Stadtumbau Stadtumbau: «DDR-Platte hält noch 100 Jahre»

Coswig/ddp. - Die WohnungsgenossenschaftCoswig/Sachsen (WGC) nennt es «ein Mehrgenerationenwohnhaus mitGeschäften und Dienstleistungsläden». Bis auf eines seien alle 75Appartements mit Größen von 44 bis 110 Quadratmetern bereitsvermietet. Die Grundrisse der bisherigen Wohnungen seien verändertworden. Ab September werden die neuen Mieter einziehen.
Dem Projekt ist vom Freistaat Sachsen Modellcharakter bescheinigtworden, wie das Dresdner Innenministerium bestätigte. Dabei haben dasstimmige Gesamtkonzept, das vielfältige Wohnungsangebot mit denunterschiedlichen Größen sowie die Energieeinsparungen durchGeothermie überzeugt. Die Sächsische Aufbaubank und die Kreditanstaltfür Wiederaufbau gewährten zinsgünstige Darlehen für das Bauprojekt,das insgesamt 3,5 Millionen Euro kosten soll.
Ministeriumssprecher Lothar Hofner hob hervor, dass derTeilrückbau mit teilweiser Aufstockung der Bausubstanz demÜberangebot an Wohnraum entgegen wirke. Nach der Sanierung sei nichtmehr zu erkennen, dass es sich um einen industriellen Plattenbauhandelt. Das Energiekonzept senkt sowohl den Kohlendioxid-Ausstoß alsauch die Nebenkosten für die Mieter.
Ursprünglich seien DDR-Plattenbauten zur schnellen Beseitigung derWohnungsnot für eine Lebensdauer von 50 Jahren konzipiert worden,erinnert sich Wolf-Rüdiger Eisentraut. Der Architekt aus Berlin waran der Entwicklung der Wohnungsbauserie 70 sowie am Bau des Palastesder Republik in Berlin beteiligt. Für die DDR-Hauptstadt hatte erKultur- und Handelsbauten entworfen, die sich schon seinerzeit voneinheitlichen Wohnblöcken abhoben. Nun attestiert der Experte der«DDR-Platte» eine Lebensdauer von noch 100 Jahren.
Seit der Wende entwickelt der Architekt Konzepte für den Umbau vonPlattenbauten und der Nachnutzung von industriell gefertigtenBauteilen, etwa für Eigenheime. In Coswig war Eisentraut zwar nichtbeteiligt, allerdings setzt der Berliner Baufachmann ähnlicheZukunftskonzepte für Plattenbauten um: Lange Zeilen und dicht bebauteSatellitenstädte werden ausgedünnt, einzelne Etagen von Wohnblöckenabgetragen und Grundrisse von Wohnungen völlig verändert.
«Fahrstühle gehören ins Gebäude und nicht außen angebaut», findetEisentraut. Fachleuten eröffne die Statik der Plattenbauten genügendkostengünstige Möglichkeiten für attraktive Sanierung.
Auch der Rückbau sei ohne Zerstörung oder Beschädigung derBauelemente möglich, fügt Eisentraut hinzu. Er weiß aber auch davonzu berichten, dass Abrissfirmen häufig den zusätzlichen Aufwandscheuten, so dass intakte Wohnungsbauplatten oftmals einfachabgebrochen und zu Recycling-Kies für den Straßenbau zerkleinertwürden. Nicht wirtschaftlich sei auch der Transport abgebauterPlattenelement, um Obdachlosigkeit in anderen Teilen der Erde zubekämpfen. Die Kosten dafür seien zu hoch, sagt Eisentraut unterVerweis auf vorliegende Studien.
In den nächsten Jahren sollen in Coswig noch zwei größere«Platten» in einen Terrassen- und einen Silhouettenbau umgestaltetwerden. Alle Plattenbauten aus den 1970er Jahren waren nach der Wendebereits erstmals saniert worden. Die WGC wird nach eigenen Angabenperspektivisch ihren Wohnungsbestand durch Abriss und Umbau um etwa250 auf 3200 absenken. Den derzeitigen Leerstand gibt dieGenossenschaft mit acht Prozent an.