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Backwaren-Hersteller Fricopan Backwaren-Hersteller Fricopan: Großbäckerei mit 500 Beschäftigten schließt

Von Steffen Höhne 06.05.2016, 14:10
Großbäckereien produzieren industriell Brötchen und Brot. Dafür wird vergleichsweise wenig Personal benötigt.
Großbäckereien produzieren industriell Brötchen und Brot. Dafür wird vergleichsweise wenig Personal benötigt. Jürgen Lukaschek

Halle/Immekath - Auf der Internetseite des Backwaren-Herstellers Fricopan ist noch alles in bester Ordnung. Es werden mindestens sieben neue Mitarbeiter für das Werk in Immekath (Altmark) gesucht. Darunter ein Linienführer, ein Bäcker und ein Leiter für die Buchhaltung. Ein Aushang im Unternehmen am Mittwoch traf viele Mitarbeiter daher wohl auch vollkommen unvorbereitet: In einem Dreizeiler wurde ihnen mitgeteilt, dass das Werk „aus wirtschaftlichen Gründen“ schließen müsse. Ein Sozialplan werde mit dem Betriebsrat ausgehandelt. Der Linken-Landtagsabgeordnete Andreas Höppner war einer der ersten, der die schlechte Nachricht auf „Twitter“ veröffentlichte: „Ich bin mehr als schockiert. Konzernleitung von Aryzta will den Standort Fricopan Back GmbH Immekath mit über 500 Beschäftigten schließen!“

Betriebsrat will für Erhalt kämpfen

Höppner besitzt eine sehr persönliche Beziehung zu dem Werk. Bis zu seinem Einzug in den neu gewählten Landtag war er neun Jahre lang Betriebsratschef an dem Standort. Dementsprechend betroffen ist er: „Für die Mitarbeiter und die Region ist dies eine katastrophale Meldung.“ Doch damit werde man sich nicht abfinden. Nach einem Gespräch mit dem Betriebsrat am Freitag hieß es: „Wir wollen für den Erhalt des Standortes kämpfen.“

Millionenförderung

Wie stehen die Chancen dazu? Seit dem Jahr 2008 gehört Fricopan zum Schweizer Konzern Aryzta. Dieser ist mit weltweit 53 Produktionsstätten einer der führenden Hersteller von Tiefkühl-Backwaren. Im Jahr 2013 erwarb Aryzta auch das Backwaren-Unternehmen Klemme, das in Eisleben (Landkreis Mansfeld-Südharz) ein großes Produktionswerk besitzt. Für 100 Millionen Euro wird dies von Aryzta erweitert. Das Land Sachsen-Anhalt fördert dies mit Millionen. Es entsteht das sogenannte Werk 7. An den Klemme-Standorten arbeiten bereits 1.700 Mitarbeiter. Für das neue Werk werden 2016 noch einmal 300 Mitarbeiter gesucht. Doch der Zuwachs in Eisleben geht offenbar auf Kosten von Immekath.

Als Pendlerstrecke zu lang

Nach Aussagen von Höppner wurden in den vergangenen Monaten bereits ein Teil des Sortiments - etwa Kräuterbaguettes von Fricopan - zu Klemme verlagert. Mehrere Produktionslinien sollen in der Altmark bereits außer Betrieb sein. Dass viele Mitarbeiter zu Klemme in den Süden des Landes wechseln würden, bezweifelt Höppner: „Für die 160 Kilometer lange Strecke benötigt man zwei Stunden.“ Dies sei als Pendler-Strecke zu lang.

Ein sozialverträglicher Beschäftigungsabbau

Fricopan äußert sich auf MZ-Anfrage nicht zu der drohenden Werksschließung und verweist auf eine am Montag stattfindende Betriebsversammlung. Dort sollen zunächst die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter über die Einzelheiten informiert werden.

Sachsen-Anhalts neuer Wirtschaftsminister Jörg Felgner (SPD) sagte der MZ: „Für uns stehen jetzt die Beschäftigten im Mittelpunkt. Ich habe die Geschäftsführung des Mutterkonzerns deshalb ausdrücklich an die unternehmerische Verantwortung erinnert.“ Er werde sich im Rahmen seiner Möglichkeiten dafür einsetzen, dass „ein Beschäftigungsabbau so sozialverträglich wie möglich erfolgt“.

Intensiver Preiswettbewerb

Der Markt für Tiefkühl-Backwaren, die etwa in Supermärkten aufgebacken werden, ist in den vergangenen Jahren kontinuierlich gewachsen. Der Inlandsabsatz erhöhte sich von 2003 bis 2013 um knapp 40 Prozent auf 715.000 Tonnen. Der Zuwachs ging vor allem auf Kosten kleinerer Handwerksbetriebe, deren Zahl abnimmt.

Die Tiefkühl-Produktion ist allerdings stark industrialisiert. Dies führt zu einem intensiven Preiswettbewerb, den sich vor allem die Großbäckereien untereinander liefern. Nur wer große, moderne Anlagen betreibt, die mit möglichst wenig Personal auskommen, ist wettbewerbsfähig. Da bei Fricopan in Immekath in den vergangenen Jahren keine Großinvestitionen mehr getätigt wurden, ist der Standort nun offenbar gegenüber Eisleben ins Hintertreffen geraten.

Parallelen zu Lieken

Der Fall hat auch gewisse Parallelen zur Großbäckerei Lieken. Diese kündigte im Herbst 2015 an, bis Ende 2017 für 200 Millionen Euro eine neue Produktionsstätte in Wittenberg zu errichten. Dafür erhält Lieken elf Millionen Euro Fördergeld vom Land Sachsen-Anhalt. Gleichzeitig schließt Lieken aber 2017 ein großes Backwerk in Weißenfels (Burgenlandkreis). Die Produktion wird nach Wittenberg verlagert.

Lieken betonte mehrfach, dass beide Entscheidungen unabhängig voneinander getroffen worden seien. Fest steht aber, dass vom Land geförderte Investitionen dazu beitragen, dass an anderer Stelle in Sachsen-Anhalt die Produktion eingestellt wird. (mz)