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Sowjetisches Speziallager in Buchenwald Sowjetisches Speziallager in Buchenwald: Mantel des Schweigens über Speziallager Nr. 2

16.09.2016, 07:23
Holzkreuze stehen auf dem Areal des ehemaligen sowjetischen Speziallagers Nr. 2 in Buchenwald bei Weimar
Holzkreuze stehen auf dem Areal des ehemaligen sowjetischen Speziallagers Nr. 2 in Buchenwald bei Weimar dpa-Zentralbild

Weimar - 66 Jahre, nachdem das sowjetische Speziallager in Buchenwald bei Weimar geschlossen wurde, sehen Historiker noch immer viele offene Fragen. In einem Forschungsprojekt solle ergründet werden, wie die Mitarbeiter des sowjetischen Innenministeriums bei der Verhaftung von Deutschen nach Ende des Zweiten Weltkrieges vorgegangen seien, sagte der Stellvertretende Direktor der Stiftung Gedenkstätten Buchenwald und Mittelbau-Dora, Rikola-Gunnar Lüttgenau, der Deutschen Presse-Agentur. Die Gedenkstätte erarbeite derzeit den Projektantrag. Ehe ein Geldgeber für das Projekt gefunden worden sei und die Forschungsarbeit beginnen könne, werde es aber noch Monate dauern.

NS-Konzentrationslager Buchenwald im April 1945 befreit

Die Sowjets nutzten das im April 1945 befreite NS-Konzentrationslager Buchenwald ab August 1945 als sogenanntes Speziallager Nr. 2. Sie inhaftierten dort Menschen, denen sie vorwarfen, in das NS-System verstrickt gewesen zu sein. Nach Angaben der Gedenkstätte waren dort bis 1950 insgesamt mehr als 28.000 Menschen inhaftiert. Etwa 7.100 von ihnen starben, insbesondere an den Folgen von Hungerkrankheiten im Winter 1946/47.

Von diesem Freitag bis zum Sonntag erinnern die Stiftung und hochbetagte ehemalige Häftlinge mit einer Reihe von Veranstaltungen an die Errichtung des Speziallagers vor 71 Jahren. Es gibt Zeitzeugen-Gespäche mit Schülern aus der Region und einen ökumenischen Gottesdienst. Am Samstag werden Lüttgenau, die Vorsitzende der Initiativgruppe Buchenwald 1945-1950, Heidrun Brauer, sowie der Landesbeauftragte zur Aufarbeitung der SED-Diktatur auf einer Gedenkveranstaltung sprechen.

Aufarbeitung der Geschehnisse nach Ende der DDR

In der DDR wurde über die sowjetischen Speziallager, die zunächst im Kontext der alliierten Entnazifizierungsmaßnahmen errichtet wurden, ein Mantel des Schweigens geworfen. Eine wirkliche Aufarbeitung konnte erst nach der deutschen Wiedervereinigung in den 1990er Jahren beginnen.

Einige der für das Forschungsprojekt zur Verhaftungspraxis wichtige Unterlagen lägen auch in kleineren Thüringer Archiven wie in Meiningen oder Weimar, aber auch in Berlin, sage die auf die Geschichte des Speziallagers spezialisierte Historikerin Julia Landau. Anders als viele Dokumente, die sich in Russland befänden, seien diese Archivbestände für die Forschung zugänglich.

Personalakten zu  Inhaftierten beim russischen Inlandsgeheimdienst FSB

Dagegen seien vor allem Personalakten zu den Inhaftierten des Speziallagers Historikern noch immer entzogen. Sie lägen in einem Archiv des russischen Inlandsgeheimdienstes FSB in Moskau. Aus diesen Unterlagen ließen sich aber wichtige Hinweise dazu gewinnen, welches Bild die Sowjets von denen gehabt hätten, die sie verhafteten und nach Buchenwald schickten.

In den nächsten Jahren liegt ein Schwerpunkt der Gedenkstättenarbeit darauf, neue Konzepte für die pädagogische Arbeit zu entwickeln. Die Zahl der Zeitzeugen des Speziallagers nimmt ab. Aufgabe sei nun, die Erinnerung an das sowjetische Lager wach zu halten, „auch wenn die Stimmen dieser Menschen nicht mehr davon berichten können„, sagte Lüttgenau. (dpa)