Steueroase Steueroase: Norderfriedrichskoog bangt um seine Zukunft

Norderfriedrichskoog/dpa. - Doch die Menschen dort bangen zunehmend um ihrefinanzielle Zukunft. Da der Gesetzgeber nach und nach bestehendeSteuerschlupflöcher schließt, könnten sich die Unternehmen schon baldwieder aus dem Ort verabschieden - und damit auch die Mieteinnahmenfür die Bewohner.
«Auf meinem Hof habe ich Räume an zehn Firmen vermietet. Wenn diegehen, würde das ganz schon ins Kontor schlagen», erzähltNorderfriedrichskoogs Bürgermeister Hinrich Thiesen. «Keine Ahnung,was wir dann machen.» Nur noch acht der 13 Bauernhöfe vor Ort werdenbewirtschaftet. Schließlich zahlen die Unternehmen den Besitzern fürBüroräume Mieten wie in Großstädten. Bislang haben die Gesellschaftendas billigend in Kauf genommen - schließlich müssen sie in dem Dorfseit Jahren keine Gewerbesteuer zahlen. «Dieser Standortvorteil istdurch Gesetzesänderungen aber bereits größtenteils Geschichte», sagtKurt Friedrich vom Kieler Finanzministerium - und imVermittlungsausschuss von Bundestag und Bundesrat schlummern Vorlagenzur Beseitigung letzter Steuerlücken.
Erste Firmen seien bereits abgezogen, sagt Bürgermeister Thiesen.Auch die Lufthansa schließt Konsequenzen aus der neuen Situationnicht aus. «Natürlich haben wir das zur Kenntnis genommen und prüfenalternative Standorte», sagt eine Frankfurter Lufthansa-Sprecherin.Die zahlreichen Leasing-Firmen - jede steht für eine Maschine, diewiederum an Lufthansa-Gesellschaften vermietet wird - könntenNorderfriedrichskoog also den Rücken kehren.
Nach den Anfang des Jahres verabschiedeten Änderungen müssen dieMutterunternehmen an ihrem Sitz für die Erträge ihrer Beteiligungenin Nordfriesland Gewerbesteuer zahlen. Für Personengesellschaftenbestehen dabei allerdings noch günstigere Anrechnungsbedingungen.Deswegen wird nun für alle Gemeinden ein vorgeschriebenerMindesthebesatz bei der Gewerbesteuer von 200 Prozent erwogen. «Wegendes Verwaltungsaufwandes und der Abgaben an Land und Bund müssten wiraber 290 Prozent nehmen, um kostenneutral zu arbeiten», sagt Thiesen.Damit wäre Norderfriedrichskoog steuertechnisch endgültig nur nocheine Kommune unter vielen. Allerdings ist ein Mindesthebesatz ausSicht des Bürgermeisters rechtlich bedenklich. Er prüft bereits eineKlage. «Wenn es lohnt, würden wir vor Gericht ziehen.»
Doch selbst wenn es keine weitere Gesetzesänderung gibt, gerät diekleine Gemeinde bald unter finanziellen Zugzwang. Bislang konnte sieauf Grund- und Gewerbesteuer verzichten, weil die Bauernhofbesitzerals Kaufpreis für ihr Land zusammen rund 25 000 Euro jährlich an dieGemeinde zahlen und so deren Haushalt großenteils finanzieren. DieseZahlungen laufen Thiesen zufolge 2006 aus: «Und dann müssten auch wirüber neue Steuern nachdenken.»