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SPD SPD: Ehrgeiz und Gespür

17.06.2011, 18:33

Was war das denn? Die Nummer 1 und die Nummer 2 in Sachsen-Anhalts SPD haben sich gestritten wie ein beziehungsmüdes Ehepaar kurz vor dem Scheidungstermin. Katrin Budde gegen Jens Bullerjahn, Landeschefin gegen Finanzminister - der öffentlich zur Schau gestellte Krach hatte hohen Unterhaltungswert, keine Frage.

Schien es zunächst einzig und allein um die Zukunft der Uni-Kliniken zu gehen, rückte zuletzt das Schicksal des Ministers ins Blickfeld. Spätestens als Bullerjahn vom Magdeburger Ministerium in die Mansfelder Heimat flüchtete, um sich einen halben Tag Auszeit zu nehmen, wurde sogar über einen bevorstehenden Rücktritt spekuliert.

Soweit ist es nicht gekommen. Bullerjahn musste einlenken, hat inzwischen von der Absicht, die Privatisierung der Kliniken prüfen lassen zu wollen, Abstand genommen. Eine derbe Schlappe. Nicht nur innerhalb der SPD, auch als Vize-Ministerpräsident steht der Sozialdemokrat derzeit ziemlich belämmert da. Er wird es verschmerzen müssen. Und dann womöglich auch begreifen, dass seine Partei dank seiner Widersacherin gerade noch einmal die Kurve gekriegt hat - hin zur Glaubwürdigkeit. Bullerjahn hat damit gespielt.

Das eigentlich Brisante ist doch nicht das Gezänk zwischen den beiden machtbewussten Spitzenpolitikern. Darüber kann man sich ärgern, kann schmunzeln oder Witze reißen - je nach Gusto. Das eigentlich Brisante ist, dass der einstige Spitzenkandidat gerade einmal drei Monate nach der Wahl Hand an ein Papier legen wollte, mit dem er einst munter in den Wahlkampf gezogen ist. "Daher wird es mit uns keine Privatisierung der Universitätskliniken geben", heißt es im SPD-Wahlprogramm erstaunlich klar und konkret. Und nun? Nun - so eine der ersten Reaktionen aus dem Hause Bullerjahn - entwickle sich das Leben eben manchmal schneller als Wahlprogramme. Was für ein Zynismus. Was für ein verheerendes Signal an die Wähler: Nehmt bloß nicht alles, was gesagt und geschrieben wird, ernst.

Eine Frage sei erlaubt: Wo bitteschön hat sich das Leben innerhalb von drei, vier Monaten schneller entwickelt? Bei den Landesfinanzen? Schlechter ist die Situation gewiss nicht geworden. Dass sie angespannt ist, darüber gibt es keinen Zweifel. Dass das Land weiterhin kräftig sparen muss, um nach dem Auslaufen des Solidarpaktes auf eigenen Füßen stehen zu können - auch das ist klar. Ein Finanzminister ist in diesen Zeiten wahrlich nicht um seine Aufgabe zu beneiden. Jeder Einschnitt tut weh und macht unbeliebt. Mit Nachdruck hat jetzt der Landesrechnungshof auf weiteren Schuldenabbau gepocht. Ein Blick nach Griechenland sollte Warnung genug vor einem Leben auf zu großem Fuß sein.

Bullerjahn kneift nicht vor den Herausforderungen, will einen sauberen Doppelhaushalt. Deshalb ist es fast tragisch zu nennen, wenn es bei fachlichem Ehrgeiz an politischem Gespür fehlt. Mit dem Kopf durch die Wand geht nicht. Vielleicht ist der Minister seiner Parteichefin eines Tages sogar dankbar.

Kontakt zum Autor:Hans-Jürgen Greye