Riester-Rente Riester-Rente: Geschenk an die Versicherungen
Berlin/MZ. - Seit Einführung der Riester-Rente vor zehn Jahren erhielten Banken, Versicherungen und Fondsanbieter rund 5,9 Milliarden Euro für Provisionen und Verwaltung, berichtet die Zeitschrift Finanztest. Damit sind rund 15 Prozent der Sparbeiträge von Bürgern und der staatlichen Zulagen in die Kassen der Finanzunternehmen geflossen.
Aber lohnt sich die Riester-Rente auch für die Sparer? Ist das Geld der Bürger und Steuerzahler gut angelegt? Hierüber wird zurzeit heftig gestritten, dabei ist eins klar: Aus Sicht der Bürger hat die Riester-Rente eklatante Mängel.
Erstens: Die Riester-Produkte haben sich insgesamt verschlechtert. Die Renditen von neuen Verträgen sind oft niedriger als von alten Policen. Das hat das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) herausgefunden. Ein Grund: Der Gesetzgeber hat die Vorschriften zugunsten der Finanzbranche gelockert.
Zweitens: Es gibt ordentliche und hundsmiserable Riester-Angebote. Verbraucher können die miesen Verträge oft nicht erkennen. Die tatsächlichen Kosten werden gern verschleiert. Das Analysehaus Morgen & Morgen hat die Angaben verschiedener Versicherungen zusammengestellt. Wer die Liste durchschaut, dem schwirrt der Kopf. Kostprobe gefällig? Bei einem Anbieter betragen die "Verwaltungskosten 4,5 Prozent jedes Eigenbeitrages und jeder Zulage, dazu jährlich zwölf Euro zuzüglich ein Euro pro Beitragszahlung sowie jährlich 1,5 Prozent der Jahresrente". Was bleibt, ist Ratlosigkeit.
Drittens: Für Geringverdiener ist die Riester-Vorsorge "meist rausgeworfenes Geld", urteilt DIW-Chef Gert Wagner. Viele erreichen im Alter nur die Grundsicherung. Auszahlungen aus der Riester-Rente werden verrechnet.
Diese Befunde sind ein sozialpolitischer Skandal. Schließlich ist die Riester-Rente kein Subventionsprogramm für die Finanzbranche. Sie ist vielmehr ein wichtiger Baustein der Altersvorsorge: Die Politik hat beschlossen, dass Ruheständler künftig weniger Geld aus der gesetzlichen Rentenversicherung bekommen. Die Riester-Verträge sollen diese Kürzungen ausgleichen.
Die Politik hat nicht geprüft, ob die Riester-Verträge diese Aufgabe erfüllen. Stattdessen hat sie den Wildwuchs zugelassen. Jetzt muss der Gesetzgeber umsteuern. Nur er kann die Missstände beheben. Was ist also zu tun?
Mehr Transparenz: Damit sich Verbraucher nicht länger mit unverständlichen und irreführenden Angaben herumschlagen müssen, plant die Bundesregierung ein Produktinformationsblatt. Darauf sollen Anbieter Auskunft über Kosten und Erträge geben. Das wäre ein kleiner Fortschritt. Dringend nötig sind aber zusätzlich strengere Regeln für die Finanzbranche.
Überschüsse ausschütten: Die Versicherungen gehen von einer sehr hohen Lebenserwartung der Riester-Sparer aus. Wenn die Menschen früher sterben, erwirtschaften die Firmen Überschüsse. Bei Einführung der Riester-Rente mussten sie 90 Prozent der Überschüsse an die Versicherten verteilen. Seit 2005 ist bei Sterblichkeitsgewinnen nur noch eine Mindestbeteiligung von 75 Prozent vorgeschrieben. Das schmälert die Erträge der Sparer - und das muss die Politik wieder ändern.
Wechsel erleichtern: Wer mit seinem Riester-Vertrag unzufrieden ist und deshalb zu einem anderen Anbieter wechseln will, macht oft große Verluste. Denn bei einer Versicherung werden die Abschlusskosten in den ersten fünf Jahren von den Beiträgen abgezogen. Zudem erhebt der neue Anbieter in der Regel noch einmal Abschlusskosten. Solche hohen Wechselkosten dürfen nicht entstehen, fordert die Verbraucherschutz-Expertin des DIW, Kornelia Hagen.
Positivliste: Zurzeit fördert der Staat auch katastrophal schlechte Riester-Produkte mit hohen Kosten und geringen Erträgen. Mit dieser Verschwendung von Steuergeld muss Schluss sein. Eine gute Lösung wäre eine Positivliste: Der Staat prüft Riester-Produkte auch inhaltlich. Gefördert werden zum Beispiel nur noch Versicherungen, die eine bestimmte Rentenhöhe garantieren. Zusätzlich sollte es zwei Staatsprodukte geben, die eine besonders sichere Geldanlage gewährleisten, fordert Hagen. Die Staatsprodukte hätten noch einen Vorteil: Eine öffentliche Einrichtung, etwa die Rentenversicherung, würde mit Privatfirmen konkurrieren. Dann würde sich zeigen, ob die Rentenversicherung günstigere Produkte anbietet, weil sie keine Gewinne erwirtschaften muss.
Sicherheit für Geringverdiener: Wer wenig Geld verdient und trotzdem privat fürs Alter vorsorgt, muss als Rentner auch davon profitieren. Deswegen fordert Hagen: Die Riester-Rente darf nicht mehr auf die Grundsicherung angerechnet werden. Die Bundesregierung denkt zurzeit immerhin über eine Lösung nach. Carsten Maschmeyer, Chef des Finanzdienstleisters AWD, hat 2005 gejubelt: Die Verlagerung von der staatlichen zur privaten Altersvorsorge sei ein Wachstumsmarkt über Jahrzehnte. "Es ist so, als wenn wir auf einer Ölquelle sitzen. Sie ist angebohrt, sie ist riesig groß und sie wird sprudeln." Jetzt sprudelt die Quelle. Und die Politik muss die Geldströme umlenken.