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Verbraucher Verbraucher: Bundesgerichtshof prüft Gaspreisanhebungen

Von Wolfgang Janisch 17.12.2006, 19:31

Karlsruhe/dpa. - Die Gaspreise sindin den vergangenen Jahren drastisch gestiegen und liegen derzeit aufRekordniveau. Da trifft es sich gut, dass der Bundesgerichtshof (BGH)in Karlsruhe an diesem Mittwoch (20.12.) sich erstmals damitbeschäftigt, ob dieses Preisniveau noch angemessen ist.

Auslöser des Grundsatzverfahrens ist die Klage des pensioniertenRichters Klaus von Waldeyer-Hartz aus Heilbronn, dessen Engagementgegen den Preisanstieg ihm in der Region bereits den Titel «Gaspreis-Rebell» eingebracht hat. Er wendet sich gegen Anhebung der Preise zum1. Oktober 2004 um zehn Prozent - und hatte damit zunächst einenAufsehen erregenden Erfolg erzielt: Das Amtsgericht Heilbronnerklärte die Anhebung für ungültig, allerdings korrigierte dasdortige Landgericht das Urteil wieder zu Gunsten der HeilbronnerVersorgungsgesellschaft.

Damit ist nun das höchste deutsche Zivilgericht am Zug, wobei nochnicht feststeht, ob bereits am Mittwoch ein Urteil fällt. Dasjuristische Einfallstor ist Paragraf 315 des BürgerlichenGesetzbuches, eine Art Schutzinstrument gegen Machtmissbrauch. Erermöglicht den Gerichten die Kontrolle, ob ein Preis «nach billigemErmessen» festgesetzt wurde, wenn beispielsweise einVersorgungsunternehmen einseitig die Tarife festsetzen darf. Das hatder BGH etwa bei der Strom- und Wasserversorgung so gesehen, so dassbeim Gas nichts anderes gelten wird.

So kommt es, dass sich in den letzten zwei Jahren von denAmtsgerichten bis zu den Oberlandesgerichten der Republik die Urteilezu Gunsten der Gaskunden häufen. Dennoch diagnostiziert HolgerKrawinkel, Energieexperte von der Verbraucherzentrale Bundesverband,Unsicherheiten beim Thema Gaspreiskontrolle. «Die Richter warten aufdas BGH-Urteil.»

Denn noch sind wesentliche Fragen nicht höchstrichterlichentschieden: Inwieweit müssen die Energieversorger ihrePreiskalkulation offen legen, um den Gerichten und denSachverständigen die Ermittlung des «angemessenen Preises» zuermöglichen? Wie stark ist die an hohe Gewinne gewöhnte Branche, diesich nicht gern in die Karten schauen lässt, durch dasBetriebsgeheimnis geschützt? Und schließlich: Welche Kosten kann derVersorger eigentlich einrechnen - dürfen etwa Stadtwerke, diedefizitäre Bäder und Busse der Kommunen quersubventionieren, dies beider Preiskalkulation veranschlagen?

Bekommt von Waldeyer-Hartz Recht, dann wird der auf diejuristische Prüfung beschränkte BGH den Fall zurückverweisen müssen,um diese Fragen klären zu lassen. Jedenfalls begibt sich dasKarlsruher Gericht damit auf ein Feld, auf dem andere ebenfallskämpfen - wenn auch bisher mit mäßigem Erfolg: Die Bundesnetzagenturhat zwar mehrfach die Entgelte der Netzbetreiber für die Durchleitungvon Gas um bis zu 25 Prozent gesenkt; auf die Preise für dieEndkunden hat dies aber bisher wenig Auswirkungen gehabt. Und dasBundeskartellamt bemüht sich um eine Liberalisierung und Öffnung desMarktes, doch an den monopolartigen Strukturen hat das weniggeändert.

Anders als Regulierungsbehörde und Kartellwächter setzen dieKarlsruher Richter direkt am Verbraucherpreis an. Das sieht zwareinfacher aus als das Aufbrechen von Monopolen. Doch im BGH selbstwird die Frage aufgeworfen, ob Zivilgerichte damit nicht überfordertsind. Energie gehöre zur Daseinsvorsorge, so dass der Staat - trotzaller Privatisierung - wohl um eine gewisse Preisregulierung nichtherumkomme, sagte BGH-Richterin Barbara Ambrosius im Frühjahr beimDeutschen Mietgerichtstag. Weil dabei aber die Spannbreite derProbleme vom europäischen Kartellrecht bis zur volkswirtschaftlichenTheorie reiche, sei die Preiskontrolle ein sehr kompliziertesUnterfangen: «Schon wegen dieser Komplexität kann man fragen, ob dieZivilgerichte mit Hilfe des Paragrafen 315 prädestiniert sind, dieAufgaben einer staatlichen Regulierungsbehörde zu übernehmen.»