Rotkäppchen Rotkäppchen: Mumm gehabt - Heise gibt die Führung ab
Freyburg/MZ. - Um Punkt 11.30 Uhr schnitt Gunter Heise das rote Bändchen zur Eröffnung der neuen Betriebskantine der Sektkellerei Rotkäppchen in Freyburg durch. Fast nebenbei sagte er in einem kurzen Satz: "Es freut mich, dass ich noch ein Viertel Jahr in den Genuss dieser komme." Was der Geschäftsführer humorvoll verpackte, sorgte nicht nur im Burgenlandkreis am Montag für Furore. Zur gleichen Zeit wurden E-Mails an die Beschäftigten verschickt, in denen der 61-Jährige mitteilte, dass er die Führung von Deutschlands größtem Sekthaus im kommenden Frühjahr abgibt. Er dankte allen Mitarbeitern - kurz und knapp. So, wie es seine Art ist. Dass "Mr. Rotkäppchen" in absehbarer Zeit in den Ruhestand tritt, war abzusehen. "Dennoch sind wir von der Nachricht überrascht", sagte eine Mitarbeiterin.
Mit dem geschäftsführenden Gesellschafter tritt ein Manager im Hause Rotkäppchen ab, der den Sekthersteller nach der Deutschen Einheit gerettet und groß gemacht hat. Heise war es, der 1991 durchsetzungsstark die Führung übernahm. Damals war der Absatz von Rotkäppchen regelrecht eingebrochen, bei 0,5 Prozent lag der Marktanteil. Der ehemalige Technische Leiter verhandelte mit der Treuhand über die Privatisierung.
Eine schwierige Zeit: Heise ließ Rotkäppchen-Sekt in Weimar vom Lkw verkaufen, um Einnahmen zu erzielen. Gleichzeitig sprach er Kündigungen aus. Im Gespräch sagte er einmal: "Es war die lehrreichste Zeit meines Lebens." Als starker Gesellschafter stieg wenig später die Familie Eckes-Chantré in das Unternehmen ein.
Der in Laucha geborene Heise, der stets freundlich auftritt, schuf eine sympathische Marke. Er engagierte Werbe- und PR-Agenturen aus Frankfurt (Main) und Düsseldorf. "Heise kann zuhören", attestieren ihm Weggefährten. "Dann zieht er seine Schlüsse." Es waren die richtigen. Dass Rotkäppchen einmal das größte deutsche Sekthaus wird, das fast die Hälfte des Marktes beherrscht, hätte sich Heise aber nicht träumen lassen. Er und sein Team haben es geschafft, aus einem Ostprodukt eine deutsche Marke zu kreieren. Entscheidend dafür war die Übernahme der Sektmarken "MM" und "Mumm" 2002. Damals stand die Frage, ob sich Rotkäppchen als Braut hübsch macht oder selbst als Bräutigam auftritt. Heise warf das bisher Erreichte noch einmal in die Waagschale. Er hatte Mumm. Dieser wurde später auch bei dem Kauf des Eckes-Spirituosen-Geschäftes (2006) und des Weingeschäftes (2009) bewiesen. Im vergangenen Jahr erzielte die Gruppe einen Umsatz von 831,8 Millionen Euro.
Doch warum will der Unternehmer Ende April 2013 abtreten? Heise selbst will sich dazu auf MZ-Anfrage nicht äußern. Aus dem Sekthaus hieß es, es sei sein eigener Wunsch gewesen. Heise, der vor Jahren von sich sagte, er sei 24 Stunden im Dienst des Unternehmens, will offenbar kürzertreten. Die leitenden Mitarbeiter Jutta Polomski und Lutz Lange, die 1993 an der Privatisierung beteiligt waren, haben sich bereits zurückgezogen. Lediglich Ulrich Wiegel, der vierte im Freyburger Bunde, bleibt aktiv. Wiegel übernimmt ab Mai 2013 von Heise den Geschäftsbereich Produktion, Technik, Einkauf und Qualitätsmanagement. Als Sprecher der Geschäftsführung wird ein neuer Manager gesucht - er soll von außen kommen. Ein Name wurde noch nicht genannt.
Die Geschicke des Getränke-Konzerns wird Heise als Gesellschafter aber weiter begleiten. Er wird zudem Vorsitzender des neu zu gegründenden Unternehmens-Beirates. Das heißt, er will dem Sekthaus mit Rat und Tat zur Seite stehen.
Es ist nicht der erste Beirat, in dem Heise sitzt. Er unterstützt als Privatmann bereits das Himmelsscheiben-Museum Arche Nebra an der Unstrut. Auch der Karnevalsverein Laucha, bei dem er seit Jahrzehnten Mitglied ist, wird wohl mehr von ihm haben. Heise ist aber vor allem Familienmensch. Also wird er die freie Zeit wohl mit dieser verbringen.
Um die Zukunft von Rotkäppchen-Mumm macht sich der Unternehmer offenbar keine Sorgen. In der MZ-Demografie-Serie schrieb er kürzlich, wie er sich das Leben 2030 vorstellt: "Ich konnte nicht nein sagen, als das Marketing unseres Hauses mich gebeten hat, das Fest zum 175. Geburtstag der Rotkäppchen Sektkellerei vorzubereiten. 2031 im Sommer ist es soweit: Mit einem großen Programm werden wir feiern, was Kloss & Förster vor 175 Jahren schufen: eine Sektkellerei, deren Produkte bis heute in aller Munde sind. Zur Vorbereitung fahre ich oft von Laucha nach Freyburg in unserem neuen Bundesland Mitteldeutschland und freue mich, dass ich meiner engsten Heimat so nahe geblieben bin, dass das Elektroauto noch nicht einmal aufgeladen werden muss für die kurze Strecke." Eine schöne Aussicht.