Textilmarkt Textilmarkt: Sächsische Firma webt historische Stoffe

Crimmitschau/dpa. - Wenn ein Schloss einen neuen Damastvorhangbenötigt, klingelt bei Wolfgang Eschke in Crimmitschau (Sachsen) dasTelefon. Die Firma eschke seidenmanufaktur, die er mit Ehefrau Helgaführt, hat sich darauf spezialisiert, historische Stoffeherzustellen. Das macht die Crimmitschauer bundesweit einmalig, oderwie es Wolfgang Eschke sagt: «Wir sind die einzigen in Deutschland,deren Unternehmenszweck die Rekonstruktion historisch wertvollerTextilien ist.» Es ist ein enges Segment, das sich Eschkes ausgesuchthaben.
Vom ersten Kontakt mit den Kunden bis zur Auslieferung dauert esrecht lange. Im Durchschnitt arbeitet die Firma etwa zwei Jahre aneinem Auftrag. «Damit können Sie keine 100 Mann ernähren», sagtWolfgang Eschke. Außer dem Ehepaar sind nur eine Weberin und eineAuszubildende fest angestellt, mehr ist bei einem Jahresumsatz vonrund 300 000 Euro nicht drin. Je nach Auftrag werden 10 bis 15weitere Kräfte beschäftigt. «Wir machen das wirklichwissenschaftlich», sagt Eschke.
Zunächst wird ein Befund des Fadens vorgenommen. Welche Drehung,welche Struktur hat er, wie ist die technische Charakteristik desStoffes? Dann wird das Original eingescannt und mit einemDesignprogramm bearbeitet, die technische Einrichtung wird imComputer hinterlegt. Trotz aller Technik überprüft dann eineDesignerin, ob der Scan auch wirklich mit dem Original übereinstimmt.Schließlich wird das Material eingefärbt - «das Garn einfärben, nichtden Stoff!», merkt Eschke an -, auf die Maschine gelegt und gewebt.
Trotz der modernen Technik - «100 Prozent Rekonstruktion gehtnicht», sagt der gelernte Textilingenieur. Darauf mache er auch dieKunden immer aufmerksam. «Die Zeit ist nicht zu rekonstruieren.» Alsviele Originale entstanden, arbeiteten allein im französischenTextilzentrum Lyon rund 30 000 Menschen. Zu Irritationen führtmanchmal, dass die Farben sehr knallig ausfallen. Dabei wollen einigeKunden gar nicht, dass ihr Wandteppich oder Stuhlbezug wie neuaussieht, sie hatten sich an den morbiden Charme gewöhnt. «Alt wirdes von alleine», sagt Eschke schulterzuckend und versucht, auchdiesen Kundenwunsch zu berücksichtigen.
Bereits seine Vorfahren webten Brokate und Damaste. UrgroßvaterRobert gründete 1868 die Firma als Baumwollweberei in Mühltroff imVogtland, die sich seit 1966 auf die Rekonstruktion historischerStoffe konzentriert. 1972 verstaatlicht, kaufte Wolfgang Eschke dieFirma 1992 schließlich von der Treuhand zurück. Seit 2003 wird derBereich historische Seide von Helga Eschke weitergeführt.
Mittlerweile ist die Firma über die deutschen Grenzen hinwegbekannt. Vor wenigen Monaten erhielt Eschke einen großen Auftrag fürdie Hofburg im österreichischen Innsbruck. Dort mussten fünf Räumemit Damasten und Brokatellen geschmückt werden. «Das war schwierig»,erinnert er sich. «Im Brokatell gab es über 40 verschiedeneBindungskonstruktionen.» Europaweit gibt es nach seiner Einschätzungnur fünf Unternehmen auf diesem Gebiet, neben eschke noch jeweilszwei aus Frankreich und Italien. «Neueste Technik, altes Produkt»,umschreibt Eschke prägnant seinen Vorteil. Das überzeugt anscheinend- auf seiner Referenzenliste findet sich auch die Kutsche desschwedischen Königs.
Derzeit ist die Auftragslage gut, viele Museen bringen ihreEinrichtung mit Mitteln aus dem Konjunkturpaket wieder in Schuss.Doch ist ein Kunde erst einmal versorgt, dauert es lange, bis ererneut kommt. «Ordnungsgemäß angebracht hält das 40, 50 Jahre», weißEschke. Daher setzt er verstärkt auf Privatkunden. «Es gibtLiebhaber, die sagen: "ich will genau die Seide, die ich in Meiningengesehen habe"», erzählt er. Geld spielt keine Rolle, viele Kundensparen jahrelang, um sich endlich den Traum eines originalnachgemachten Vorhanges oder einer Wandbespannung zu erfüllen. Auchein Hochzeitskleid wurde bereits in Crimmitschau bestellt. Von einerLänge von sechs Metern aufwärts gilt: «Wir machen nahezu alles.»