Automobilindustrie Automobilindustrie: Roboter statt Menschen

Halle (Saale)/Leipzig - Ohne Roboter geht in einer modernen Automobil-Fabrik nichts mehr. Nur wenige andere Branchen wurden in den vergangenen Jahrzehnten so stark automatisiert. Gerade im Karosseriebau sieht man fast nur noch metallene Arme, die Teile zusammenschweißen. Die Produktionsarbeiter überwachen die Fertigung am Computerdisplay.
Dennoch gab es bisher strikte Grenzen im Einsatz. Allein aus arbeitsschutzrechtlichen Gründen arbeiteten die Automaten bisher immer hinter Gittern, nie Hand in Hand mit dem Menschen. In der Montage der Fahrzeuge sind sie daher kaum zu finden. Mag das Anschrauben von Innenraumverkleidungen auch monoton erscheinen, so reagieren die Monteure doch schnell und flexibel, falls Probleme auftauchen. Der Roboter kann das nicht. Noch nicht.
Massenhafter Einsatz in der Montage
Der Volkswagen-Konzern plant nun offenbar den massenhaften Einsatz in der Montage. Insbesondere körperlich anstrengende Aufgaben sollten von den Maschinen übernommen werden, sagte Personalvorstand Horst Neumann der „Welt am Sonntag“. Seit Dezember arbeite ein „Kompetenzteam“ an einem Fahrplan für die Reform. Neumann nannte zwei Gründe für die Offensive: „Den einen diktiert der Verstand: wir können mit Hilfe von Robotern Fertigungskosten senken“, sagte er und verwies auf das deutsche „Hochlohnniveau“.
In der deutschen Automobilindustrie lägen die Arbeitskosten bei mehr als 40 Euro pro Stunde, in China seien es weniger als zehn Euro. Ein Roboter am Fließband koste je nach Einsatz drei bis sechs Euro pro Stunde. Der andere Grund für die Pläne komme „von Herzen“, erläuterte Neumann: „Wir können die nicht ergonomische Arbeit abschaffen, qualifizierte Arbeit verstärken und Beschäftigung sichern.“ Der Personalchef äußert sich nicht dazu, wo genau Roboter künftig eingesetzt werden sollen.
Modellprojekt im US-Werk
Die erste Mensch-Maschine-Kooperation in der Serienproduktion hat bereits der Autobauer BMW in seinem US-Werk in Spartanburg (South-Carolina) vollzogen. Wo früher Beschäftigte per Handroller Türdichtungen fixierten, übernimmt dies nun ein Roboter mit Rollköpfen am Automatenarm. „Ziel ist es, den Menschen schwere und stupide Wiederholtätigkeiten abzunehmen“, sagte Werkleiter Manfred Erlacher im vergangenen Jahr der MZ. Gefährlich sei die Arbeit für die Mitarbeiter nicht. Sobald ein Arbeiter nämlich den Roboter berührt, bleibt dieser augenblicklich stehen.
Alle großen Automobil-Produktionen funktionieren vom Prinzip noch heute so, wie sie der US-Automobil-Pionier Henry Ford vor 100 Jahren erstmals einführte. Die Montage der Autos wird in einzelne Schritte zerlegt. Im BMW-Werk in Leipzig dauert ein Takt 76 Sekunden. Jeder Montagemitarbeiter ist für sechs bis sieben Takte geschult, an jedem arbeiten mindestens zwei Monteure. Während der Schicht wechselt jeder Mitarbeiter alle zwei Stunden die Station, damit keine Monotonie aufkommt. Direkt neben dem Band gibt es kleine Räume, in denen sich die Arbeiter in Pausen auf Matten und Gummibällen fit halten können.
Roboter machen Mitarbeiter überflüssig
Dennoch, wer 30 Jahre am Band gearbeitet hat, merkt das in den Knochen. Bei schweren körperlichen Tätigkeiten könnten die Roboter eine willkommene Hilfe sein.
Vor allem die Gewerkschaften treibt die Sorge um, dass Roboter immer mehr Mitarbeiter überflüssig machen. Die Ökonomen Carl Benedikt Frey und Michael Osborne haben untersucht, wie durch Automatisierung die menschliche Arbeitskraft ersetzt werden könnte. Auf Grundlage eingehender Analysen von mehr als 700 Berufen in Nordamerika prognostizieren die Experten bis 2035 beispiellose Arbeitsplatzverluste. 47 Prozent aller bestehenden Jobs könnten verloren gehen. Könnten.
Keine Entlassungen bei VW
Niemand bei VW müsse um seinen Job fürchten, betonte der Personalvorstand Neumann. „Der Glücksfall, dass die Babyboomer in Rente gehen, erlaubt es uns, ergonomisch ungünstige Arbeitsplätze abzubauen und zu automatisieren, ohne Mitarbeiter zu entlassen.“ Um die Ruheständler zu ersetzen, müsste VW demnach schon in wenigen Jahren 10.000 Mitarbeiter pro Jahr neu einstellen. „Diesen Abgang werden wir wegen des Automatisierungsschubs nicht voll ersetzen.“
Bleibt die Frage, ob die Software-Technik so weit ist, dass Roboter wirklich zu günstigen Kosten Monteure ersetzen können. Gerade bei Ereignissen, die nicht hervorsehbar sind, reagieren Menschen schnell und kreativ. Anfang der 80er Jahre hatte VW in Wolfsburg mit der sogenannten „Halle 54“ bereits ein Pilotprojekt, in dem getestet wurde, wie Roboter die menschliche Arbeitskraft ersetzen könnten. Die Ausfallzeiten der Technik waren damals aber so hoch, dass das Projekt wieder abgeblasen wurde. (mz)