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Waschmittel-Produktion in Genthin Waschmittel-Produktion in Genthin: Spee wandert in den Westen ab

Von Antonie Städter und Katrin Löwe 08.07.2008, 08:10
Der Henkel-Konzern zieht sich aus seinem Produktionsstandort in Genthin komplett zurück. Der Waschmittel-Riese Henkel will die Produktion von Flüssigwaschmitteln in Genthin bis Ende 2009 nach Düsseldorf verlagern. Betroffen seien rund 190 Mitarbeiter. (Foto: dpa)
Der Henkel-Konzern zieht sich aus seinem Produktionsstandort in Genthin komplett zurück. Der Waschmittel-Riese Henkel will die Produktion von Flüssigwaschmitteln in Genthin bis Ende 2009 nach Düsseldorf verlagern. Betroffen seien rund 190 Mitarbeiter. (Foto: dpa) dpa-Zentralbild

Genthin/MZ. - Diesen Moment wird WolfgangKasch so schnell nicht vergessen. "Die Meisterinkam mit verweinten Augen zu uns und hat unsaufgefordert, alle Maschinen auszustellen",erzählt der 41-Jährige, der im Henkel-Werkin Genthin (Jerichower Land) im Bereich Waschmittel-Abfüllungtätig ist. Im Pausenraum erklärt die Schichtmeisterinunter Tränen: Das Werk soll bis Ende 2009geschlossen werden, 190 Arbeitsplätze sindbetroffen. "Das war wie ein Schlag", sagtKasch. Keiner hatte das erwartet. Auch am Dienstagging die Produktion in der Genthiner Fritz-Henkel-Straßewie gewöhnlich weiter - doch in den Pausengab es nur ein Thema unter den Mitarbeitern.Motiviert sei niemand mehr, sagt einer, derseinen Namen nicht nennen will. "Das ist unmöglich,was hier abläuft. Eine Sauerei", sagt Kasch,der seit 1995 in dem Werk arbeitet. "So denkenalle hier."

Die Ungewissheit ist schlimm, sagt AnlagenfahrerRené Belitz, als er von der Frühschicht ausdem Betriebsgelände kommt. "Das ist allesnoch gar nicht real." Er weiß nicht, wie esberuflich für ihn weitergeht. Ist Düsseldorf,wohin die Produktion verlagert werden soll,eine Option für ihn? "Mein Kind geht hierzur Schule, meine Frau arbeitet hier, unserHaus steht zwei Kilometer vom Werk entfernt- was soll ich in Düsseldorf?", fragt er zurück.Seine "halbe Familie" habe in dem Werk gearbeitet,so der 29-Jährige.

"Wenn es ein schleichender Tod gewesen wärewie beim Pulvergeschäft, das hier Ende letztenJahres eingestellt wurde", so der Genthiner,"aber uns wurde damals zugesichert, dass GenthinFlüssigstandort Nummer eins wird." Und: "Wirbauen ja jetzt noch neu." Das kann BürgermeisterWolfgang Bernicke (parteilos) bestätigen."Bei uns liegen drei Anträge für Neubautenzur Bearbeitung, die am 30. April von Henkelgestellt wurden."

Für Genthin sei die Nachricht folgenschwer,sagt Bernicke, der seit 1994 Bürgermeisterder Stadt ist: "Es gibt kaum Neuansiedlungenin der Region." Die Stadt verliere nicht nurArbeitsplätze - nach seinen Angaben könntendas bis zu 500 sein, weil auch Jobs bei Zuliefererngefährdet seien. "Es ist auch die Reputation,die Genthin verliert." Das Image als Henkel-Stadt.

Mehr als 80 Jahre lang wurde mit GenthinerWaschmitteln so manche schmutzige Wäsche gewaschen.1921 hatten die Brüder Fritz und Hugo Henkelden Grundstein für den neuen Produktionsstandortgelegt. Zwei Jahre später gingen die erstenPackungen des 1907 erfundenen "Wunder"-WaschmittelsPersil s>vom Band. Nach dem Krieg enteignetund zum Volkseigenen Betrieb (VEB) umgewandelt,erlebte das Werk 1968 eine seiner Sternstunden:Auf den Markt kam die Spezialentwicklung"Spee", aus der das Waschmittel schlechthinfür Hausfrauen in der DDR wurde. 210000 Tonnenjährlich gingen vor der Wende vom Band. Undnachdem die Henkel AG 1990 das Genthiner Werkzurückgekauft hatte, wurde Spee hinter Persilzur zweitstärksten Waschmittelmarke des Unternehmens.

Nach der Freude über die Rettung des Werkeszur Wende war die Euphorie allerdings schoneinmal gebremst worden: Von 1650 Mitarbes>iternaus DDR-Zeiten blieben nur 320, um wettbewerbsfähigzu werden. Seitdem wurden nach Angaben desUnternehmens 120 Millionen Euro in den StandortGenthin investiert, dazu kamen Fördermittelin zweistelliger Millionenhöhe. Für einenGroßteil der Mittel sei zwar die Frist fürRückzahlungsforderungen abgelaufen. Dennoch,sagt Wirtschaftsminister Reiner Haseloff (CDU),werde man noch Rückzahlungsoptionen prüfen,um sie in die Verhandlungen über den Erhaltdes Standortes einzubringen. Die Chancen,über ein Management-Buy-Out-Konzept mindestensTeile der Produktion zu erhalten, "stehenganz gut", so Haseloff.

Es seien keine wirtschaftlichen Beweggründefür Henkel gewesen, 1990 wieder nach Genthinzu gehen, sagt Bürgermeister Bernicke. "Eswar eine emotionale Entscheidung der FamilieHenkel." Auf diesen Bonus baut er nun, willmit der Familie Gespräche führen. Auch BetriebsratsvorsitzenderFritz Franke will nicht aufgeben. "Wir habenuns die Unterlagen geben lassen und werdendie Zahlen von einem unabhängigen Gutachterprüfen lassen." Am Freitag soll es einen Fackelzugdurch die Stadt geben. Franke tippt: "GanzGenthin wird dabei sein."

Die Anlagenfahrerin Sabine Thie kontrolliert an der Spee-Abfüllanlage im Genthiner Henkel-Werk die Flaschenqualität.
Die Anlagenfahrerin Sabine Thie kontrolliert an der Spee-Abfüllanlage im Genthiner Henkel-Werk die Flaschenqualität.
ZB