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Tierzucht Tierzucht: Gefährliche Antibiotika-Resistenzen

Von Katja Tichomirowa 23.07.2012, 19:05

Berlin/MZ. - Allein in den Ländern der Europäischen Union (EU) sterben jährlich 25 000 Menschen an schweren Infektionen, die mit Antibiotika nicht mehr zu behandeln sind. Verantwortlich für diese Resistenzen ist auch der massenhafte Einsatz dieser Arznei in der Tierhaltung. Mit einer Änderung des Arzneimittelgesetzes will Bundeslandwirtschaftsministerin Ilse Aigner (CSU) nun gegen die Verwendung von Antibiotika in der Tiermast vorgehen. Ziel des Gesetzentwurfs, der der MZ vorliegt, ist es, den Gebrauch von Antibiotika zu reduzieren und die Ausbreitung von Resistenzen zu verhindern.

Erst in der vergangenen Woche hatte das Ministerium einräumen müssen, dass in der Tiermast bundesweit mehr als die bislang angenommenen 780 Tonnen Antibiotika jährlich verabreicht werden. Das Ministerium geht davon aus, dass 100 Prozent der Mastkälber, 90 Prozent des Mastgeflügels und etwa 50 Prozent der Mastschweine in Deutschland mit Antibiotika behandelt werden.

Der Gesetzentwurf will Tierhalter nun verpflichten, ihren Antibiotikaverbrauch zu dokumentieren. Überschreiten Betriebe wiederholt und in erheblichem Umfang die "Kennzahl der Therapiehäufigkeit" müssen sie unter Hinzuziehung eines Tierarztes Rechenschaft ablegen und einen schriftlichen Plan zur Verringerung des Antibiotikaeinsatzes vorlegen. Dessen Einhaltung soll von der Behörde überwacht werden.

Dem agrarpolitischen Sprecher der Bundestagsfraktion von Bündnis 90 / Die Grünen, Friedrich Ostendorff geht der Gesetzentwurf nicht weit genug. "Verbesserte Dokumentationspflichten machen noch keine Reduktionsstrategie aus", sagte Ostendorff der MZ. Angesichts der rasanten Ausbreitung von Resistenzen fordert Ostendorff "klare Reduktionsziele".

Dass der Einsatz von Antibiotika ein völlig absurdes und gefährliches Ausmaß erreicht habe, hätten Studien in Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen gezeigt. "Ministerin Aigner wagt sich aber weder an die Bestandsgrößen noch an Regeln für die Tierhaltung", kritisierte Ostendorff. Auch die Frage der Mengenrabatte auf Antibiotika oder der Regeln für die Behandlung der Tiere blieben ungeklärt. "Wir fordern eine flächengebundene Tierhaltung und Festpreise für Antibiotika, um den inflationären Einsatz der Arzneimitteln einzudämmen", sagte Ostendorff.

In einem Monitoring hatte das Bundesamt für Verbraucherschutz 2010 einen deutlichen Anstieg der Resistenzraten bei Masthähnchen und -kälbern festgestellt. Über den Verzehr von Fleisch, dass mit resistenten Keimen verunreinigt ist, können diese auch auf den Menschen übergehen. Gravierend sind zudem die Auswirkungen der Antibiotikarückstände, die über die Ausscheidungen der Tiere in den Boden, ins Grundwasser und die Luft gelangen.

Den Anstieg der Antibiotikaresistenzen beim Menschen stuft die Weltgesundheitsorganisation inzwischen als kritisch ein. Dieser Situation werde der Gesetzentwurf nicht gerecht, moniert die stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Grünen, Bärbel Höhn. "Die von der Bundesregierung vorgeschlagenen Maßnahmen sind zu lasch", sagte sie. "Todesfälle von immungeschwächten Personen durch resistente Keime sind aber ein zu hoher Preis für die Produktion von Billigschnitzeln."