Geschäftsidee Baumarktkette Praktiker: Unternehmer aus Leipzig wagen Neustart mit Online-Portal

Leipzig - Hämmern, bohren, sägen: Die eigenen vier Wände selbst zu gestalten, liegt seit Jahren bei den Deutschen im Trend. Dabei geht es den Heimwerkern nicht nur darum, Handwerkerkosten zu sparen. Viele haben einfach Freude daran, selbst Praktiker zu sein.
„Praktiker“, der frühere deutsche Baumarktriese, schaffte es aber nicht, das für sich zu nutzen. Vor drei Jahren schloss die letzte Filiale. Zwei sächsische Internet-Unternehmer sind nun dabei, Praktiker ein zweites Leben zu schenken. Auf der Internetseite mit dem blau-gelben Logo heißt es in großen Lettern: „Wir sind wieder da.“
Praktiker soll Marktplatz für Baumarkt-Produkte sein
Als Dirk Oschmann (37) aus Dresden und Christoph Kilz (32) aus Leipzig erfuhren, dass der Praktiker-Insolvenzverwalter die Markenrechte verkauft, überlegten sie nicht lang. Sie griffen beherzt zu. Baumärkte mit Hunderte Quadratmeter großen Hallen wird es künftig zwar nicht wieder geben, der Handel soll aber über ein Online-Portal betrieben werden.
Dafür wurde nach Worten von Kilz bisher „ein siebenstelliger Betrag“ investiert. Der Unternehmer schwärmt regelrecht von der Stärke der Marke. Der einstige Rabatt-Werbespruch „20 Prozent auf alles - außer Tiernahrung“ habe sich in die Köpfe der Verbraucher „regelrecht reingebohrt“.
Seit gut einem Jahr arbeiten sie an der Neuauflage, gestartet ist die Internetseite nun Mitte Oktober zunächst als Vergleichsportal. Heimwerker können auf diesem die Preise für Badewannen, Deckenleuchten oder Tapeten vergleichen.
„Unser Ziel ist es allerdings, ein großer Marktplatz für Baumarkt-Produkte zu werden“, sagt Kilz. Dazu würden derzeit auch Gespräche mit großen Ketten wie Hagebau und Obi geführt, die ihre Waren künftig auch über Praktiker verkaufen sollen. Das Sortiment soll dabei das von stationären Märkten deutlich übersteigen.
Praktiker möchte Heimwerker beraten
Kilz und Oschmann wollen Praktiker aber nicht als unmittelbare Konkurrenz zu den Baumärkten etablieren. Zunächst wird eine sogenannte Heimwerker-Community aufgebaut. Dabei helfen soll die Figur „Ivo, der Praktiker“.
Dieser gibt Heimwerkern praktische Tipps, wie Beete angelegt oder Tapeten richtig geklebt werden. Das Konzept orientiert sich offenbar am Heimwerker-King Fynn Kliemann. Dieser gibt in kurzen Filmen auf der Video-Plattform Youtube unterhaltsame Anleitungen, wie er beispielsweise Mauern errichtet und Teiche angelegt.
Jeder Deutsche gab im Jahr 2015 im Durchschnitt 2.818 Euro für Farben, Tapeten, Schrauben, Fenster, Pflanzen und andere Baumarktprodukte aus. Laut Branchenverband BHB lag der Gesamtumsatz in Deutschland im Vorjahr bei knapp 18 Milliarden Euro. Das ist ein Plus von 2,4 Prozent zum Jahr 2014. Es gibt in Deutschland aktuell 2 134 Baumarkt-Filialen.
Auch die Baumarkt-Branche befindet sich im digitalen Umbruch. 2015 stiegen die Erlöse im E-Commerce um 10,5 Prozent auf 2,24 Milliarden Euro. Das heißt, immerhin 12,5 Prozent der Umsätze werden online erwirtschaftet. Branchen-Experten gehen davon aus, dass der Anteil noch deutlich steigen wird. Die Top fünf Baumärkte, das sind Obi, Bauhaus, Hornbach, Zeus und Toom, bauen ihren Internet-Verkauf aus
Seine Filme haben bis zu eine Million Zuschauer. Die Praktiker-Macher wollen das Modell weiterentwickeln. Die Nutzer sollen per Abstimmung entscheiden, welche Tipps präsentiert werden.
Zu den Anleitungen gibt es dann alle passenden Produkte im Online-Shop. Kern des Geschäftskonzeptes ist es also, dass der neue Online-Baumarkt zunächst berät und Hilfestellungen für Heimwerker bietet, die dann auch noch einkaufen.
Mit neuem Konzept Praktiker zum Erfolg führen
Leicht dürfte der Markteinstieg für Praktiker dennoch nicht werden. Nachdem die etablierten Baumarktketten das Online-Geschäft jahrelang nur am Rand entwickelten, setzen nun auch Obi, Bauhaus & Co. auf den Internet-Verkauf.
So können Waren online bestellt und zwei Stunden später im Markt abgeholt werden. Der Umsatz im Internet-Handel ist in der Branche im vergangenen Jahr um mehr als zehn Prozent auf 2,24 Milliarden Euro gestiegen.
Bei der Etablierung neuer Online-Portale haben die beiden Sachsen einige Erfahrung. Kilz ist Chef der Leipziger Online-Firma Eisbär Media, die unter anderem Hochzeits- und Immobilienseiten sowie ein Synonym-Lexikon etablierte.
Oschmann betreibt von Dresden aus Portale wie stromvergleich.de und raumduftshop.de. Mit ihren Mitarbeitern haben sie nun auch praktiker.de aufgebaut. Rund zehn Personen arbeiten an dem Projekt.
Praktiker soll laut Kilz Schritt für Schritt entwickelt werden: „Wir werden schauen, was funktioniert und was nicht.“ Teure Fehltritte würden die begrenzten finanziellen Mittel kaum erlauben.
Zusammengefasst: Mit einer bekannten Marke, einem neuen Verkaufsansatz und „viel Begeisterung“ wollen Kitz und Oschmann Praktiker zum Erfolg führen. (mz)