Einzelhandel Bonus für Treue: Wie Händler Kunden locken
Lidl, Rewe und andere Ketten versuchen, die Kunden mit speziellen Angeboten zu ködern. Was sich für einige Verbraucher 2025 ändern wird - und wie viel man mit den Händler-Apps sparen kann.
Heilbronn/Köln - Die Werbung ist kaum zu übersehen. „Zehn Prozent auf deinen nächsten Einkauf“ - so oder ähnlich trommeln große Handelsketten wie Lidl, Rewe und Penny in diesen Tagen auf allen Kanälen für ihre Apps sowie die eigenen Bonus- und Treueprogramme.
Ziel ist es, die Kunden zu ködern und fester an sich zu binden. Dabei greifen die Händler zu einem Trick. „Immer mehr Sonderangebote können nur genutzt werden, wenn man sich für die Händler-App anmeldet und bereit ist, seine Daten zu geben. Wenn nicht, hat man Pech gehabt“, sagt Carsten Kortum, Professor der Dualen Hochschule Baden-Württemberg Heilbronn.
In den Apps gehen Kunden und Händler ein Tauschgeschäft ein: Kunden winken exklusive Vorteile. Teils sind zusätzliche Artikel im Angebot, teils gibt es einen Extra-Rabatt auf reduzierte Produkte. Der Discounter Lidl brachte vor ein paar Tagen eine eigene Dubai-Schokolade in den Verkauf. Lidl-App-Nutzer zahlen 45 Prozent weniger als alle anderen.
Sonderangebote haben an Bedeutung gewonnen
Die Händler erhalten dafür - im besten Fall - loyalere Kunden und deren Daten. Die helfen ihnen, zu verstehen, was die Käufer wollen. Sie können besser auf deren Vorlieben eingehen und das Kaufverhalten beeinflussen. Mehr als vier von fünf Kunden in Deutschland nutzen laut einer Umfrage des Handelsforschungsinstituts IFH händlereigene Bonusprogramme oder Payback.
Treueprogramme sind nicht neu. Eines der Ersten hatte der schwedische Möbelhändler Ikea, die „Family Card“ wurde 1984 eingeführt. Aldi ist das einzige große Handelsunternehmen, das kein Vorteilsprogramm hat. Dass die gefragt sind, liegt auch daran, dass nicht nur viele Lebensmittel zuletzt teurer geworden sind. Sonderangebote haben an Bedeutung gewonnen. Die preissensiblen Kunden nutzen jede Gelegenheit zu sparen. Entsprechend hart umkämpft ist der Wettbewerb zwischen den Händlern.
Rewe startet neues Treueprogramm
Ende des Jahres kommt Bewegung in das Thema. Die Rewe-Gruppe steigt bei Payback aus und startet eigene, neue Bonusprogramme in ihren Apps. Die Deutsche Presse-Agentur hat aus Unternehmenskreisen erfahren, wie es weitergehen soll: Rewe-Kunden können künftig beim Kauf bestimmter Artikel einen Bonus in Euro erwerben. Für einige Artikel gibt es jeweils 10 oder 20 Cent, bei anderen einen Euro oder mehr. Mehrere Hundert wechselnde Artikel sollen mit Coupons verknüpft sein.
Das gesammelte Guthaben kann beim Shoppen eingelöst werden. Wer innerhalb eines Monats einen Warenwert von 400 Euro knackt, erhält außerdem zehn Prozent auf den ersten Einkauf im Folgemonat. Zusätzlich gibt es weiterhin Angebote, die App-Nutzern vorbehalten sind. Penny, die Discounter-Tochter von Rewe, erhält ebenfalls ein neues Bonus-System.
Aus dem Umfeld des Unternehmens wird der Schritt auch mit hohen Kosten begründet. Knapp 150 Millionen Euro soll allein die Supermarktkette Rewe pro Jahr an Payback gezahlt haben, wie aus Branchenkreisen zu hören ist. Payback ist mit mehr als 30 Millionen Nutzern in Deutschland das mit Abstand bekannteste und meistgenutzte Bonusprogramm. Kunden können in vielen verschiedenen Geschäften Punkte sammeln, unter anderem bei Aral, dm und Thalia. Ab Anfang 2025 ist dies zudem in Edeka- und Netto-Märkten möglich, ab Ende des Jahres in Filialen der Warenhauskette Galeria.
Bonusprogramm-Nutzer kaufen oft mehr
Rewes Ausstieg ist aus Sicht von Branchenkennern Chance und Risiko zugleich. Ob deshalb viele Kunden abwandern, sei ungewiss, sagt Handelsexperte Kortum. Bei der Einkaufsstättenwahl spielten noch andere Faktoren eine Rolle wie Qualität, Auswahl, Verfügbarkeit und Service.
Mit Treue nehmen es viele Kunden offensichtlich nicht so genau. Die Marktforscher von NIQ sehen einen Trend zum Shop-Hopping, also hin zu mehreren kleineren Einkäufen verteilt über verschiedene Geschäfte. Immer weniger Menschen erledigen ihren großen Wocheneinkauf ausschließlich in einem Laden. Nur noch ein Fünftel des Umsatzes entfällt darauf. Die Loyalität zu Händlern gehe insgesamt zurück, heißt es.
Dennoch haben Bonusprogramme einen Effekt. 56 Prozent der Nutzer kaufen laut IFH-Umfrage häufiger bei einem Händler, jeder Dritte gibt mehr Geld aus. Viele Kunden haben vier oder mehr verschiedene Einkaufsapps auf dem Handy, nutzen aber nicht alle regelmäßig. Es brauche einen dauerhaften Mehrwert und Anreiz, sagt der Geschäftsführer von IFH Media Analytics, Andreas Riekötter. Ist dies nicht gegeben, werden die Apps wieder gelöscht.
Der Geschäftsführer des Preisvergleichsportals Smhaggle, Sven Reuter, hält den Nutzen der Bonusprogramme für überschaubar. Die anbieterübergreifende Ersparnis liege im Schnitt nur bei einem Prozent, sagt er. „Durch den gezielten Einkauf von Aktionsangeboten und den Wechsel des Händlers kann man bequemer und deutlich mehr sparen.“
Verbraucherschützer warnen
Bei den Vorteilsprogrammen dürfte sich in Zukunft einiges tun. Eine große Rolle dabei spielen dürfte künstliche Intelligenz. Handelsexperte Kortum erwartet, dass Händler Kunden schon bald noch wesentlich gezielter bespielen können. Als Vorbild nennt er den Streaming-Anbieter Spotify. In der App werden Nutzern eigene, auf ihren Geschmack maßgeschneiderte Playlisten zusammengestellt.
Die Supermarktkette Albert Heijn hat kürzlich eine KI in ihre App eingebunden, die Kunden beim Einkaufen unterstützt und auf Nachfrage Rezeptideen liefert. Auch in Deutschland sind viele offen dafür. Laut einer Bitkom-Umfrage würde jeder Zweite gern eine KI nutzen, um Schnäppchen zu finden. 22 Prozent fänden es gut, wenn benötigte Drogerieartikel oder Lebensmittel automatisch nachbestellt würden.
Dass nicht alle Kunden Apps und Treueprogramme in Anspruch nehmen, hat Kortum zufolge vor allem einen Grund. „Viele haben Angst, weil sie nicht wissen, was mit ihren Daten passiert.“ Verbraucherschützer sehen die Apps kritisch. Konsumenten sollten die Datenschutzbestimmungen gründlich lesen und Einstellungen gegebenenfalls ändern, sagt Simone Bueb von der Verbraucherzentrale Bayern.