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Sportartikel Sportartikel: Synthetik-Fußballschuhe setzen Modetrends

08.06.2006, 06:56
High-Tech-Fußballschuh von Real Madrids englischem Mittelfeldspieler David Beckham (Foto: dpa)
High-Tech-Fußballschuh von Real Madrids englischem Mittelfeldspieler David Beckham (Foto: dpa) EFE

Herzogenaurach/dpa. - Mit den groben Ledertretern der Heldenvon Bern aus dem Jahr 1954 würden sie wohl kaum Tore schießen können.Doch nach dem Stand der damaligen Technik waren die Schuhe der letzteSchrei.

«Bis Anfang der 60er Jahre dienten Fußballstiefel vor allem alsSicherheitsschuhe», sagt Karl Heinz Lang vom Herzogenauracher WM-Sponsor Adidas. Die großvolumigen Stiefel wurden aus kräftigemreißfestem Rindboxleder hergestellt; Sohlen und Schaftkappen warenverstärkt, in den Spitzen häufig Stahlkappen eingenäht. Nach heutigenMaßstäben ähnelten sie eher Bergstiefeln als Sportschuhen. Doch das«Wunder von Bern» 1954 wurde mit ähnlichen Lederschuhen vollbracht.

«Den Begriff Ballgefühl kannten frühere Fußball-Generationennicht», sagt Lang. Statt zu dribbeln, schlugen die «Hau-Draufs» denBall einfach in die gegnerische Hälfte und drängten auf einenschnellen Abschluss, sprich Torschuss. Vor allem die Engländerblieben dem so genannten System des «Kick and Rush» jahrzehntelangtreu.

Nach dem Zweiten Weltkrieg hat Adidas-Gründer Adi Dassler dieEntwicklung der leichten Laufschuhe vorangetrieben - gegen den Willenvieler Nationalspieler: «Die hatten Angst, sich mit weicheren Schuhendie Zehen zu brechen», sagt Lang. Doch der Fortschritt ließ sichnicht aufhalten. Zuerst kamen die Kunststoff-Schraubstollen, dannbiegsame und sprungelastische Nylon-Sohlen, etwas späteranschmiegsames Känguruleder. Die fortschreitende Technologisierungvergrößerte die Spielräume der Hersteller. Das Kunststoff-Spritzgussverfahren etwa erlaubte es, Laufsohle und Schuh untrennbarmiteinander zu verbinden.

Bei Adidas bestehen die Sohlen des Topmodells «Predator» aushochelastischen Polymeren und der Aufbau aus Synthetik-Leder. «DieSchuhe vereinen hohe Steifigkeit mit einem besonders geringem Gewichtund belasten die Achillessehne kaum», betont Lang. Seit 1997 werdendie Schuhe mit einem Ballschuss-Roboter auf den jeweiligen, ausAdidas-Produktion stammenden, WM-Ball getestet. «Wir wären ja dumm,wenn wir unsere Produkte nicht aufeinander abstimmen würden.»

Diese Möglichkeit hat Adidas-Konkurrent Puma nicht. Dafür rühmtsich Puma, den leichtesten aller Schuhe im Angebot zu haben. DerProfischuh mit dem kryptischen Namen «v1.06» besteht ausPolyamidfasern und soll lediglich 109 Gramm auf die Waage bringen.«Damit kommt der Spieler schneller an den Ball», sagte Puma-ChefJochen Zeitz vor einigen Monaten bei der Präsentation des neuenSpitzenmodells.

«Die Schuhproduktion heute hat nichts mehr mit demSchusterhandwerk von einst zu tun», erläutert Puma-Werbeleiter HelmutFischer. Die Evolution ging im Lauf der Jahrzehnte weg vom Leder, hinzum Kevlar und später zum Kunstleder, dem so genannten Pittards-Leder. Es wird noch heute verwendet, ist fester und geschmeidiger alsLeder und nimmt kein Wasser auf.

Lederschuhe stellt Puma inzwischen überhaupt nicht mehr her,betont Fischer. Zwar seien Lederschuhe haltbarer als Synthetische unddie meisten Fußballplätze der Republik nehmen sich gegen diegepflegten Rasenteppiche in den WM-Stadien eher wie frisch gepflügteÄcker aus, doch auch Fußballer gehen mit der Mode: «Die Jungs wolleneben genau die Schuhe, die auch die Stars tragen», unterstreichtFischer.

Einige Entwicklungen führten aber auch ins sportliche Abseits. AlsSpieler testete Franz Beckenbauer für Adidas Schuhe mit Spitzen ausHaifischhaut: Die sollten sich in den Bällen festkrallen und dieBallführung erleichtern. Doch das Leder wirkte wie Schmirgelpapierund ruinierte im Nu die Bälle.