Ausbildung in Sachsen-Anhalt Ausbildung in Sachsen-Anhalt: Oldtimer in Händen von Carolin Hotze

Eisleben - Schüchtern lächelt Carolin Hotze, als ihr Chef zu einer kurzen Lobeshymne über sie ansetzt. Ein Naturtalent sei die 21-Jährige, sagt Jens Schwoche. „Sie hat mit einem halben Jahr Verspätung die Lehre bei uns angefangen und ihre Abschlussprüfung schon ein halbes Jahr vor dem offiziellen Ende abgelegt“, erzählt der Autosattlermeister aus Eisleben. Das habe er noch nie erlebt. „Wir sind sehr stolz auf sie“, sagt Schwoche. Auch darauf, dass sie bei dem Wettbewerb so weit gekommen sei.
Der Wettbewerb, damit meint der 47-Jährige „PWL - Profis leisten was“. So heißt der jährliche stattfindende Nachwuchswettkampf des Deutschen Handwerks. Er hat drei Stufen: Zuerst kürt jede Kammer in den verschiedenen Gewerken einen Kammersieger. Dann tritt dieser zuerst auf Landes- und wenn er dort gewinnt, auch auf Bundesebene an. Hotze hat es bis in die letzten Runde geschafft. Mitte November war sie zum Wettstreit in Bremen und belegte dort den dritten Platz. Bei der Festveranstaltung der Handwerkskammern Halle und Magdeburg wird sie deswegen heute im Schloss Köthen geehrt.
Jedes Jahr richten die Handwerkskammern in Deutschland den „Profis leisten was“-Nachwuchswettbewerb aus. Dort werden die besten Lehrlinge ausgezeichnet. Für jeden Bereich gibt es Kammer-, Landes- und Bundessieger, wobei der Bundessieger gleichzeitig Landessieger und dieser wiederum auch Kammersieger ist. Die offizielle Ehrung der Gewinner findet am Donnerstag in Köthen statt. Dort werden auch vorbildliche Ausbildungsbetriebe prämiert:
Kammerbezirk Halle
Bundessieger: Carolin Hotze (3. Platz, Fahrzeugsattlerin, Autosattlerei Jens Schwoche), Marcel Stephan (3. Platz, Fleischer, Bauerngut Fleisch- und Wurstwaren GmbH)
Landessieger: Pit Bunzel (Zimmerer, BuZ Bunzel GmbH & Co. KG), Maximilian Fehn (Schornsteinfeger, Schornsteinfeger Lars Hermann), Stefan Mewes (Feinwerkmechaniker, NAMAC), Tom Krüger (Kraftfahrzeugmechatroniker, Autohaus Moll GmbH), Maria Sternberg (Konditorin, Konditorei Oliver Schieke), Ann Elisabeth Krug (Augenoptikerin, Fielmann AG), Lysann Döscher (Orthopädiemechanikerin und Bandagistin, Sanitätshaus Peter Dietrich), Kevin Glöckner (Zahntechniker, Spieß Dentallabor GmbH), Robin Kretschmann (Mechaniker für Land- und Baumaschinentechnik, Rahmsdorf GmbH)
Kammersieger: Christian Siefers (Maler und Lackierer, Malermeister Marco Heder), Maik Sielaff (Fahrzeuglackierer, Autolackierwerkstatt Arlt), Robert Kraus (Mechaniker für Land- und Baumaschinentechnik, Kobatec GmbH), Michael Sturm (Elektroniker Energie- und Gebäudetechnik, Elektro-Reichelt), Isaak-Jonathan Pfendt (Tischler, Holz-Dom), Lisa Rosin (Friseurin, Friseur & Kosmetik Charmant GmbH)
Vorbildliche Ausbildungsbetriebe: Elektroinstallation Freddy Büchner aus Mansfeld, Creativ-Dental GmbH aus Wittenberg, HELA Elektroinstallations- und -handels GmbH aus Halle, Weigl Automobile GmbH aus Weißenfels, Bäckerei & Konditorei Jäger aus Wittenberg, ISG- Industrie Service GmbH aus Kabelsketal
Kammerbezirk Magdeburg
Bundessieger: Gunnar Herms (1. Platz, Fahrzeuglackierer, Fahrzeuglackierung Klötze GmbH), Moritz Wille (2. Platz, Metallbauer/Konstruktionstechnik, Bauschlosserei Müller GmbH), Florian Heinecke (3. Platz, Gerüstbauer, Reinstedter Gerüstbau GmbH)
Landessieger: Maik Ullmann (Elektroniker für Maschinen- und Antriebstechnik, Einbeck Elektromotoren GmbH), Chris Renner (Elektroniker für Energie- und Gebäudetechnik, Schubert GmbH), Theresa Gorges (Maßschneiderin, Atelier Ina Ingelbach), Dennis Otte (Elektroniker für Informations- und Telekommunikationstechnik, INC Innovative Netzconzepte GmbH), Karsten Pieper (Tischler, Tischlermeister Axel Pieper), Lisa Maria Henke (Gebäudereinigerin, SK Glas- und Gebäudereinigung Seguin GmbH), Maurice Sand (Zerspanungsmechaniker, Ebel Maschinenbau), Martin Reinhold (Goldschmied, Goldschmiede Krietsch)
Kammersieger: Esther Gusowski (Zahntechnikerin, Zahntechniklabor Tobias Teichmann), Kevin Clement (Kraftfahrzeugmechatroniker für Personenkraftwagen, Autohaus J. Fenrich GmbH), Felix Arndt (Fleischer, Delikata GmbH), Daniela Treiberm (Augenoptikerin, Fielmann AG), Lucas Kammerad (Maler und Lackierer, Malerbetrieb Kammerad), Stefanie Weisel (Friseurin, Friseursalon Richter), Sebastian Werner (Automobilkaufmann, Autohaus Rogge GmbH), Pierre Welz (Anlagenmechaniker für Sanitär-, Heizungs- und Klimatechnik, Haustechnik Hartung), Sara Rauchstädt (Fachverkäuferin Bäckerei, Stendaler Landbäckerei GmbH), Stefanie Langer (Fachverkäuferin Fleischerei, Altmärker Fleisch- und Wurstwaren GmbH), Sophie Schremmer (Konditorin, Kaffeehaus Köhler GmbH)
Vorbildliche Ausbildungsbetriebe: Bäckerei Olaf Buchholz aus Seehausen (Altmark), E-Service
Haberkorn GmbH aus Harzgerode, Klaus Göring Ingenieure GmbH aus Oebisfelde, Landfleischerei Winterfeld GmbH aus Apenburg-Winterfeld, Rühlmann Bau GmbH aus Apenburg-Winterfeld, Dentallabor Antje Wilmerstaedt aus Magdeburg
Zwei Tage zuvor steht sie noch ganz unaufgeregt mit einem Zollstock in der Hand vor einem riesigen Holztisch. Darauf liegt eine große blaue Plane. „Das ist die neue Abdeckung für einen Anhänger“, erklärt die junge Autosattlerin. Den habe sie zuvor bereits ausgemessen. „Er ist etwas krumm und schief“, sagt Hotze. Deswegen sei die Plane auch nicht gerade. Aber das mache ihren Beruf so spannend: „Man muss kreativ sein, und für jede Aufgabe individuelle Lösungen finden“.
Planen für Anhänger und Lastwagen sind jedoch bei weitem nicht das einzige, was Hotze unter die Finger bekommt. Gut kann man das in der fußballfeldgroßen Halle erkennen, in der sie steht. Die Autosattelei von Jens Schwoche sieht nämlich auf den ersten Blick wie ein Fahrzeugmuseum aus. Zwischen den Tischen stehen zwei Oldtimer, 50er-Jahre-Modelle der Eisenacher Motorenwerke, deren Sitzbezüge und Innenauskleidung erneuert werden sollen. Etwas erhöht, auf einem Podest, thront eine Jacht, die ein frisches Verdeck bekommen hat. Und unterhalb des Bootes ist ein Uralt-Traktor der Marke Ursus abgestellt, dessen Dach renoviert wurde.
Vielfältig und innovativ
„In unserer Halle sieht man die ganze Bandbreite unserer Arbeit“, meint Jens Schwoche. Diese Vielfältigkeit sei wichtig, weil man so Nischen besetzen könne, die der Firma und ihren acht Mitarbeitern das Überleben sichern. „Wir probieren außerdem, unsere Produkte weiterzuentwickeln“, sagt der Handwerksmeister, der seinen Betrieb vor 25 Jahren gründete.
So habe er ein eigenes Befestigungssystem für Planen entworfen, mit dem das Auf- und Zumachen der Anhänger nicht mehr so lange dauere. „Und da in der Logistikbranche Zeit gleich Geld ist, sind unsere Kunden davon begeistert“, sagt Schwoche.
Solches Wissen probiert er auch an seine Lehrlinge weiterzugeben. In den vergangenen Jahren habe er zahlreiche ausgebildet. „Die Qualität war sehr unterschiedlich“, sagt Schwoche. Manche scheiterten schon an den einfachsten mathematischen Aufgaben. „Das Einmaleins, räumliches Denken, Vorstellungskraft - daran mangelt es oft“, sagt der 47-Jährige. Hinzu komme, dass viele die Gegebenheiten im Handwerk scheuen. „Als Lehrling haut man sich schon mal mit dem Hammer auf den Finger“, sagt Schwoche. Aber das müsse man aushalten.
Der größte Mangel sei für ihn jedoch die Einstellung. „Vielen Lehrlingen fehlt es einfach am Willen, sich anzustrengen“, sagt Schwoche. Das sei bei Carolin Hotze von Beginn an anders gewesen. In die Firma von Schwoche kam sie 2013 erst, als das Ausbildungsjahr bereits sechs Monate lief. Bei ihm habe damals sein Azubi gerade hingeschmissen. „Und Carolin war mit ihrer Lehrstelle unzufrieden.“ Über die Berufsschule fanden sie zusammen. Ein seltener Glücksfall, wie sich auch in diesem Jahr zeigt. Da hat Schwoche nämlich keinen Lehrling. „Es hat sich schlicht keiner beworben“, sagt er.
Auf dem Weg zur Meisterin
Selten ist Hotze auch, weil sie der erste weibliche Nachwuchs im Betrieb ist. Aber das habe von Beginn an keine Rolle gespielt. „Es waren nur ein paar Formalien zu erfüllen - also ob wir eine Frauentoilette haben und sowas“, sagt Schwoche. Seine Entscheidung für Hotze bereut er bis heute nicht.
Nachdem die Autosattlerin im Februar ihre Gesellenprüfung sechs Monate vor Ausbildungsende erfolgreich abgeschlossen hatte, wurde sie sofort übernommen. Parallel begann sie eine Meisterschule. „Mit den beiden Theorie-Teilen bin ich da schon fertig“, sagt sie. Jetzt fehlen noch die zwei Praxismodule. „Aber für die sind erst 2017 wieder Plätze frei“, sagt die 21-Jährige. Auf ihrem Weg zur Sattlermeisterin muss sich Hotze also noch etwas gedulden. (mz)