Abellio breitet sich aus Abellio breitet sich aus: Unternehmen übernimmt weitere Bahnlinien in Sachsen-Anhalt

Magdeburg - Der erste Test, noch vor Abfahrt des Zuges am Magdeburger Hauptbahnhof, fällt positiv aus: Das WLAN funktioniert - schnell und stabil. Ein paar Klicks auf dem Smartphone, schon ist Stephan Schreier im Internet. Der Geschäftsführer Betrieb des Bahnbetreibers Abellio wirkt zufrieden. „Wir sind gut vorbereitet“, sagt er, ehe er den nächsten Fahrgast begrüßt.
Im Dezember übernimmt Abellio mit dem sogenannten Dieselnetz (siehe Grafik) weitere Strecken in Sachsen-Anhalt; am Montag stellte das Unternehmen die neuen Züge dafür bei einer Premierenfahrt zwischen Magdeburg und Halberstadt vor. Die zweiteiligen Diesel-Triebzüge vom Typ „Coradia Lint“ des Herstellers Alstom sind maximal 140 Kilometer in der Stunde schnell und haben 110 Sitzplätze.
Ausrüstung mit WLAN ist eine Vorgabe des Landes
Sie sind klimatisiert, pro Zug ist Platz für neun Fahrräder. Weitere Details: eine Innenbeleuchtung, die sich dem Tageslicht anpassen soll, Steckdosen für Laptops oder zum Aufladen des Handys an den Plätzen sowie USB-Anschlüsse - letzteres ist in deutschen Regionalzügen noch keineswegs Standard. Genauso wenig wie der drahtlose Internet-Empfang.
Bisher ist Surfen und Streamen im Zug in Sachsen-Anhalt nur in der Elbe-Saale-Bahn zwischen Halle, Magdeburg und Stendal möglich. Die Ausrüstung mit WLAN ist eine Vorgabe des Landes, das den Nahverkehr bestellt und bezahlt.
Bei Alstom im niedersächsischen Salzgitter hat Abellio insgesamt 54 der neuen Züge bestellt. Sie lösen die in die Jahre gekommene Regionalbahnen der Deutschen Bahn und des Harz-Elbe-Expresses (HEX) ab. Von beiden Betreibern übernimmt Abellio das Dieselnetz, das vom Land neu ausgeschrieben worden war.
Abellio, eine Tochter der niederländischen Staatsbahnen, breitet sich damit in Sachsen-Anhalt weiter aus. Seit Dezember 2015 betreibt das Unternehmen bereits wichtige Regionalstrecken von Halle in Richtung Erfurt und Kassel. Mit den Dieselstrecken kommt nun ein ähnlich großes Netz hinzu: Auf 16 Linien legen die Züge zusammengenommen neun Millionen Kilometer pro Jahr zurück. Der Marktanteil der Deutschen Bahn im Land wird damit ab Dezember auf weniger als 50 Prozent sinken. Der Mitbewerber HEX, eine Firma des französischen Transdev-Konzerns, wird dann völlig aus Sachsen-Anhalt verschwinden.
Lokführer sind Mangelware
Wer Züge auf die Strecke schicken will, braucht Personal. Derzeit beschäftigt Abellio nach eigenen Angaben 175 Lokführer, mit der Übernahme des Dieselnetzes soll sich die Zahl laut Schreier verdoppeln. „Die meisten neuen Mitarbeiter kommen vom HEX“, sagt der Geschäftsführer, „nur wenige von der Deutschen Bahn.“
Ohne diesen Personalwechsel hätte der neue Zugbetreiber ein Problem: Lokführer sind Mangelware. Bundesweit sind nach Schätzungen der Gewerkschaften mehr als 1.000 Stellen nicht besetzt.
Auch Abellio hat wegen Personalmangels schon Züge streichen müssen, zuletzt an zwei Wochenenden im August. Urlaub und Schulungen rissen ein Loch in die dünne Personaldecke. Geschäftsführer Schreier versichert nun, beim Betriebsstart des neuen Netzes werde es keine Personalprobleme geben: „Das werden wir sicherstellen.“
Pendler können sich von den neuen Zügen ab kommender Woche selbst ein Bild machen. Dann übernimmt Abellio einzelne fahrplanmäßige Züge auf den Strecken von Aschersleben Richtung Magdeburg, Sangerhausen und Dessau von der Deutschen Bahn. Experten sprechen von einem „Vorlaufbetrieb“. Dieser ist beim Einsatz neuer Fahrzeuge durchaus üblich. So soll getestet werden, ob die neuen Züge auch im Alltagsbetrieb bestehen.
Nur eines werden Fahrgäste dann noch vergeblich suchen, wenn sie im Zug WLAN aktivieren und ins Internet gehen: das von Abellio angekündigte sogenannten Infotainment-System, das während der Fahrt online den Zugriff auf Filme oder Nachrichten ermöglichen soll. Es wird gerade noch aufgebaut. (mz)