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Schiess AG Schiess AG: Insolvenz hat Nachspiel

Von SIGRID DILLGE 21.02.2012, 09:34
Den Angeklagten wird Insolvenzverschleppung vorgeworfen.
Den Angeklagten wird Insolvenzverschleppung vorgeworfen. DPA/Archiv

Magdeburg - Die Firma war pleite, konnte ihre fälligen Verbindlichkeiten in Höhe von sieben Millionen Euro nicht begleichen. Der Insolvenzantrag sei jedoch viel zu spät gestellt worden, meint die Staatsanwaltschaft. Bereits 2003 sei das Unternehmen zahlungsunfähig gewesen. Seit Dienstag müssen sich René N. und sein Vorgänger Wolfgang T. daher wegen Insolvenzverschleppung vor dem Landgericht Magdeburg verantworten. Denn ein Insolvenzantrag muss spätestens drei Wochen nach Bekanntwerden der finanziellen Notlage gestellt werden.

Zusätzliche Anklagepunkte

Staatsanwältin Ina Wagner wirft dem 49-jährigen René N. in der Anklageschrift außerdem vor, die mehr als prekäre finanzielle Situation des Unternehmens verschleiert und eine Bürgschaft beim Land Sachsen-Anhalt beantragt zu haben. Der Jahresabschluss 2003 sei gefälscht worden, heißt es in der Anklageschrift. Aufgrund der "Schönschreibung" zahlte das Land mehr als eine Million Euro an das traditionsreiche Unternehmen, das zum damaligen Zeitpunkt 230 Mitarbeiter, davon 30 Auszubildende, hatte. Der Umsatz war im Jahr 2003 um zehn Millionen Euro auf nur noch 22 Millionen Euro zurückgegangen. Das Land blieb auf dem Verlust dieses Geldes sitzen.

Hintergrund für die Zahlung mag auch gewesen sein, dass die Ascherslebener Firma seit rund 150 Jahren unter wechselnden Namen zu den wichtigsten Arbeitgebern gehört - nicht nur am Standort, sondern im Land. Die großen und zuverlässigen Werkzeugmaschinen, die hier entstehen, sind noch immer weltweit gefragt. Heute hält die chinesische Shenyang Machine Tool Corporation Ltd. mehrheitlich Anteile an der Schiess GmbH. Seither verläuft die Entwicklung am Standort dem Vernehmen nach wieder positiv.

Zu den Vorwürfen der Insolvenzverschleppung und dem unberechtigten Erhalt einer Landesbürgschaft gesellt sich im Falle von René N., der in wenigen Tagen 50 Jahre alt wird, auch die Anklage, den Sozialkassen einen Schaden von über 24 000 Euro zugefügt zu haben. Der einstige Vorstand soll die Versichertenanteile zur Sozialversicherung mehrerer Arbeitnehmer von Januar 2004 bis Mai 2004 nicht abgeführt haben.

Anwalt weist Vorwürfe zurück

Insgesamt 15 Verhandlungstage sind in dem Verfahren angesetzt. Als erste Zeugin wird am Mittwoch eine Steuerberaterin befragt. Zwei Gutachter beobachten den Prozess, bevor sie dem Gericht ihre Erkenntnisse vorstellen werden. Die beiden Angeklagten wollen zunächst keine Aussagen machen. Für Empörung beim Anwalt von René N. sorgte am ersten Verhandlungstag der Hinweis der Richterin auf eine Aktennotiz, die ein Telefonat zwischen Staatsanwaltschaft und Landgericht betrifft. Darin soll im Vorjahr überlegt worden sein, dem 75-jährigen Wolfgang T. gegen Zahlung von 5 000 Euro den Prozess zu ersparen. Völlig unverständlich war für Rechtsanwalt Jochen Hedderich, dass in dem Vermerk für seinen Mandanten N. höchstens zwei Jahre Freiheitsstrafe in Erwägung gezogen wurden. Das sei eine Vorverurteilung, zumal seiner Ansicht nach die Anklage nicht haltbar sei. Eine Vorabsprache, einen so genannten Deal, hatte es zwischen Gericht, Staatsanwaltschaft und Angeklagten nicht gegeben. Zugleich wies der Verteidiger den Vorwurf der Insolvenzverschleppung zurück. In den Akten und Beweismitteln gebe es dafür keine Hinweise.