Unrichtig sei auch die Behauptung, das Budget sei nicht erhöht worden. In diesem Jahr gebe der Konzern nicht 160, sondern mehr als 170 Millionen Euro für den Sicherheitsbereich aus. Man habe 2016 zudem 100 voll ausgebildete Sicherheitskräfte sowie 100 Auszubildende eingestellt, weitere 185 Azubis folgten in diesem Jahr. Kurz: Gut Ding will Weile haben.
Mitunter trifft das offenbar auch auf technische Neuerungen zu: Die Body-Cams, die die Bahn zunächst am Kölner und am Berliner Hauptbahnhof testete, würde der Konzern nach allseits positiven Erfahrungen nur zu gern rasch bundesweit einführen. Gescheitert ist dies nach Bahnangaben bisher an immer neuen Anforderungen der Berliner Datenschutzbehörde.