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Bienensterben Bienensterben: Massenhafter Tod eines wichtigen Nutztieres

Von Stefan Sauer 25.04.2016, 07:02
Eine Honigbiene sammelt  auf einer Kamillenblüte Nektar.
Eine Honigbiene sammelt  auf einer Kamillenblüte Nektar. dpa

Berlin - Die Honigbiene ist ein erstaunliches Tier. Bis zu 4.400 Blüten fliegt sie täglich auf der Suche nach Nektar an und legt dabei eine Strecke von durchschnittlich 85 Kilometern zurück. Dabei bestäubt das Insekt nicht nur zahllose Wildpflanzen, sondern auch landwirtschaftliche Kulturen.

Rund 80 Prozent des hiesigen Obst-, Getreide- und Gemüseanbaus sind auf die Bienen angewiesen. Das Bundesumweltministerium beziffert die jährliche Bestäubungsleistung der Bienen allein in Deutschland auf einen Wert von zwei Milliarden Euro. Andere Schätzungen gehen von bis zu vier Milliarden aus. Dabei ist der Honigertrag der rund 700.000 Bienenvölker, der 2014 bei 18.500 Tonnen lag, noch gar nicht mitgerechnet. Nach Rindern und Schweinen ist die Honigbiene laut Umweltbundesamt Deutschlands drittwichtigstes Nutztier.

Schwere Schäden

Wichtig, aber bedroht. Seit zehn Jahren registrieren Imker und Biologen mit wachsender Besorgnis ein weltweites Bienensterben. Als wesentlich verantwortlich für den Massentod haben Forscher die Varroamilbe ausgemacht, die als Parasit vom Blut der Bienen lebt. Der deutsche Imkerbund geht davon aus, dass wegen des milden und damit milbenfreundlichen Winters knapp ein Drittel aller Bienenvölker die dunkle Jahreszeit nicht überstanden haben. Aber es ist nicht immer die Milbe allein. Auch Pestizide aus der Gruppe der Neonicotinoide machen den Bienen den Garaus. Nachdem auf den Feldern der Umgebung das Neonicotinoid Clothianidin ausgebracht worden war, gingen 2008 im badischen Oberrheintal binnen weniger Wochen 10.000 Bienenvölker zugrunde. - 80 Prozent des gesamten Bestands der Region.

Bei Clothianidin handelt sich um ein Nervengift, das der in Langenfeld bei Düsseldorf angesiedelte Agrokonzern Bayer Crop-Science zur Bekämpfung von Schädlingen wie Maiswurzelbohrer, Fritfliege und Drahtwurm herstellt. Nachdem die europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit EFSA der Substanz ein „hohes akutes Risiko“ für den Bienenbestand zugemessen hatte, darf Clothianidin seit Dezember 2013 nicht mehr auf Feldern mit Bienenpflanzen wie Mais und Raps ausgebracht werden. Die gleichen Beschränkungen wurden für zwei weitere Neonicotinoide, Imidacloprid und Thiamethoxam, verhängt.

Mittel unbeschränkt zugelassen

Ein viertes, sehr ähnliches Neonicotinoid aus den Laboren der Langenfelder, das Schädlingsbekämpfungsmittel Thiacloprid, ist aber weiterhin unbeschränkt zugelassen. Und nicht nur das: Der erst im Februar von 0,2 Milligramm pro Kilogramm Honig auf 0,05 Milligramm herabgesetzte maximale Rückstandswert (MRL) für Thiacloprid soll auf Betreiben der Bayer Crop-Science nun wieder auf das alte Niveau angehoben werden. Bayer begründet das Anliegen damit, die vorangegangene Grenzwertabsenkung habe auf der irrtümlichen Annahme der EFSA beruht, es gebe keine Richtlinie für die Festsetzung eines Höchstrückstandswertes. Ein solcher, auf Rückstanduntersuchungen basierender Grenzwert sei aber durchaus vorhanden, und zwar in eben der Höhe von 0,5 Milligramm pro Kilogramm Honig. Daher sei die Absenkung nicht hinnehmbar und müsse zurückgenommen werden, zumal Thiacloprid-haltige Produkte als nicht bienengefährlich eingestuft seien.

Zumindest letztere Behauptung steht auf tönernen Füßen. Am 11. März 2015 gestattete das Landgericht Düsseldorf der Umweltorganisation BUND ausdrücklich, Thiacloprid als bienengefährlich einzustufen, und wies damit eine Einstweilige Verfügung der Bayer Crop-Science GmbH zurück. Der Berliner Neurobiologe Randolf Menzel konnte 2014 nachweisen, dass die Substanz das Nervensystem der Bienen angreift und damit das Orientierungsvermögen der Tiere so stark beeinträchtigt, dass sie nicht zurück zu ihrem Stock finden und letztlich sterben. Auch zahlreiche internationale Studien belegen die fatalen Wirkungen der Neonicotinoide auf die Bienengesundheit. Noch weiter ging die EU-Chemikalienbehörde ECHA im Frühjahr 2015, die die Substanz als wahrscheinlich krebserregend (Kategorie 2) und fruchtbarkeitsschädlich (Kategorie 1b) einstufte. Bayer hatte daraufhin am 21. August 2015 für acht seiner 19 Thiacloprid-haltigen Produkte für den Heim- und Gartenbereich die Zulassung widerrufen lassen.

Vor diesem Hintergrund fordern BUND, Grüne und auch der Deutsche Imkerbund nicht allein niedrigere Grenzwerte, sondern ein Totalverbot für die Nervengifte auf europäischer Ebene. Dies sei nicht zuletzt auch mit Blick auf die menschliche Gesundheit angezeigt, findet Harald Ebner, Pestizid-Experte der Grünen im Bundestag: „Laut Einschätzung der EFSA würde bei einem Grenzwert von 0,2 Milligramm pro Kilogramm Honig ein Kind bereits bei einem nur durchschnittlichen Konsumniveau bereits ein Drittel der akzeptablen Tagesdosis aufnehmen.“ Dies sei angesichts der mutmaßlich krebserregenden und fruchtbarkeitsschädigenden Wirkung der Substanz nicht akzeptabel.

Minister will Grenzwert anpassen

Anstatt für ein Verbot einzutreten, mache sich Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt (CSU) - ganz im Sinne von Bayer - für eine erneute Heraufsetzung des Grenzwertes stark. In der Tat hatte das Ministerium auf eine Anfrage der Grünen bestätigt, in Brüssel für die Vervierfachung des Rückstandsgrenzwerts für Thiacloprid eintreten zu wollen. So geschah es am vergangenen Donnerstag. Weil auch fast alle anderen Mitgliedsstaaten dem deutschen Votum folgten, ist die Erhöhung des Rückstandswerts nunmehr beschlossene Sache. Ob die Regelung lange Bestand hat, bezweifelt Ebner allerdings. 2017 stehe nämlich die Verlängerung der EU-Zulassung für das Pestizid an: „Nach EU-Recht ist ausgeschlossen, dass Thiacloprid als Stoff mit solchen gefährlichen Eigenschaften eine Zulassungsverlängerung erhält.“