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Steuer-Affäre: Postchef Zumwinkel tritt zurück

15.02.2008, 15:57

Berlin/Bonn/dpa. - Mit dem Rücktritt von Klaus Zumwinkel als Vorstandschef der Deutschen Post und hunderten von weiteren Ermittlungsverfahren nimmt die Affäre um Steuerhinterziehung über Konten in Liechtenstein beispiellose Ausmaße an.

Zumwinkel erklärte am Freitag - einen Tag nach der Razzia der Staatsanwaltschaft in seiner Villa und seinem Büro - seinen Rücktritt. Er werde sein Amt «im Interesse des Unternehmens» zur nächsten Aufsichtsratssitzung am Montag niederlegen, teilte die Post in Bonn mit. Sein Fall ist aber erst der Beginn einer Welle von mehr als tausend Steuerstrafverfahren, bei denen auch weitere Prominente ins Visier kommen dürften. Es handle sich um eine vierstellige Zahl, hieß es am Freitag aus Regierungskreisen in Berlin.

Die Bundesregierung als Großaktionär der Deutschen Post AG nahm Zumwinkels Rücktrittsangebot umgehend an. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) nannte den Schritt «unvermeidbar». «Ich glaube, es geht mir wie vielen Menschen in Deutschland: Das ist jenseits dessen, was ich mir habe vorstellen können, und was viele sich haben vorstellen können», sagte Merkel. Nachfolger Zumwinkels soll nach Informationen aus Regierungskreisen Logistikvorstand Frank Appel (46) werden.

Nach den Worten eines Sprechers von Bundesfinanzminister Peer Steinbrück (SPD) wird gegen «sehr viele» bekannte und weniger bekannte «Leistungsträger» wegen Steuerflucht nach Liechtenstein ermittelt. Das Ministerium riet Betroffenen zur Selbstanzeige. Dieses Instrument sehe das deutsche Steuerstrafrecht vor. Laut süddeutsche.de soll es 900 Durchsuchungsbeschlüsse geben. Gegen 120 bis 150 Verdächtige werde ermittelt. Dabei gehe es um eine Gesamtsumme von 3,4 Milliarden Euro, die am Fiskus vorbei nach Liechtenstein geflossen sei.

Zumwinkel wird vorgeworfen, Gelder in einer liechtensteinischen Stiftung versteckt zu haben. Ein Haftbefehl gegen den Postchef war am Donnerstag nach seiner Vernehmung durch die Bochumer Staatsanwaltschaft gegen eine hohe Kaution ausgesetzt worden.

Steinbrück sagte dem Sender N24: Er habe den Rücktritt Zumwinkels «für richtig erachtet, auch notwendig, um es ehrlich zu sagen, weil es der deutschen Öffentlichkeit nicht vermittelbar gewesen wäre, dass jemand, der zugibt, dass er dem Tatbestand der Steuerhinterziehung entspricht, in dieser Funktion bleibt.»

Zumwinkel, der fast 18 Jahre an der Spitze der Post stand, galt als einer der angesehensten und mächtigsten deutschen Spitzenmanager. Regulär wäre sein Vertrag Ende des Jahres ausgelaufen. Formal soll der Post-Aufsichtsrat den Rücktritt Zumwinkels am Montag vollziehen.

In den nächsten Tagen könnten in ganz Deutschland Razzien anlaufen, hieß es im «Handelsblatt» unter Berufung auf Ermittlerkreise. Die Fahnder haben nach diesen Informationen offenbar massenhaft Unterlagen aus der LGT-Bank erhalten, die dem Fürstenhaus in Liechtenstein gehört. «Wir haben die ganze Bank geknackt», sagte ein Ermittler dem «Handelsblatt». Woher die Datensätze stammen, sei noch nicht klar. Die Daten waren in Deutschland über den Bundesnachrichtendienst an die Bochumer Staatsanwaltschaft gelangt.

Auch die LGT-Bank untersucht die Vorwürfe der Steuerhinterziehung gegen Zumwinkel. «Es laufen im Moment Abklärungen», sagte LGT-Sprecher Bernd Junkers. Er verwies jedoch darauf, dass die für die Einrichtung von Stiftungen zuständige LGT-Treuhand eine unabhängige Tochter der Liechtenstein Global Trust sei. «Wir haben die entsprechende Medienberichterstattung zur Kenntnis genommen», sagte der Sprecher lediglich, ohne auf weitere Einzelheiten einzugehen.

Den Managern in Deutschland fehlt es nach Ansicht des Kasseler Wirtschaftsethikers Michael Aßländer zum Teil an moralischem Bewusstsein. «Den Manager, der sagt ?So etwas machen wir nicht?, gibt es nicht mehr», sagte der Kasseler Professor für Wirtschafts- und Unternehmensethik in einem dpa-Gespräch. Heute gebe es einen «anderen Zeitgeist» in den Chefetagen. «Belohnt wird nicht, wer besonders moralisch, sondern wer besonders clever ist. Die Hemmschwelle zum unredlichen Handeln ist niedriger geworden.»