Wein- und Sektmanufaktur Wein- und Sektmanufaktur: Prickelnde Henne aus felsigem Klosterkeller
Naumburg/MZ. - In Naumburg ist eine prickelnde Tradition wieder belebt worden. Nach fast 100 Jahren wurde am Freitag erstmals wieder ein in der Domstadt erzeugter Sekt kredenzt. Hartmut Duchrow, Kellermeister der Naumburger Wein- und Sektmanufaktur, entfernte im Felsgewölbe bei Kerzenschein von den ersten Flaschen trinkreifen Riesling-Sekts die Hefe und füllte den edlen Tropfen in die Gläser.
Andreas Kirsch, Geschäftsführer der neuen Firma, hat sich nicht beirren lassen und "das Spinnerei-Projekt", wie Skeptiker sein Vorhaben nannten, in nur einem Jahr bravourös umgesetzt. Wieviel er investiert hat, verriet er nicht.
Die junge Firma residiert an geschichsträchtigem Ort. Laut Überlieferung wurde der Keller vor fast 800 Jahren von Mönchen des Naumburger Georgen-Klosters in den felsigen Untergrund getrieben. 1824 sei daraus die älteste Sektkellerei im deutschsprachigen Raum geworden, wußte Duchrow zu berichten. Die damaligen Eigentümer errichteten über dem rund 1000Quadratmeter großen Kellergewölbe eine Villa. Noch bis Anfang des vorigen Jahrhunderts habe es hier eine Champagner-Fabrik gegeben, erzählte Naumburgs Oberbürgermeister Hilmar Preißer. Zu DDR-Zeiten beherbergte das Objekt eine Mosterei, verfiel dabei aber zusehends. Seit die Saftproduktion nach der Wende eingestellt wurde, passierte in dem Haus im Stadtteil Henne nichts mehr.
Kirschs Leidenschaft für das Winzer-Hobby entflammte Anfang der 90er Jahre. Den Süddeutschen hatte es als Kfz-Sachverständigen in die Saale-Unstrut-Region verschlagen. Weil zu seinem Haus ein Weinberg gehörte, befasste er sich mit dieser Materie. Mit Duchrow, der seinen Beruf beim damaligen VEG Weingut Naumburg gelernt hatte und der seine Kenntnisse später in Weingütern im französischen Burgund vertiefte, geriet Kirsch oft ins Fachsimpeln. Vor zwei Jahren hatten sie die spritzige Idee mit der Manufaktur. "Wir wollen zeigen, das die Trauben von Saale-Unstrut das Zeug zum Spitzensekt haben", sagte Kirsch.
Im Gegensatz zum Branchenriesen Rotkäppchen, wo große Mengen importierter Grundweine mittels Tankgär-Verfahren relativ schnell zu Sekt verarbeitet werden, setzt die Manufaktur auf die vom Champagner her bekannte klassische Flaschengärung. Für den Kellermeister bedeutet das, die gläsernen Behältnisse, während die Hefe wirkt, einmal täglich ruckartig um 45 Grad zu drehen. Dieser Aufwand hat seinen Preis. Die ersten, aus einem im Vorjahr gelesenen Riesling erzeugten rund 20000 Flaschen "Von der Henne" - so heißt die Sektmarke - sollen im Dezember zum Preis von etwa neun Euro auf den Markt kommen, kündigte der Manufaktur-Chef an.
Zweites Standbein ist die Lohnfertigung für Weinbauern, die ihre Trauben nicht in der Winzervereinigung unterbekommen. "Ihnen bliebe sonst fast nur der Ausweg, ihre Früchte in die Saale zu kippen", meinte Kirsch. "So aber können sie sich aus eigenen Trauben gekelterten Wein munden lassen."