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Regierung von Glos` Rücktrittswunsch kalt erwischt

08.02.2009, 15:55

Berlin/dpa. - Soll er bleiben oder nicht: Das CSU-interne Gerangel um das Rücktrittsgesuch von Bundeswirtschaftsminister Michael Glos (CSU) hat die Bundesregierung am Wochenende kalt erwischt.

Der 64-Jährige hatte am Samstag CSU-Parteichef Horst Seehofer überraschend seinen Rücktritt angeboten und dafür Altersgründe angegeben. Seehofer lehnte das Ansinnen ebenso überraschend ab. Nach dem Angebot will die Unionsführung eine rasche Lösung herbeiführen. In der CSU-Spitze werde intensiv beraten, ob man dem Wunsch von Glos nach Ablösung mitten in der Wirtschaftskrise entsprechen könne, erfuhr die Deutsche Presse- Agentur dpa am Sonntag in Berlin aus Unionskreisen. Bundeskanzlerin und CDU-Chefin Angela Merkel sei eingebunden. Offen sei, ob eine Lösung noch an diesem Sonntag gefunden werden könne.

Grünen-Fraktionschefin Renate Künast kritisierte: «Diese Regierung gleicht einem Tollhaus. Eine außer Kontrolle geratene bayerische Regionalpartei blockiert das ganze Land, und die Kanzlerin schaut macht- und tatenlos zu.» In einer Mitteilung verlangte sie am Sonntag von Merkel, Glos sofort zu entlassen, damit die Regierung wieder handlungsfähig ist. FDP-Chef Guido Westerwelle forderte die Kanzlerin auf, «die Handlungsfähigkeit ihrer Regierung in den zentralen Bereichen der Wirtschaftspolitik» wieder herzustellen. Der Fraktionsvize der Linken im Bundestag, Klaus Ernst, bezeichnete es in einer Mitteilung als «unverantwortlich», den Minister gegen seinen Willen im Amt zu halten.

Merkel war am Samstag von Glos über seinen Rücktrittswunsch informiert worden und bestand nach Angaben der «Bild am Sonntag» darauf, dass er im Amt bleibt. Die Zeitung hatte einen Brief von Glos an Seehofer veröffentlicht. Darin verweist Glos angesichts der Bundestagswahl im Herbst auf sein Alter und die notwendige Reform der CSU. Nach dem schwachen Abschneiden der Partei bei der bayerischen Landtagswahl seien «Erneuerung, Gestaltungskraft und Glaubwürdigkeit mehr denn je gefragt.» Er bitte daher um seine Ablösung.

Nach dpa-Informationen aus Unionskreisen soll jedoch das seit langem zerrüttete Verhältnis von Glos und Seehofer mit Auslöser gewesen sein. Demnach sprach der CSU-Chef hinter Glos' Rücken mögliche Nachfolger an und brachte damit das Fass zum Überlaufen. Der 53-jährige CSU-Schatzmeister Thomas Bauer sagte der Tageszeitung «Die Welt»: «Horst Seehofer hat mich in den letzten Monaten ein paar Mal darauf angesprochen, ob ich Interesse hätte, in ein höheres politisches Amt zu gehen.» Für ihn sei dies vorstellbar, allerdings wolle er Glos nicht verdrängen. Mit Seehofer habe er am Sonntagmorgen telefoniert. Der «Augsburger Allgemeinen» sagte der Unternehmer, er wolle in der Politik nicht mehr ganz unten anfangen.

Ein SPD-Sprecher sagte am Sonntag, jede Partei sei für die Besetzung ihrer Ministerposten selbst zuständig. Formal sind allerdings nicht die Parteivorsitzenden für die Bestellung und Entlassung von Bundesministern zuständig, sondern die Kanzlerin. Vizekanzler Frank-Walter Steinmeier (SPD) sagte am Samstagabend auf dem «Ball des Sports» in Wiesbaden dem ZDF, die CSU befinde sich «im Hindernislauf»: «Wie der ausgeht, weiß ich auch noch nicht.» Glos nahm ebenfalls an dem Ball teil, äußerte sich aber nicht. Der bayerische SPD-Fraktionschef Franz Maget forderte die CSU zum kompletten Ausstieg aus der Bundesregierung auf.

Seehofer hatte am Samstag angekündigt, mit Glos ein Gespräch über dessen Beweggründe zu führen. Wann dies geplant ist, blieb zunächst unklar. CSU-Landesgruppenchef Peter Ramsauer sagte der Würzburger «Main-Post»: «Michael Glos genießt das uneingeschränkte Vertrauen sowohl der CSU-Landesgruppe als auch der Partei.» In schwierigen Zeiten «wechselt man nicht die Pferde». Der 54-jährige Ramsauer wurde ebenfalls als möglicher Nachfolger von Glos gehandelt. Der CSU-Spitzenkandidat für die Europawahl, Markus Ferber, forderte Seehofer im «Handelsblatt» auf, rasch Klarheit zu schaffen.

Glos ist der erste Bundeswirtschaftsminister der CSU und amtiert seit 2005. Zuvor hatte der damalige CSU-Chef Edmund Stoiber nach der vorgezogenen Bundestagswahl einen Wechsel als Wirtschaftsminister nach Berlin abgelehnt. Der gelernte Müllermeister Glos gilt als Vertreter einer konservativ ausgerichteten Wirtschaftspolitik, der aber in der großen Koalition nur wenige Akzente setzen konnte. Im Fall eines vorzeitigen Rücktritts erhält er keine Ministerpension. Glos war vor seiner Berufung zwölf Jahre lang Chef der CSU-Landesgruppe im Bundestag.