Baumarktkette Praktiker Baumarktkette Praktiker: Praktiker beantragt Insolvenz

Halle/Hamburg/DPA/MZ/JOP/FW - In den Regalen herrscht gähnende Leere, einige Gänge sind mit grüner Plastikfolie abgesperrt. Die Öffnungszeiten sind verkürzt - statt bis 20 Uhr hat der Praktiker-Laden in Peißen bei Halle nur noch bis 18.30 Uhr auf. Nach Angaben eines Mitarbeiters, der seinen Namen nicht nennen will, ist seit einer Woche keine Ware mehr gekommen. „Die ganze Situation ist schon belastend, aber erstmal gehen wir davon aus, dass es weitergeht“, sagte er.
Der Praktiker-Laden im Halle Center gehört wie fünf weitere Filialen in Sachsen-Anhalt zur Insolvenzmasse. Denn gestern musste der Praktiker-Konzern wegen Überschuldung und Zahlungsunfähigkeit die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens anmelden. Der beim Amtsgericht Hamburg gestellte Antrag erstrecke sich über acht Tochterfirmen in Deutschland sowie auch die Praktiker AG, teilte das Unternehmen mit. Nun strebe Praktiker an, in einem „Regelinsolvenzverfahren“ einen Sanierungsplan erstellen zu können.
Der Ableger Max Bahr mit 135 Märkten - darunter acht in Sachsen-Anhalt - soll aber genauso wie das Auslandsgeschäft des Unternehmens mit 110 Standorten aus dem Insolvenzverfahren heraus gehalten werden. Betroffen wären damit insgesamt 183 Märkte mit dem blau-gelben Praktiker- und dem rot-grünen Extra-Baumärkte-Logo. Großaktionärin Isabella de Krassny hofft auf eine Sanierung. Zugleich sei aber davon auszugehen, dass rund 80 defizitäre Filialen geschlossen werden müssten, sagte sie der Wirtschaftswoche. Zudem müsse frisches Geld im Volumen von mindestens 40 Millionen Euro eingesammelt werden.
300 Heimwerkermärkte in Deutschland
Die Gewerkschaft Verdi bezeichnete die Insolvenz-Nachricht als Tragödie für die Mitarbeiter. Sie seien bereit gewesen, für drei Jahre auf jeweils rund fünf Prozent ihres Jahresgehaltes zu verzichten, teilte Verdi mit. Ein entsprechender Tarifvertrag war im Oktober 2012 mit der Unternehmensführung abgeschlossen worden. Praktiker wies Ende März knapp 18 000 Vollzeitstellen aus, beschäftigt werden laut Unternehmen aktuell rund 20 000 Mitarbeiter, davon 12 000 im Inland. In Sachsen-Anhalt sind es rund 200 Beschäftigte. „Ich habe mir schon etwas Neues gesucht“, sagte eine Angestellte in Halle.
Vorstandschef Armin Burger trieb die Umstellung von Praktiker-Filialen auf die ertragsstärkere Marke Max-Bahr voran. Das Unternehmen ist auch Opfer seiner fehlgeschlagenen Rabattstrategie. Werbeslogan: 20 Prozent auf alles - außer Tiernahrung. Wechselnde Vorstandschefs hatten zuvor versucht, das Unternehmen zu stabilisieren. Zuletzt wurden der Einkauf gestrafft und die Zentrale verlegt.
Dichte an Märkten ist extrem hoch
Obi will den kriselnden Konkurrenten auf jeden Fall nicht übernehmen, wie der Chef der Obi-Mutter Tengelmann, Karl-Erivan Haub, sagte. Das Exposé zu Praktiker habe man viermal auf dem Tisch gehabt. „Es wurde zwar immer preiswerter, aber nicht besser“, sagte er. Für Obi könnten möglicherweise aber „einige gute Filialen“ interessant sein. Wie viele das sind, wollte er nicht sagen. Was Haub andeutet, wäre die Zerschlagung der Praktiker-Gruppe. Zu den Rabattaktionen meinte der Tengelmann-Chef: „Der Drogenabhängige ist gestorben. Man muss immer mehr geben, damit man einen Kick hat.“
Auch Branchenkenner halten eine Zerschlagung des Konzerns für plausibel. Das hat mit der Struktur der Branche zu tun. Baumarkt-Konzerne haben sich durch eine Serie von Übernahmen gebildet. „Es sind häufig Filialnetze mit heterogener Struktur entstanden“, sagt Jörg Funder, Direktor des Instituts für internationales Handels- und Distributionsmanagement in Worms. Deutschland ist zwar noch immer das Land der Bastler und Bauer. Der Do-it-yourself-Markt hierzulande ist mit Abstand der größte in Europa. Zugleich ist aber die Dichte an Bau- und Heimwerkermärkten extrem hoch.
In der Branche hat sich eine Art schleichende Konsolidierung eingestellt. 2012 sind 52 Filialen verschwunden. Die Verkaufsfläche schrumpfte leicht um ein halbes Prozent auf 13,4 Millionen Quadratmeter. Gleichwohl ist für Funder klar: „Es gibt im internationalen Vergleich noch immer zu viel Fläche und zu viele Filialen.“