Auswirkungen des Mindestlohns Auswirkungen des Mindestlohns: Jedes fünfte Lokal in Sachsen-Anhalt von Schließung bedroht

Naumburg - Weihnachtsfeiern vor dem Fest, Familientreffen während der Feiertage: Für die Gastronomie haben stressige, aber auch umsatzstarke Wochen begonnen. Doch mit dem 1. Januar des kommenden kommt nicht nur eine „Dürre-Zeit“, sondern auch die Einführung des Mindestlohnes. Doch welche Auswirkungen wird dieser auf die Mitgliedsbetriebe des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbandes (Dehoga) haben? Unter anderem darüber sprach Redakteur Harald Boltze mit Michael Schmidt, der das Naumburger Gasthaus „Zur Henne“ führt und jüngst zum Dehoga-Chef in Sachsen-Anhalt gewählt wurde.
Sie waren bisher Dehoga-Vizepräsident im Land, wurden nun zum Präsidenten gewählt. Wie kam es dazu?
Schmidt: Mein Vorgänger Frank Doepelheuer hat sich nach 16 Amtsjahren aus persönlichen Gründen nicht mehr zur Verfügung gestellt. Und mich hat es gereizt, die komplette Palette unserer Aufgaben als Arbeitgebervertretung mitzugestalten. Bisher hatte ich mich vornehmlich um die Ausbildung des beruflichen Nachwuchses gekümmert.
Welche Themen beschäftigen Ihre Branche momentan am stärksten?
Schmidt: Ganz akut geht es gerade darum, dass die EU ab Mitte Dezember in allen Speisekarten eine schriftliche Aufzeichnung aller Zutaten, die Allergien auslösen können, verlangt.
Der Unternehmerverband Dehoga vertritt die Interessen des Gastgewerbes auf regionaler sowie Landes- und Bundesebene. Der Landesverband Sachsen-Anhalt sitzt in Magdeburg und vertritt 900 Mitgliedsbetriebe. Der neue Präsident Michael Schmidt ist gelernter Koch und betreibt in Naumburg seit 2005 das Gasthaus und Hotel „Zur Henne“ sowie seit drei Jahren auch Gastwirtschaft und Hotel „Hallescher Anger“. Zuvor war Schmidt im Hotel „Schöne Aussicht“ in Leißling angestellt. (hbo)
Ähnlich den kleinen hochgestellten Ziffern für die Zusatzstoffe?
Schmidt: Ja. Es würde dann vor Ziffern und Buchstaben auf den Speisekarten wimmeln. Das kann jedoch niemand wollen. Sicherlich haben auch Allergiker Rechte. Aber wir als Verband denken, dass eine persönliche Beratung durch das Servicepersonal oder eine spezielle Allergiker-Speisekarte ausreichen. Hier muss die Politik schnell nachbessern.
Noch existenzieller ist sicher die Einführung des Mindestlohnes. Schließlich verdienen in Ihrer Branche sehr viele Angestellte weniger als die nun kommenden 8,50 Euro die Stunde.
Schmidt: Es ist unbestritten, dass bisher keine Spitzenlöhne gezahlt wurden. Dennoch haben die Unternehmen in der vergangenen Jahren gemerkt, dass sie aufgrund des Fachkräftemangels gutes Personal besser entlohnen müssen, um es zu halten. Das Problem, das jetzt entsteht, ist, dass ich alle Löhne anheben muss. Ich kann ja einem bestens ausgebildeten Koch nicht erklären, dass er plötzlich die gleichen 8,50 Euro bekommt wie eine Reinigungskraft.
Welche Auswirkungen befürchten Sie für die Betriebe?
Schmidt: Ich denke, dass 20 Prozent unserer Mitgliedsbetriebe die Einführung des Mindestlohnes nicht überleben werden.
Jedes fünfte Lokal wird schließen?
Schmidt: Das klingt hart, ja.
Lesen Sie auf der nächsten Seite, welche Gaststätten die Einführung des Mindestlohns besonders hart treffen wird.
Wen wird es besonders treffen?
Schmidt: Immer dramatischer wird es für die Gasthöfe in der ländlichen Region, was mich sehr traurig macht, weil dadurch eine gewisse kulinarische Tradition verloren geht. Aber diese Betriebe trifft es doppelt hart. Zum einen, da die junge Generation weiterhin in die großen Städte zieht. Und zum anderen, da der Mindestlohn auch Familienbetriebe, die in der Gastronomie gang und gäbe sind, hart bestraft. Dort muss nun jedes Familienmitglied, das mal aushilft, mit 8,50 Euro bezahlt werden.
Man könnte meinen, dass Geld bliebe in der Familie, aber ...
Schmidt: Aber der Staat hält bei Lohn- und Umsatzsteuer sowie Krankenkassenbeitrag kräftig die Hand auf. Eigentlich ist das alles eine versteckte Steuererhöhung.
Wobei man ehrlich sagen muss, dass eine große Mehrheit der Deutschen den Mindestlohn wollte. Umgekehrt kann man argumentieren, dass mehr Einkommen im Umlauf ist, das für Schnitzel, Bier und Hotelzimmer ausgegeben werden kann.
Schmidt: Ich denke nicht, dass diese Rechnung aufgeht. Gleichzeitig ist es die einzige Chance für die Betriebe: Wie kann ich den Gast davon überzeugen, dass er mir trotz höherer Preise treu bleibt? Das geht nur über die Qualität.
Oder es wird an allen Ecken und Enden gespart, nur noch drei statt vier Kellner zum Beispiel.
Schmidt: Um Preissteigerungen wird man trotzdem nicht umhinkommen, vielerorts sind sie auch schon passiert. Aber auch über andere Arbeitszeitmodelle wird man nachdenken müssen. In Österreich ist es üblich, dass Kellner im Teilschichtsystem mittags und abends je vier Stunden arbeiten und zwischendurch nach Hause gehen. Nur hier in Ostdeutschland ist es noch immer verpönt. (mz)