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Sachsen Sachsen: Konsum-Charme wie zu DDR-Zeiten

Von Gudrun Janicke 03.11.2005, 14:30
Ein Brotkorb mit einer Auswahl verschiedener tschechischer Brötchen steh am Donnerstag (03.11.2005) im Verkaufsraum einer böhmischen Bäckerei in Dresden. Beliebte Backwaren aus dem Nachbarland, wie Kipfel, Opladen aus Karlsbad und Kolatschen, finden zunehmend in Sachsen ihre Kundschaft. Und gerade die Preise sind es, mit denen tschechische Bäckereien die deutschen Kunden locken. Neun Cent kostet etwa ein Brötchen aus einer Teplitzer Grossbäckerei. (Foto: dpa)
Ein Brotkorb mit einer Auswahl verschiedener tschechischer Brötchen steh am Donnerstag (03.11.2005) im Verkaufsraum einer böhmischen Bäckerei in Dresden. Beliebte Backwaren aus dem Nachbarland, wie Kipfel, Opladen aus Karlsbad und Kolatschen, finden zunehmend in Sachsen ihre Kundschaft. Und gerade die Preise sind es, mit denen tschechische Bäckereien die deutschen Kunden locken. Neun Cent kostet etwa ein Brötchen aus einer Teplitzer Grossbäckerei. (Foto: dpa) DPA

Radeberg/dpa. - DieFreizügigkeit der Grenzen gilt auch für Kipfel, Buchteln und Co.Großbäckereien mit Sitz in Decin oder Teplice eröffnen Läden inChemnitz, Dresden oder wie erst kürzlich in Radeberg. Die niedrigenPreise lassen viele zugreifen, die sonst wohl eher zu Discounterngehen.

Deutsche Bäcker wollen ihre in Handwerksarbeit hergestellten Warennicht mit denen aus den tschechischen Großbäckereien vergleichen, dieäußerst preiswert sind. Grund sind die dort niedrigeren Löhne. Dieangemieteten Geschäfte der tschechischen Unternehmen sind ohne großenmodischen Schnickschnack ausgestattet und verströmen einen an DDR-Zeiten erinnernden Konsum-Charme. Auch die Preise mit zwölf Cent fürein Mohnhörnchen oder neun Cent für ein Brötchen lassen die Jahrevergessen.

Gebacken wird zu Hause, in Sachsen nur verkauft. Für dieseBäckereien lohnt sich offenbar eine bis zu zweistündige Anfahrt mitmehrmals täglich frischer Ware. Die Verkäuferinnen sind meist direktbei den tschechischen Bäckereien angestellt, zu den dort üblichenBedingungen. Zum Teil kommen die Verkäuferinnen auch jeden Morgen vonjenseits der Grenze nach Sachsen zur Arbeit.

«Wir schaffen auch neue Arbeitsstellen auf deutscher Seite, diewir mit deutschen Arbeitnehmern besetzen», weist Radek Otcovsky,Exekutiv Director der Firma pecud (Teplice) Kritik zurück. Die Firmaist seit gut einem Jahr in Sachsen aktiv. Zwei Läden gibt es bereitsin Dresden - mit Erfolg. Weitere sind geplant.

Kipfel, Hochzeitskolatschen, Moskauer-Brot, Kartoffelpuffer undpanierte Kränze: den deutschen Kunden in Radeberg und Dresden gehendie Namen für die Backwaren leicht über die Lippen. Die tschechischenVerkäuferinnen erklären, ob der Teig gemahlenen Kümmel enthält odernicht. «Die Sachen schmecken und sind preiswert», heißt es meist.Auch in der Chemnitzer Innenstadt quillt die Ladentheke eines Bäckersaus Litvinov über mit Hörnchen, Buchteln, Hefegebäck, Brot undBrötchen. Auf die Frage, was besonders gut läuft, heißt es lapidar:«Alles.» Abends sei nichts mehr da.

Der Radeberger Bäckermeister Ralf Röthig kann seine Konkurrenz gutbeobachten. Beide Geschäfte liegen fast vis-à-vis am Marktplatz. «Ichhabe viele Bäckereien kommen und gehen sehen», sagt der Meister, dermit Bäckerei und Café schon seit 15 Jahren am Platz ist. «Mit dentschechischen Preisen können wir nicht mithalten, dafür liefern wirhandwerkliche Backwaren», sagt er. Die Kunden halten dem Bäcker, derbereits in vierter Generation tätig ist, die Treue.

Auch sein Kollege Gert Kolbe aus Oberseifersdorf, der in Zittaueinen Laden hat, sieht die Konkurrenz gelassen. «Hier amDreiländereck mit Polen und Tschechien können wir uns nur mit guterQualität hervortun», sagt er. Das sichere auch die Arbeitsplätze inden heimischen Backstuben. Kunden, die nur auf den Preis schauten,seien auch früher seltener in seinen Laden gekommen. In Sachsen sindin den etwa 1000 Bäckereien etwa 15 000 Mitarbeiter beschäftigt. Dazukommen noch etwa 2500 Lehrlinge.

«Im Vorjahr rumorte es ganz schön in Niederbayern: Bäckereien ausdem nahen Tschechien versuchten, hier Kunden unter Hotels undGaststätten zu finden», sagt Agnes Birnböck von der bayerischenBäckerinnung Regen-Viechtach. Das habe sich aber gelegt. «Die Kundenwaren an unsere Waren und unsere Qualität gewöhnt», sagt sie. Jetztgebe es das Problem nicht mehr. Auch Kolbe ist optimistisch: seinSohn - in der fünften Generation Bäcker - eröffnet in Zittau einenweiteren Laden, mit einer Schaubackstube.