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Verschwörungstheorien Verschwörungstheorien: Mutter aller Lügen

Von STEFFEN KÖNAU 09.09.2011, 17:09

Halle (Saale)/MZ. - Verräter. Verbrecher. Verschwörer. Falsche Bärte und gefälschte Fährten, kalte Spuren und heiße Eisen. Nein, auch nach zehn Jahren ist noch nicht alles über den 11. September 2001 erzählt, noch nicht jede Möglichkeit ausgelotet. Das hat der Russe Dimitri Khalezov neulich bewiesen: Mit dem Video "Die dritte Wahrheit" wirbelte der Ex-Geheimdienstmitarbeiter noch mal richtig Staub auf in den Kreisen derer, die seit einem Jahrzehnt an den unzähligen Rätseln rund um den Angriff auf Amerika knabbern.

Natürlich, denn Khalezov bezichtigt nicht nur die US-Regierung der Lüge über die Anschläge. Das tun sie alle, die Wahrheitssucher und Verschwörungstheoretiker, die Aufdecker und Aufklärer. Nein, der Russe wischt auch all die schönen Ablaufpläne durcheinander, mit denen fleißige Enthüller der wirklichen Wahrheit bis heute rund 3 000 Bücher gefüllt haben.

Atombombe im Fundament

Doch so ist es nunmal, sagt der Ex-Atomwaffen-Kontrolleur der Sowjetarmee: Das World Trade Center wurde am 11. September 2001 gar nicht von Flugzeugen getroffen! Vielmehr haben Atombomben den Einsturz der Twin Towers verursacht. Erstaunlich? Ach wo! Er habe schließlich, behauptet er, schon Ende der 80er erfahren, dass bereits beim Bau unter den Türmen zwei "thermonukleare Sprengladungen" angebracht worden seien.

Immerhin, noch einmal etwas richtig Originelles im seit zehn Jahren währenden Streit um den wahren 11. September. Seit dem Tattag ist schon so ziemlich alles enthüllt worden: Es gab keine Flugzeuge, nur eine kontrollierte Sprengung. Es gab keine Attentäter, sondern einen "Inside Job" von US-Regierungskreisen. Ins Pentagon schlug kein Flieger, sondern eine Rakete. Dafür wurde die von Passagieren zurückeroberte vierte Maschine von einem Jäger abgeschossen.

Die "Mutter aller Lügen" nennen bekennende Ungläubige die Ereignisversion der US-Regierung, in der Al-Qaida-Terroristen, begünstigt durch allerlei Schlampereien, vier Flugzeuge entführen und zu Waffen umfunktionieren konnten.

Denn das wäre viel zu einfach. Und keine Erklärung für die Unmenge an Ungereimtheiten, die ein Blick auf den Bericht zutage fördert, den der US-Kongress 441 Tage nach den Anschlägen vorlegte. Wie etwa konnte es den Terroristen gelingen, trotz Einreiseverbotes in den USA Flugunterricht zu nehmen? Wie schafften es Terrorpiloten, denen Fluglehrer jede Befähigung zum Steuern einer Kleinmaschine absprachen, große Jets zielgenau in die WTC-Türme zu steuern? Wieso wurden die Stahlträger der Türme vom brennenden Kerosin geschmolzen, obwohl doch der Schmelzpunkt von Stahl weit über der Verbrennungstemperatur von Flugzeug-Treibstoff liegt? Weshalb schließlich sahen Augenzeugen vor dem Einsturz Anzeichen für Sprengungen? Warum stürzte das Hochhaus WTC 7 ein, obwohl es kaum von Trümmern getroffen worden war? Wie konnte eine Boeing von 38 Metern Breite nach dem Angriff auf das Pentagon in einem nur fünf Meter breiten Loch verschwinden? Und wie schafften es Passagiere in den entführten Flugzeugen, mit ihren Handys zu telefonieren? Wo doch später Versuche ergaben, dass es unmöglich ist, eine Verbindung zu bekommen?

Abweichende Antworten haben Dauerkonjunktur, vor allem im Internet. In zahllosen Foren diskutieren selbsternannte "Truther" angebliche und wirkliche Widersprüche; Wahrheitsfilme wie "Zeitgeist" oder "Loose Change" erreichen ein Millionenpublikum. Nicht zuletzt speist sich das Phänomen der Tea-Party in den USA aus dem Lager der "9 / 11 Truther", in dem sich die versammeln, die die amtliche Geschichte vom Angriff der Attentäter aus den Bergen von Afghanistan nicht glauben wollen.

Der Zweifel ist nicht nur im Zielland der Anschläge eine Industrie geworden, die sich von den zahllosen ungeklärten Widersprüchen der offiziellen 911-Geschichte ernährt. Schon 2008 glaubten nach einer Umfrage von WorldPublicOpinion.org 23 Prozent der Deutschen, dass die US-Regierung hinter den Anschlägen steckt. Und fast 90 Prozent waren der Ansicht, dass die US-Regierung nicht die ganze Wahrheit über die Anschläge sage.

Nein, Männer wie der Magdeburger Schriftsteller Wolfgang Schreyer, der mit "Die Legende" einen packenden Reality-Thriller über die Terror-Tage vorgelegt hat, oder der RAF-Experte Gerhard Wisnewski sind keine Märchenerzähler. Beide glauben nicht an absurde Theorien wie Khalezovs Atombombenthese, sondern ziehen ernsthaft an den losen Enden der 911-Geschichte. Wisnewski etwa beschäftigte sich schon seit 1992 mit dem Phänomen Terrorismus und entdeckte dabei "Das RAF-Phantom" (Buchtitel). Seine Theorie: Geheimdienste benutzen Terroristen, um eigene Ziele zu erreichen. Dieses "Phänomen habe ich am 11. September auf globaler Ebene wiedererkannt", sagt der 52-Jährige, der als einer der ersten begann, sich für die logischen Löcher in der amtlichen 911-Erzählung zu interessieren.

Damals habe er wie viele andere zwar darauf gehofft, "dass die offizielle Lügenversion schneller komplett kollabieren würde", gesteht Wisnewski. Aber aus heutiger Sicht halte er es schon für einen Erfolg, dass heute so viele Menschen zweifelten, obwohl auch die Seite der Aufklärer keine schlüssige und schon gar keine einheitliche Tat-Theorie liefere. Dass es Widersprüche zwischen den Erklärungen der Zweifler gebe, sei normal. "Ich würde die Deckungsquote auf 80 bis 90 Prozent schätzen - das ist doch ein guter Wert", sagt Wisnewski.

Nach Meinung des studierten Politikwissenschaftlers wurden zwei Absturzstellen "nur simuliert, und zwar die in Shanksville und im Pentagon". Deshalb die fehlende Einschlagstelle, deshalb die wenigen Trümmer. In das World Trade Center dagegen seien zwei ferngelenkte Drohnen geflogen. "Weil man diese Kamikaze-Anflüge keinen menschlichen Piloten anvertrauen konnte."

Wisnewski steckt tief im Thema. Seit zehn Jahren atmet und isst er den 11. September, denkt er über Sprengmittel und Flugrouten, Geostrategie und ausgetauschte Flugzeuge nach. Die müsse es gegeben haben. "Deshalb tauchten auch plötzlich unbekannte Transpondercodes auf den Radarschirmen der Fluglotsen auf." Eins führt zum anderen: Da der Einschlag der Flugzeuge nicht gereicht habe, die Türme zum Einsturz zu bringen, wurden die wenig später gesprengt. "Für diese Sprengungen gibt es jede Menge wissenschaftliche Beweise", versichert Gerhard Wisnewski.

Und auch genügend Motive. Hintergrund sei die Inszenierung eines Grundes für den Krieg gegen den Islam, also gegen die ölproduzierenden Länder gewesen. "Inszenierte Kriegsgründe gibt es nicht erst seit Pearl Harbor, sondern schon viel länger, das ist schlicht militärische Routine." Schließlich wolle ja jeder in jedem Krieg am liebsten "nur zurückschießen".

Immer trügt der Eindruck

Ein großer Plan also, der aus dem Abstand von zehn Jahren betrachtet nur eben nicht aufgegangen zu sein scheint. Kaum jemals zuvor waren die USA so schwach wie heute, selten nur wirkte die Weltmacht so wacklig wie seit dem 11. September 2001. Ein Eindruck, der trügt, wie Gerhard Wisnewski versichert. "Die USA sind nur verschuldet, aber nicht schwach." Sie seien in Afghanistan, im Irak und in Libyen, sie hätten den Iran eingekreist und unter dem Deckmantel von Uno-Beschlüssen Nordafrika umgekrempelt. Die Verschuldung der USA bedeute Krieg, nicht Schwäche. "Immer folgte darauf enormer Machtzuwachs und eine Ausweitung des Imperiums."

Wie die meisten Zweifler an der amtlichen Tatgeschichte sieht Wisnewski die USA "unbeirrt ihren totalitären Fahrplan" abarbeiten. Der Erfolg des 11. September 2001 zeige sich an den illegalen Kriegen seitdem, aber auch in den Gesetzesverschärfungen nach innen.

Nichts anderes sei Ziel des "totalitären Fahrplans" der wahren Macher der Anschläge gewesen, glauben auch die meisten Diskutanten, die sich immer mal wieder im Internetforum von Sodahead versammeln, um die neuesten Erkenntnisse der 911-Forschung zu diskutieren. Riesige Verschwörung. Bis in höchste Regierungskreise. Weltregierung. Neue Weltordnung. Neokonservative. Spezialeinheiten im Einsatz. Und vorgespiegelte Ungereimtheiten, die von der professionellen Durchführung nur ablenken sollen, das ist Konsens. "Nur ein Problem habe ich", sagt einer, "ich hätte nie gedacht, dass der Bush so schlau ist."