Landwirtschaft Bio-Landwirtschaft: Milchkühe in Bio-Betrieben so oft krank wie bei konventionellen Landwirten
Halle (Saale) - Kühe, die auf Stroh stehen, genügend Platz haben, um sich auch hinzulegen und mit Gras und Mais vom benachbarten Feld gefüttert werden: Viele Öko-Betriebe werben nicht nur mit dem Produkt Bio-Milch für sich, sondern auch mit dem Wohl der Tiere. Doch wie ist es um dieses bestellt?
Ein internationales Forscherteam unter Leitung von Albert Sundrum von der Universität Kassel kommt in einer Studie zu einem „ernüchternden Ergebnis“. „Trotz der deutlich besseren Haltungsstandards unterscheiden sich die Erkrankungsraten auf ökologischen Milchviehbetrieben nach den Ergebnissen des Projekts nicht von den hohen Erkrankungsraten in der konventionellen Milchviehhaltung“, sagt Sundrum.
Die Wissenschaftler haben über ein Jahr 60 Öko-Betriebe in Deutschland untersucht. Zwischen den Betrieben schwankten die Krankheitsraten der Rinder erheblich. So lag die Spannbreite bei Eutererkrankungen bei 25 bis 74 Prozent, bei Lahmkrankheiten bei null bis 79 Prozent. Diese Unterschiede lassen sich laut Studie weder durch regionale Gegebenheiten noch durch die Betriebsgröße erklären.
Erkrankungen von Kühen bei Biolandwirten oft Ergebnis schlechter Betriebsführung der Bauern
Vielmehr seien die Erkrankungsraten zuallererst das Ergebnis einer suboptimalen Betriebsführung, betont Studien-Autorin Susanne Hoischen-Taubner. Vielen Betrieben fehle der Anreiz, Zeit und Geld in die Rindergesundheit zu investieren, weil alle Lieferanten einer Molkerei, trotz sehr unterschiedlicher Gesundheitsleistungen, den gleichen „Premium-Preis“ für ihre Bio-Milch erhalten.
Die Erzeugerpreise für Biomilch lagen zuletzt bei 47 Cent pro Liter. Das ist fast doppelt so viel wie im konventionellen Bereich.
Dafür müssen die Bio-Höfe mehr Platz und eingestreute Liegeflächen für die Rinder vorhalten, das Futter muss ökologisch erzeugt sein. Standards zur Tiergesundheit verlangen die ökologischen Richtlinien der EU aber nicht.
Sendrum sieht hier politischen Handlungsbedarf: „In einem System, das nur die Kostenführerschaft belohnt, sollte Tiergesundheit nicht allein der Selbsteinschätzung einzelner Landwirte überlassen bleiben.“ Er fordert „konkrete Zielvorgaben“.
Auch Bio-Landwirt Klaus Feik aus Greifenhagen (Landkreis Mansfeld-Südharz) spricht von einer „unbefriedigenden Situation“. Der Landeschef von Bioland weist aber darauf hin, dass verschiedene Anbauverbände sich bereits Tierwohl-Standards gesetzt haben.
„Bei Bioland arbeiten wir mit einem Ampel-System“, erklärt Feik. Nehmen Tierkrankheiten in einem Rinder-Betrieb zu, springt die Ampel auf gelb. Dann gebe es für den Hof eine verpflichtende Beratung, um mögliche Missstände abzustellen. „Hat das keine Wirkung, schließen wir im Notfall auch Betriebe aus der Bioland-Gemeinschaft aus“, sagt Feik. Nach seiner Einschätzung gibt es daher nur bei einem Teil der Öko-Betriebe Bedarf zum Handeln.
So kann die Tiergesundheit bei Landwirten und Bauern verbessert werden
Die Kasseler Wissenschaftler haben Strategien zur Verbesserung der Tiergesundheit entwickelt. So wurde ein Softwareprogramm vorgestellt, das Kosten-Nutzen-Analysen vereinfacht. „Krankheiten vermindern die Milchleistung, doch viele Landwirte haben keinen Überblick, wie hoch der finanzielle Ausfall genau ist“, sagt Hoischen-Taubner.
Die Software beinhalte auch ein Tool, das Öko-Milchbauern zeigt, welche vorbeugenden Maßnahmen sich in ihrem Betrieb wirtschaftlich am ehesten rentieren. (mz)