Briefmarken als Geldanlage Briefmarken als Geldanlage : Der Schwarze Einser

Berlin/MZ - Die Geschichte klingt märchenhaft. Im Oktober ersteht eine Rentnerin aus dem Hoyerswerda auf einem Flohmarkt in Dresden ein zwei Kilo schweres Päckchen unsortierter Briefmarken aus aller Welt zum Preis von 20 Euro. Am heimischen Küchentisch entdeckt ihr Lebensgefährte Reinhold Hoffmann, ein leidenschaftlicher Sammler, in dem Wust mehr oder minder wertloser Postwertzeichen ein ungewöhnliches Exemplar. Der 70-Jährige zieht Fachliteratur zurate und ist bald sicher: Es handelt sich um eine amerikanische One-Cent-Marke aus dem Jahr 1861, die das Konterfei des US-Gründervaters Benjamin Franklin trägt – und umgerechnet 2,5 Millionen Euro wert sein dürfte. Schließlich sind weltweit nur zwei weitere Exemplare bekannt.
Aktie des kleinen Mannes
Die Geschichte gelangt an die Öffentlichkeit. Bald wird das millionenschwere Schnäppchen auf Philatelie-Seiten im Netz thematisiert, Flohmarkthändler verzeichnen einen Ansturm auf alte Alben, Briefumschläge und Markentütchen. Für ein paar Wochen herrscht Goldgräberstimmung.
Als Anlagetipp taugt der ungezielte Ankauf von postalischer Kiloware allerdings nicht viel. Das Auffinden eines wirklich wertvollen Stücks gleicht einem Lotteriegewinn, die allermeisten angebotenen Marken sind Massenprodukte, die überall und billig zu haben sind. Wertsteigerungen, auf die Anleger in Zeiten niedrigster Zinsen hoffen mögen, sind bei solchen Allerweltsmarken nicht zu erwarten. Im Gegenteil: Sehr viele der einst als „Aktien des kleinen Mannes“ gepriesenen Postwertzeichen haben in den letzten Jahrzehnten stark an Wert verloren.
Grundsätzlich können kluge Investitionen in Briefmarken aber durchaus ansehnliche Renditen bringen. Das auf Investments in Sammelobjekte spezialisierte Londoner Auktionshaus Stanley Gibbons hat verschiedene Indizes für seltene Marken entwickelt, die beträchtliche Wertsteigerungen ausweisen. So stieg der Index der 30 begehrtesten britischen Raritäten seit 1995 um 375 Prozent. Die aktuellen Katalogpreise der Einzelmarken bewegen sich zwischen 22 000 und 200 000 Pfund. Wer solche Summen nicht investieren konnte oder wollte, fuhr auch mit dem „GB 250 Rarities Index“ bestens. Die 250 wertvollsten Marken erzielten seit 1995 einen Wertzuwachs von 400 Prozent. Dabei sind einige im Index vertretene Ausgaben bereits für 500 Euro zu haben.
Gleichwohl sind auch seltene Marken kein Selbstläufer. Philatelistisch unbewanderte Anleger sollten sich vor einem Investment daher einige Grundlagen der Briefmarkenkunde vergegenwärtigen. Anders als Gold- oder Silbermünzen besitzen Briefmarken keinerlei Materialwert. Es handelt sich letztlich um bedrucktes Altpapier in geringen Mengen. Maßgeblich für den Preis sind Angebot und Nachfrage, die von der Seltenheit des Exemplars abhängen.
Eben deshalb haben Marken der Sammelgebiete Bundesrepublik, Berlin und DDR – abgesehen von einzelnen Ausgaben der Jahre 1949 bis 1954 – nur geringen Wiederverkaufswert. Zum einen wurden in späteren Jahren Millionen-Auflagen gedruckt, zum anderen sinkt die Zahl der Briefmarkenfreunde seit langem.
Viele Marken auf dem Dachboden
Der Bund deutscher Philatelisten gibt die Zahl der Sammler im Lande zwar tapfer mit drei Millionen an, darunter dürften sich allerdings viele befinden, die ein paar Alben aus Kindertagen auf dem Dachboden lagern. Anders wäre es kaum zu erklären, dass mittlerweile komplette BRD-Sammlungen einschließlich der ersten Jahrgänge schon für 1 000 Euro zu haben sind – und damit unter dem postalischen Ausgabepreis liegen. Anders sieht es bei ausgesuchten Stücken des Deutschen Reiches und der Deutschen Staaten vor 1871 aus. Diese Sammelgebiete enthalten viele Raritäten wie etwa die „Vineta“ von 1901, ein halbierter 5-Pfennig-Notbehelf der Germania-Serie; oder die 1931 verausgabte Zeppelin-Serie anlässlich der Polarreise des Luftfahrzeugs; oder die erste deutsche Briefmarke überhaupt, der „Schwarze Einser“ des Königreichs Bayern aus dem Jahr 1849. Vorsicht ist gleichwohl geboten: Auf dem Markt befinden sich zahlreiche Fälschungen.
