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Teure Zentimeter Teure Zentimeter: Warum eine Penis-OP einen Sachsen nicht glücklich gemacht hat

Von Ralf Böhme 04.05.2017, 12:13
In der Antike kam es wohl nicht auf die Größe an. Der David von Michelangelo, die berühmteste Skulptur der Welt, gilt trotz überschaubarer Männlichkeit als Inbegriff der Schönheit.
In der Antike kam es wohl nicht auf die Größe an. Der David von Michelangelo, die berühmteste Skulptur der Welt, gilt trotz überschaubarer Männlichkeit als Inbegriff der Schönheit. imago stock&people

Halle (Saale) - Je größer der Penis, desto stärker die Gefühle? Marcel, wie der junge Mann diskret genannt werden will, glaubt fest daran. Deshalb hat der 28-Jährige sein Geschlechtsteil vergrößern lassen.

Anders als Mediziner versteht der Selbstständige aus Sachsen sein bestes Stück nicht als Zusammenspiel von Bindegewebe, Schwellkörper, Nerven und Haut. Ihm bedeutet die ganze Pracht viel mehr. Marcel: „Es ist so etwas wie der Schlüssel zum Glück.“ Wer mehr in der Hose habe, komme bei Frauen an. Gut acht Zentimeter hätten ihn selbst zweifeln lassen. „Deshalb habe ich nachhelfen lassen.“ In einer Klinik in Darmstadt lässt er sich im Mai 2016 operieren. Dreieinhalb Zentimeter beträgt das Plus. Unterm Strich sind es jetzt exakt 12,4 Zentimeter. Und ein Stückchen dicker sei der Penis auch noch geworden.

Gesellschaft für Plastische Chirurgie: Jährlich 2.800 bis 3.000 Penisvergrößerungen bundesweit

Nach dieser Beschreibung, die Marcel ungefragt und ohne Scham liefert, muss man nun wohl von Traummaßen sprechen. Denn die Größe liegt nach seinen Angaben jetzt deutlich über dem deutschen Durchschnitt. Beim Umfang fehle aber ihm zufolge bislang eine verlässliche Statistik.

Marcel ist kein Einzelfall. Die Gesellschaft für Plastische Chirurgie geht von jährlich 2.800 bis 3.000 Penisvergrößerungen bundesweit aus. Die Tendenz sei steigend, auch weil viele ausländische Patienten dazu nach Deutschland kämen. Dabei sind solche Eingriffe aus medizinischen Gründen nur selten erforderlich. Ausschlaggebend ist allein der Wunsch des Kunden nach mehr.

Ein deutscher Durchschnittspenis bringt es nur auf 8,7 Zentimeter. Das geht aus einer Studie hervor, veröffentlicht im britischen Urologie-Fachmagazin. Demnach bleiben die Männer hierzulande zufolge unter der internationalen Norm. Ihr liegen Befragungen von Männern in 20 Ländern zugrunde. Der danach errechnete Standard liegt bei 9,1 Zentimetern. Hervorstechen nach eigenen Angaben die Franzosen mit 10,7 Zentimeter.

Junger Sachse zahlt 10.000 Euro für seine Penisvergrößerung

Marcel liegt jetzt noch vor den Franzosen. Fragen bringen ihn, der redegewandt und aus gutem Hause ist, jedenfalls nicht in Verlegenheit. „Ja, ich will schon perfekt sein!“ Um dem eigenen Anspruch zu genügen, legt er sich tüchtig ins Zeug. Da gehört nicht nur die wöchentliche Visite im Sonnenstudio dazu. Für Arme, die so kräftig sind, muss man schon nach Plan seine Gewichte stemmen. Und die blonden Haarsträhnchen sind auch kein Zufall.

„Qualität hat ihren Preis.“ Das ist noch so ein Satz, der für Marcel wie in Stein gemeißelt ist. 10.000 Euro habe er für die Penisvergrößerung bezahlt. Das sei aber viel zu viel, meint er. Das Preis-Leistungs-Verhältnis stimme nicht. Mit Frauen läuft es nach der OP genauso wie vorher. „Ich war auf mehr Lustgewinn aus, aber der ist ausgeblieben.“

Die große Enttäuschung löst bis heute ein Wechselbad der Gefühle aus. Auf der einen Seite: Die gewonnenen Zentimeter sind nicht zu übersehen, eine saubere Arbeit. Auf der anderen Seite: Er ist immer noch allein. Überraschenderweise kommt es Frauen nicht allein auf die Größe an. Denkt Marcel daran, verflucht er sich und die Welt. Grübeleien bringen ihn um den Schlaf. Ist das Lustzentrum gestört? Ein Gutachten, ein Rechtsstreit mit der Klinik, vielleicht sogar eine erneute Operation - all das verwirft Marcel mittlerweile. Aber er will warnen. Deshalb habe er sich an die MZ gewandt. „Liebe Männer, überlegt es euch dreimal, bevor ihr eine Penisvergrößerung machen lasst“, so seine Botschaft.

Sexualwissenschaftler: „Der Wunsch nach Schönheit ist völlig legitim“

Noch ist Marcel nicht mit sich im Reinen. Ein Patentrezept kann es nach Auffassung von Professor Heinz-Jürgen Voß, Sexualwissenschaftler der Hochschule in Merseburg, aber nicht geben. Der Forscher hält es für möglich, dass Unzufriedene wie Marcel einfach Zeit brauchen, um die Penisverlängerung zu verkraften. „Da läuft eine Normalisierung ab, körperlich und seelisch.“ Entschieden äußert sich Voß zu diesem Punkt: „Der Wunsch nach Schönheit ist völlig legitim.“ Doch sollte man sich da nichts vormachen. Operationsergebnis und die Vorstellung davon, was der Eingriff eigentlich bewirken sollte, können auseinander gehen.

Deshalb sollte man prüfen, ob die OP überhaupt die Lösung des Problems sein könne. Liegt der Konflikt beispielsweise in der psychosozialen Entwicklung, warnt der Forscher, könne der Eingriff den Leidensdruck kaum auflösen.

Das insgesamt gestiegene Interesse an Schönheits-Operationen führt Voß auf neue medizinische Möglichkeiten, aber noch mehr auf neue Erwartungshaltungen der Geschlechter zurück. Spätestens seit David Beckham würden althergebrachte „Schubladen“ nicht mehr funktionieren. Der britische Fußballer fiel zuletzt weniger mit perfekten Flanken auf, eher versetzte sein gestyltes Outfit in Entzücken. Voß: „Ein Mann sollte heutzutage nicht nur stark, sondern auch schön sein.“ Das könne auch eine Penis-Vergrößerung beinhalten.

In Südafrika ist die Transplantation eines Penis nach Verlust gelungen

Medizin und Forschung bieten eine reiche Auswahl an Alternativen an, wenngleich das Plus an Schönheit aus der eigenen Tasche bezahlt werden muss. Das sind Richtpreise: Die Korrektur des Augenlids 1.700 Euro, eine schönere Nase gibt es für 4.000. Größere Brüste kosten 6.500 Euro, die Straffung der Bauchdecke ist noch teurer. Haare statt Glatze, dann stehen 5.200 Euro auf der Rechnung. Kein Problem mehr ist die Korrektur eines so genannten Mikropenis. Das ist immer dann der Fall, wenn das gute Stück im erigierten Zustand unter 7,5 Zentimetern bleibt. Und da springen auch die Krankenkassen ein.

Mühsam ist das Geschäft trotzdem. Für einen vergrößerten Penis kommt lebendes Fettgewebe von den Innenseiten der Oberschenkel zum Einsatz. Es wird aufwendig aufbereitet, gereinigt und schließlich unter die Penishaut geschoben. Ein kleiner Einschnitt genügt zumeist, um ins Operationsgebiet zu gelangen. Erfahrene Operateure versichern, dass Nervenstränge dabei nicht verletzt würden und Risiken beherrschbar seien.

Dass eine Penisvergrößerung unter bestimmten Umständen tatsächlich hilfreich ist, beweist ein Blick in einschlägige Patienten-Portale. Neben kritischen Meinungen finden sich dort solche Beispiele: „Ich bin echt froh, dass sich mein Mann für diese Operation entschieden hat“, schreibt eine Frau. Anfänglich sei sie sehr skeptisch gewesen, aber er fühle sich jetzt besser. Es habe sich gelohnt - für beide Seiten.

Medizinisch ist vieles möglich. Sogar die Transplantation eines Penis nach Verlust ist in Südafrika schon gelungen. Der Patient hat ein Kind zeugen können. Marcel übrigens wünscht sich vorerst keinen Nachwuchs, trotz großem Penis. „Ich bin noch nicht soweit.“

Ärzte arbeitet weltweit um Verlust eines Penis beheben zu können

Mediziner arbeiten weltweit daran, auch den Verlust eines Penis beheben zu können. In den USA stellt die John-Hopkins-Universität gerade ein ambitioniertes Programm auf die Beine. Mehr als 60 Penis-Transplantationen sind geplant, zumeist an kriegsversehrten Soldaten. Zeitgleich probieren Wissenschaftler in North Carolina noch einen anderen Weg aus. Dazu benötigen sie einen Penis von einem Organspender. Er dient als „Gerüst“. Darauf werden dann körpereigene Zellen des Empfängers angesiedelt und angepasst. Die Zulassung erster Tests an Patienten sollen die Forscher beantragt haben.

Auch Frauen entdecken mehr und mehr die Möglichkeiten von operativen Veränderungen im Genitalbereich. Dabei geht es häufig um die Verengung der Scheide sowie um die Optimierung der Schamlippen. Letzteres hilft zum Beispiel Frauen, die extrem leiden, weil sie Probleme beim Reiten oder Radfahren haben. Manche wollen damit auch ihre sexuelle Beziehung verbessern. Befördert werden Wünsche nach solchen Korrekturen durch den anhaltenden Trend zur Intimrasur. Wie bei jedem operativen Eingriff können aber Komplikationen nicht gänzlich ausgeschlossen werden.

(mz)