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Bier aus Gommern Bier aus Gommern: Renaissance kleiner Kessel

Von Julius Lukas 27.03.2016, 21:01
Braumeister Andreas Schütte braut im Gommerner Sudhaus sechs verschiedene Biersorten.
Braumeister Andreas Schütte braut im Gommerner Sudhaus sechs verschiedene Biersorten. Andreas Stedtler

Gommern - Auf der braunen Suppe im Braukessel liegt ein weißer Schaumfilm. Andreas Schütte nimmt ein Glas aus dem Metallbottich. Über 1 500 Liter fasst das riesige Gefäß. Der Braumeister schaut sich die Flüssigkeit genau an. Dann misst er die Stammwürze des Gebräus. „Das ist der Maibock, den ich diese Woche angesetzt habe“, erklärt der 33-Jährige. Das Bier brauche noch ein paar Wochen, meint Schütte. „Der Anstich ist aber sowieso erst Anfang Mai – da bin ich traditionell.“

Schütte ist Brauer durch und durch

Schütte ist groß, hat breite Schultern und dass er etwas mit Bier zu tun hat, sieht man ihm in Ansätzen auch an. „Man sagt ja, dass man seine Arbeit nicht mit nach Hause nehmen sollte“, meint er breit grinsend. „Bei mir ist das zum Glück anders.“ Schütte ist Brauer durch und durch. Seine Produktionsstätte gehört zur Wasserburg Gommern, einem über 1 000 Jahre alten Schloss im Jerichower Land, das heute Restaurant, Hotel und eben Brauerei ist.

Experimente im Untergeschoss

Das Reich des jungen Braumeisters liegt im Untergeschoss eines Seitenflügels. Es riecht würzig. In den Ecken stapeln sich kleine Fässer. Das Herz der Manufaktur sind die bronzefarbenen Braukessel. In ihnen entstehen im Jahr 70 000 Liter Bier. Der Maibock ist dabei nur eine von zig Sorten. Zur Auswahl gehören helles und dunkles Bier, Weizen, Märzen und Adventsbock. Hinzu kommen eine Holunder-Fassbrause, ein „Gommerator“ genanntes Starkbier und viele Brauexperimente, die sich Schütte immer wieder einfallen lässt. Sein aktuelles Werk heißt „Rubin“ - der Farbe wegen. „Da ist Orangenabrieb drin“, verrät er.

Kreationen sind bundesweit im Trend

Mit solchen Kreationen liegt Schütte im bundesweiten Trend. „Die Brauereilandschaft wird immer vielfältiger“, meint Holger Eichele. Der Hauptgeschäftsführer des deutschen Brauer-Bundes spricht gar von einer Renaissance der Bierherstellung. Seit zehn Jahren steige nämlich die Zahl der Produktionsstätten in Deutschland wieder. Das liegt vor allem an der Entstehung neuer Mikro- und Gasthausbrauereien. In deren Kesseln werden bis zu 100 000 Liter im Jahr hergestellt und auch in Sachsen-Anhalt sind sie in der Mehrzahl. Von den 20 aktiven Brauereien im Land gehört nur ein geringer Teil zu den mittleren und größeren Betrieben.

Und es sind vor allem die kleineren Braustätten, die die Bierherstellung in Deutschland immer vielfältiger machen. Ihre Produkte sind laut Brauer-Bund von „Regionalität und Kreativität geprägt“. In den letzten Jahren wird ihre Entstehung vor allem vom Craftbier-Trend angetrieben. Der Begriff stammt aus den USA. Mit ihm ist ursprünglich ein handwerkliches Brauen gemeint. Allerdings wird darunter inzwischen die steigende Zahl meist hopfen- und malzbetonter Biervariationen zusammengefasst. Und die haben es mittlerweile auch in so manches Supermarkt-Regal geschafft.

Großbrauereien entdecken Craftbier

Das liegt für Schütte auch daran, dass die Großbrauereien das Craftbier für sich entdeckt haben. „Die sind auf den Trend aufgesprungen, um ihren Einbruch beim Absatz des herkömmlichen Bieres auszugleichen“, erklärt er. Sich und seine Mikrobrauerei-Kollegen sieht er aber trotzdem im Vorteil. „Wir haben ja bedeutend kleinere Kessel und sind deswegen flexibler und experimentierfreudiger.“

Bei den Möglichkeiten, wie man Bier noch verfeinern kann, kommt er regelrecht ins Schwärmen: „Kräuter, Gewürze, Chili, Kakaobohnen, Walnüsse - da sind ja keine Grenzen gesetzt.“ Seine Anregungen holt sich Schütte vor allem auf der jährlich stattfindenden Braumesse in Nürnberg. „Dort kommt die Szene zusammen und die ist ja auch nicht so groß.“ Man kennt sich also.

Mit seinen Kollegen spricht er über Trends und probiert die neuesten Produkte aus. Schütte erzählt von einem Hopfen mit Minz-Aroma, den er in Nürnberg kennengelernt habe. „Der wurde entwickelt, weil man gemerkt hat, dass immer mehr Menschen bei sommerlichen Wetter Cocktails trinken“, erklärt Schütte. Das erfrischende Minz-Bier sollte ein Konkurrenz-Produkt werden. „Aber ich hab mich da erst einmal nicht herangetraut.“

Vom Kochtopf in die Braustube

Neue Hopfensorten oder exotische Zutaten probiert Schütte zumeist im heimischen Kochtopf aus. Aber nur der geringste Teil schafft es dann auch in seine großen Kessel. „Das Problem ist, dass die Craftbier-Zielgruppe so bis 35 Jahre geht“, erklärt er. Danach seien die Bierkonsumenten recht festgelegt. „Die trinken dann ihr Pils und alles andere ist eher schwierig.“

Sortenvielfalt ist Lösung

Die Lösung ist für die Brauerei der Wasserburg eine Sortenvielfalt, die von Pils bis zu Orangenabrieb reicht. Das Experimentieren ist dabei aber nicht reiner Selbstzweck. Schütte verfolgt auch ein größeres Ziel. „Wir leben ja in einer Region, in der Brauereien und lokale Biere keine wirkliche Tradition haben“, sagt er. Aber daran wolle er mit seinen Produkten arbeiten. „Sachsen-Anhalt braucht eine Bierkultur“, meint Schütte kämpferisch.

Und zu dieser könnte bald eine ganz neue Kreation aus seinem Hause beitragen. „Bei der vergangenen Messe in Nürnberg habe ich einen Hopfen mit Honigmelonen-Geschmack entdeckt“, erzählt er. Das sei eine wahnsinnig interessante Geschichte. „Ich hab mir gleich eine Sack davon bestellt.“ (mz)

Die Biere aus Gommern haben die traditionsreichen Bügelverschlüsse.
Die Biere aus Gommern haben die traditionsreichen Bügelverschlüsse.
Andreas Stedtler