CES in Las Vegas CES in Las Vegas: Bosch konkurriert mit Google und Co

Las Vegas - Das hat schon einen ironischen Beigeschmack. Ausgerechnet Bosch hat auf der Computermesse CES in Las Vegas ein Gerät vorgestellt, das helfen soll die Luftqualität in Städten zu verbessern.
Das ist bemerkenswert, da die Schummelsoftware, die Volkswagen bei Dieselmotoren eingesetzt hat, von dem Stuttgarter Zulieferer kam – und damit haben Millionen von Autos in Städten erheblich mehr giftige Stickoxide in die Luft geblasen, als erlaubt ist.
Bosch entdeckt Metropolen als Thema
Jetzt also Climo. Bosch präsentiert auf der CES ein gemeinsam mit dem Chipgiganten Intel entwickeltes Gerät, das die Größe von zwei nebeneinander gestellten Schuhkartons hat. Es misst unter anderem den CO2 - und natürlich auch den Stickoxidgehalt der Luft, neben der Temperatur und der Luftfeuchtigkeit. Der Clou dabei: Die Climo-Kiste ist „hundertmal kleiner als herkömmliche Systeme“ und kostet dabei nur ein Zehntel.
Warum machen die Leute von Bosch so etwas? Weil die Manager aus dem Schwäbischen Metropolen als Megathema entdeckt haben. Und es ist bestimmt kein Zufall, dass der Zulieferer Continental sich strategisch genau in die gleiche Richtung bewegt.
Teilweise tritt er auch mit gleichlautenden Argumenten auf der CES auf - das wichtigste: Um das Jahr 2050 herum werden zwei Drittel der Weltbevölkerung in Ballungsräumen leben. Der städtische Verkehr wird bis dahin um mindestens ein Drittel wachsen. Dafür braucht es Lösungen.
Künstliche Intelligenz im Straßenverkehr
Der neue Ford-Chef Jim Hackett sagte in einer programmatischen Keynote auf der CES, dass es nun an uns sei, die Straßen für das städtische Leben zurückzuerobern. Mit künstlicher Intelligenz, autonomen und vernetzten Fahrzeugen gebe es die Werkzeuge um Mobilität neu zu definieren.
Parken, der Fluss des Verkehrs und die Belieferung mit Waren könnten massiv verbessert werden. Zwar wisse man noch nicht genau, wie mit den neuen Technologien der Leben der Menschen besser werde. Aber zu diesem Weg gebe es keine Alternative, denn das alte System funktioniere nicht mehr.
Conti-Chef Elmar Degenhart präsentierte indes in Las Vegas - allerdings nur im Video – schon mal einen vollautomatischen, elektrischen Zweisitzer, der helfen soll Lärm, dreckige Luft und Verkehrsprobleme zu verringern. Das Auto soll wie ein öffentliches Verkehrsmittel genutzt werden, einzelne Fahrzeuge können sich zu Gruppen, sogenannten Platoons, zusammenschließen, um mit kurzem Abstand über Busspuren zu surren.
Bosch geht noch ein ganzes Stück weiter. „Smart City“ heißt das Schlagwort. Das sei lange eine Vision gewesen. „Wir verhelfen ihr jetzt zur Realität“, sagte Stefan Hartung, Mitglied der Bosch-Geschäftsführung, am Montag in Las Vegas.
Der Markt für die dazu gehörigen Technologien wächst nach einer von den Stuttgartern in Auftrag gegebenen Studie jährlich um 19 Prozent und wird 2020 ein Volumen von etwa 680 Milliarden Euro weltweit erreichen.
IT-Konzerne befassen sich mit Zukunft des Automobils
Alle Autobauer und alle großen IT-Konzerne befassen sich derzeit mit Tausenden von Managern mit Lösungen für die Kommunen. Dort wird unter anderem über die Zukunft des Automobils entschieden. So geht es insbesondere darum, den städtischen Individualverkehr zu retten. Allen Experten ist klar, dass es so nicht weitergehen kann.
Fachleute vom Deutschen Institut für Urbanistik sind davon überzeugt, dass die wichtigste Aufgabe in der Stadtentwicklung die Reduzierung des motorisierten Verkehrs ist. Ebenso wie Umweltschützer fordern Stadtplaner den Rad- und Fußgängerverkehr und die öffentlichen Verkehrsmittel massiv zu stärken.
Manager der Autobranche deuten indes die Sache mit der Reduzierung des Verkehrs insofern um, als dass sie umweltschädliche Fahrerei meinen. Deshalb legt die ganze Branche den Fokus auf lokal emissionsfreie Elektromobilität oft in Kombination mit Carsharing und autonomen Fahren.
Automatische Einpark-Navigation
Und auf eine effizientere Steuerung des Verkehrs. Auch für Bosch ist Parken ein Schwerpunkt. Warum? Weil zum Beispiel jeder US-Autofahrer im Jahr mehr als 40 Stunden im Stau verbringt, das koste insgesamt rund 160 Milliarden Dollar.
Etwa ein Drittel davon entsteht allein durch die Suche nach einem Parkplatz. Die Stuttgarter wollen Abhilfe schaffen mit „Community-based Parking“: Sensoren vorbeifahrender Autos sollen künftig Lücken zwischen parkenden Fahrzeugen am Straßenrand vermessen und diese Informationen an Navigationssysteme übertragen, damit Autofahrer zu passenden freien Parkplätzen navigiert werden. Bosch erprobt die Anwendung bereits in mehreren deutschen Städten.
Im ersten Quartal 2018 starten Bosch und Daimler darüber hinaus einen neuen Parkservice: Autos suchen sich im Parkhaus des Mercedes-Benz Museums in Stuttgart fahrerlos einen Stellplatz. Das soll für weniger Stress sorgen und Parkraum besser nutzen: Bis zu 20 Prozent mehr Fahrzeuge passen theoretisch auf die gleiche Fläche.
Echtzeitmessung von Schadstoff-Emission
Damit wird aber das Problem der allenthalben zu hohen Stickoxidbelastungen noch nicht gelöst. Doch da kann dann Climo zum Einsatz kommen. Echtzeitmessungen erlauben es, schnell auf zu hohe Werte in bestimmten Straßen zu reagieren. Das könnten dann Zufahrtsbeschränkungen oder hohe Gebühren für das Befahren der Straße sein.
Hartung jedenfalls ist, so Ford-Chef Hackett, davon überzeugt, dass die Smart-City-Lösungen seines Unternehmens „das Leben besser machen“. Aber Bosch dürfte es auch um ganz krude geschäftliche Interessen gehen. Mit der Vernetzung, Automatisierung und Elektrifizierung des Verkehrs wird der Mobilitätsmarkt neu aufgeteilt.
Das bringt enorme neue Chancen. Denn all die smarten Technologien erzeugen riesige Mengen von Daten, die weit über alles bisher Bekannte hinausgehen werden – wie wertvoll der Besitz von Daten schon heute ist, zeigen die Erfolge von Konzernen wie Amazon, Facebook oder Google.
Diese Unternehmen und andere treten in der Welt der Mobilität für Bosch & Co aber auch als neue Rivalen auf. Gegen die gilt es, sich zu verteidigen oder mit ihnen zu paktieren. Beides praktizieren Conti und Bosch, aber auch Ford und die anderen großen Autobauer mit zunehmender Intensität.