Arbeitslosigkeit der EU Arbeitslosigkeit der EU: Quote fast doppelt so hoch wie 2008

Zwar geht die Arbeitslosigkeit in Europa zurück. Doch verbirgt sich hinter dieser Entwicklung ein katastrophales Phänomen: Langzeitarbeitslosigkeit. Inzwischen ist jeder zweite Arbeitslose in der EU länger als ein Jahr ohne Job, so eine Studie der Bertelsmann-Stiftung.
Für diese fast elf Millionen Menschen rückt eine bezahlte Stelle in immer weitere Ferne. Die Folgen sind soziale Ausgrenzung, Armut, Krankheit. „Die Langzeitarbeitslosigkeit ist in einigen Ländern zu einem Massenphänomen geworden, das die wirtschaftliche Erholung Europas gefährdet“, warnt Aart De Geus, Vorstandsvorsitzender der Stiftung. Auch in Deutschland ist die Lage bedenklich.
Wie viele Langzeitarbeitslose gibt es in der EU?
Im vergangenen Jahr waren von den 22 Millionen Arbeitslosen in den 28 EU-Staaten 10,5 Millionen länger als zwölf Monate arbeitslos. Knapp ein Drittel suchte sogar schon länger als zwei Jahre erfolglos eine Stelle. Dazu kommt die verdeckte Langzeitarbeitslosigkeit – also jene Menschen, die an Beschäftigungsmaßnahmen teilnehmen oder die Job-Suche aufgegeben haben und daher aus der offiziellen Statistik herausgefallen sind. EU-weit sind dies nochmals weitere elf Millionen Menschen. „22 Millionen Menschen in der EU würden gern arbeiten, finden aber keinen Einstieg in den Arbeitsmarkt“, erklärt De Geus.
Wo leben die Langzeitarbeitslosen?
Das Phänomen spaltet die EU: Besonders betroffen sind die südlichen Länder. In Griechenland liegt die Langzeitarbeitslosigkeit bei 18 Prozent, in Spanien und Kroatien bei rund elf Prozent. Großbritannien und Schweden kommen auf Werte von nur 1,5 Prozent. Insgesamt haben Krise und Sparprogramme eine Spur der Verwüstung geschlagen: EU-weit ist die Langzeitarbeitslosenquote fast doppelt so hoch wie 2008.
Situation in Deutschland, Betroffene und Gründe auf Seite 2
Wie ist die Situation in Deutschland?
Deutschland ist das einzige EU-Land, in dem die Langzeitarbeitslosigkeit seit der Krise zurückgegangen ist. Sie sank von 3,7 auf 1,9 Prozent. Dennoch „gibt es keinen Grund zur Entwarnung“, mahnt die Bertelsmann-Stiftung. Denn die Beschäftigungsrekorde gehen an vielen Langzeitarbeitslosen vorbei: 43 Prozent aller deutschen Arbeitslosen – das sind fast 800.000 Personen - suchen schon über ein Jahr nach einem Job.
Auffällig an den deutschen Zahlen: Hier zu Lande sind Langzeitarbeitslose besonders lange ohne Job. Zwei Drittel von ihnen sucht schon über zwei Jahre eine Stelle, in Österreich sind dies nur 40 Prozent. Relativ stark betroffen sind auch ältere Menschen. Mehr als ein Viertel der deutschen Langzeitarbeitslosen sind älter als 55 Jahre. Im EU-Durchschnitt beträgt dieser Anteil nur 14 Prozent. Ein Grund hierfür ist laut Bertelsmann-Stiftung, dass in Deutschland die Praxis der vorzeitigen Verrentung Arbeitsloser aufgegeben wurde. „Jobverlust im Alter wird in Deutschland zunehmend zu einer Falle, aus der sich die Betroffenen nicht befreien können“, so De Geus. „Die auf eine rasche Vermittlung ausgerichtete Politik des Förderns und Forderns stößt beim ‚harten Kern‘ der Langzeitarbeitslosigkeit in Deutschland an ihre Grenzen.“
Wer ist betroffen?
Vor allem Geringqualifizierte. In Südeuropa allerdings zieht sich die Misere quer durch alle Qualifikationsstufen. So sind in Griechenland, Spanien und Kroatien über zehn Prozent der Personen mit mittlerem Qualifikationsniveau und mehr als fünf Prozent der Hochqualifizierten langzeitarbeitslos.
Was sind die Gründe für Langzeitarbeitslosigkeit?
Die Wirtschaftskrise hat gerade in Südeuropa ganze Branchen betroffen. In der Industrie und im Baugewerbe verschwanden massenhaft Unternehmen und Arbeitsplätze. So ging die Zahl der Industriebeschäftigten zwischen 2008 und 2013 in Bulgarien, Griechenland, Spanien, Portugal, Slowenien und der Slowakei um mehr als drei Prozent zurück. Damit entwerten sich die Qualifikationen der Entlassenen – sie werden dauerhaft nicht gebraucht. Gleichzeitig fehlen ihnen die Fertigkeiten, um in anderen Branchen einen neuen Job zu finden. Unter dem Spardruck haben viele Regierungen Umschulungs- und Weiterbildungsmaßnahmen zusammengestrichen. „Ohne diese Unterstützung werden viele Langzeitarbeitslose aber kaum einen neue Stelle bekommen“, so die Bertelsmann-Stiftung, die die „einseitige Sparpolitik“ kritisiert.