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Wandel einer Region Wandel einer Region: Aschersleben ist das Zentrum der Textilindustrie

Von Sabine Fuchs 11.10.2005, 06:40
Der Anlagenfahrer Burghardt Ritter kontrolliert in der Ascania Vliesstoffe GmbH Aschersleben an der Schneidemaschine das Material. (Foto: dpa)
Der Anlagenfahrer Burghardt Ritter kontrolliert in der Ascania Vliesstoffe GmbH Aschersleben an der Schneidemaschine das Material. (Foto: dpa) dpa-Zentralbild

Aschersleben/dpa. - DieAscania Vliesstoffe GmbH ist eines von fünf Textilunternehmen, diesich nach der Wende dort ansiedelten und die kleine Stadt zu einemZentrum der Branche im Land werden ließen. «Zu unseren Produktengehören Vliesstoffe, die zum Beispiel für Babywindeln gebrauchtwerden», sagte Geschäftsführer Norbert Schulze.

«Nach der Wende brachen in Aschersleben etwa 8000Industriearbeitsplätze weg», erklärte Torsten Ducke, Leiter derWirtschaftsförderung der Stadt Aschersleben. So galt es, durchgezielte Ansiedlungspolitik neue, zukunftsträchtige Industrie in dieRegion zu holen. Hoch qualifiziertes Fachpersonal war reichlichvorhanden. So investierte die Kommune vor allem in den Ausbau derInfrastruktur.

Die Ascania war 1997 eines der ersten Textilunternehmen, die sichim neu geschaffenen Gewerbepark ansiedelten. Sie gehört zurUnternehmensgruppe Albis mit Sitz im italienischen Biella. IhreVliesstoffe, nicht allein für Babywindeln, sondern beispielsweiseauch für verschiedene Hygieneartikel, gehen heute in alle Welt. DieItaliener fanden die Bedingungen in Aschersleben so gut, dass sie2001 ein weiteres Werk errichteten. Die Arborea Fiber GmbH ist heutedirekter Zulieferer von Ascania und fertigt die Fasern für dieVliesstoffe. «Insgesamt wurden 35 Millionen Euro in den Bau beiderUnternehmen investiert», sagte Schulze. Beide erwirtschaften mit etwa100 Mitarbeitern einen Jahresumsatz von 45 Millionen Euro.

Weitere Unternehmen wurden auf Aschersleben aufmerksam undsiedelten sich an. Die Finotech Verbundstoffe GmbH & Co.KG und dieAdvances Printing GmbH (beide USA) erzielen heute zusammen mehr als120 Millionen Euro Umsatz pro Jahr. Ihre textilen Verbundstoffe undVliese gehen überwiegend in den EU-Raum, aber auch in den mittlerenund fernen Osten, sagte Geschäftsführer Jürgen Sauer.

«Das Erfreuliche ist, dass in Aschersleben auf Hightech-Niveauproduziert wird», sagte der Vorstandsvorsitzende des Verbandes derNord-Ostdeutschen Textil- und Bekleidungsindustrie, Wolf-EckhardtHeindorf. Mit dem Nähen von Anzügen oder Kleidern könnten deutscheFirmen international längst nicht mehr bestehen. Die Fertigung von sogenannten technischen Textilien wie Vliesstoffe für die Bau- undAutoindustrie - das sei die Zukunft. Derzeit würden in einem Autozwölf Kilo Textilien unter anderem für Dämmstoffe verbaut, in zehnJahren seien es 20 Kilogramm, sagte Heindorf.

Forschung wird in Aschersleben groß geschrieben. Werden dieTextilien derzeit noch hauptsächlich aus chemischen Grundstoffen oderNaturfasern gefertigt, arbeiten die Firmen bereits an neuenAusgangsprodukten. «Zunehmend wird über nachwachsende Rohstoffenachgedacht», sagte Schulze. So würden Mais- und Kartoffelstärkederzeit erprobt.

200 Millionen Euro sind in den zurückliegenden Jahren in denTextilstandort Aschersleben geflossen. 463 der 1000 Beschäftigten derTextilindustrie Sachsen-Anhalts arbeiten in Aschersleben. «Textilienwerden fast in jeder Branche gebraucht», sagte Heindorf, «egal ob imMusikinstrumentenbau, in der Autoindustrie oder im Straßenbau». Soist die Ansiedlung weiterer Textilunternehmen in Ascherslebendurchaus denkbar.