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Steinkäuze kämpfen ums Überleben

Von Eva Gerten 01.06.2009, 09:14

Xanten/dpa. - Apfelwiesen mit verschiedenen Sorten wie der roten Sternrenette, dem weißen Klarapfel oder dem Grafenberger sind selten geworden. Inmitten dieser alten Obstbäume aber und sonst nirgends hat der Steinkauz seinen Lebensraum.

Er braucht ungedüngte Streuobstwiesen, nach Möglichkeit kurz gehalten vom Vieh. Dort findet er reiche Beute: Käfer, Grillen, Mäuse. Auf der Roten Liste der Brutvögel Deutschlands ist der Steinkauz als stark gefährdet eingestuft.

Auf der Bislicher Insel, einem Naturschutzgebiet bei Xanten am Niederrhein, betreibt der Naturschutzbund NABU seit Jahren ein großes Siedlungsprojekt, um das Überleben des Steinkauzes zu sichern. Gerd Böllerschen und Karl-Heinz Alshut investieren viel Kraft und Freizeit für den Erhalt der kleinen Eulenart am Niederrhein. Sie nennen sich selbst «Eule 1» und «Eule 2». «Das können die Schulkinder besser behalten, wenn sie mit uns Exkursionen machen», sagt Böllerschen (65). Die Spitznamen zeigen aber auch den humorvollen Optimismus, mit dem die beiden ihre Arbeit machen.

Nordrhein-Westfalen ist Steinkauz-Land, der Rest Deutschlands jedoch von dem possierlichen Eulentier nahezu verwaist. Bundesweit gibt es nach NABU-Angaben rund 7000 Brutpaare, davon nisten fast 6000 zwischen Rhein und Weser. Zum Vergleich: In Niedersachsen wurden zuletzt nur 200 Steinkauz-Paare gezählt.

Die Steinkäuze bevorzugen als Heimat die westfälischen Kreise Soest, Coesfeld und Steinfurt und vor allem die Niederrhein- Landschaft zwischen Wesel und Kleve. Hier hält sich ihr Bestand seit einigen Jahren konstant. Das liegt daran, dass in den Rheinauen der Lebensraum für die Tiere am ehesten stimmt. Die charakteristischen Kopfbäume bieten ebenso wie die alten hochstämmigen Obstsorten Nistplätze in Hohlräumen und Astlöchern sowie ein Nahrungsangebot in nächster Nähe. Mit großen Ackerflächen hat der Steinkauz nichts im Sinn.

Wenn sich die Bedingungen nur geringfügig verändern - sei es, dass Weideland plötzlich in Heuwiesen umfunktioniert wird - dann hat dies Konsequenzen für den sensiblen Kauz. Bestenfalls wandert er woanders hin. Schlimmstenfalls verhungert er. Um Xanten herum hat der NABU 146 hölzerne Bruthöhlen in die Bäume gehängt. Immer zwei in enger Nachbarschaft: einen für das Weibchen mit den Jungen und einen für den Vater, der Futter heranbringt und Vorräte anlegt.

Zur Zeit haben die rund 70 Paare, die «Eule 1» und «Eule 2» betreuen, wenige Tage alte Küken. Mit ihrem hellgelben Flaum drängen sie sich dicht an die Mutter, die vier Wochen lang die Höhle nicht verlässt. Wenn Hunger herrscht, stößt sie einen krächzigen Bettelschrei aus. Dann lässt das Männchen nicht lange mit einem Happen für die Nachkommen auf sich warten.

Böllerschen und Alshut zählen in diesen Tagen die Jungen. Dazu dürfen die beiden Naturschützer auch vorsichtige Blicke in die Nistkästen riskieren. So leise und vorsichtig sie sich dabei auch verhalten: Wenn die Steinkauzmutter Gefahr wittert, drückt sie sich mit ihren Kleinen in eine Ecke und verharrt ganz still - sie stellt sich tot.

Der Volksmund nannte die kleine Eule oft Kobold. Allerdings erhielt sie auch einen schaurigen Beinamen: Todesvogel. Den verdankt der Steinkauz der einstigen Gewohnheit der Menschen, nachts eine Kerze ins Fenster zu stellen, wenn jemand gestorben war. Die Nachtfalter, die das helle Licht umschwärmten, lockten auch das Käuzchen an. Sein schriller Ruf, sein geräuschloser Anflug und seine geheimnisvolle Erscheinung mit den großen gelben Augen wirkten auf viele Menschen furchteinflößend. Gleichwohl waren Steinkäuze auf den Gehöften gern gesehene Gäste, denn sie hielten Ställe und Scheunen von Mäusen frei.

[Brutgebiet]: Bislicher Insel, Xanten