Prozess Prozess: Umstrittenes Schnäppchen
BERLIN/MZ. - Frank Thiele war schon mal gesprächiger, als es um den ominösen Verkauf des ehemaligen DDR-Rundfunkgeländes an der Nalepastraße ging. "Die Verantwortlichen dafür waren die neuen Länder, die sich für das Gelände überhaupt nicht interessiert haben", hatte Thiele einmal gesagt. Inzwischen sagt er nichts mehr zu diesem Geschäft. Er wolle sich zu den Vorwürfen nicht äußern, erklärte sein Anwalt am Mittwoch vor dem Landgericht. Dort wird dem 52-jährige Thiele wegen Betruges in großem Stil der Prozess gemacht, ebenso seinem 29-Jährigen Sohn und einem 46-jährigen Berliner Geschäftspartner.
Thiele hatte das DDR-Rundfunkgelände an der Nalepastraße im November 2005 für den Spottpreis von 350 000 Euro kaufen dürfen. Nach einem Gutachten war es 24 Millionen Euro wert. Aus Sicht der Staatsanwaltschaft haben die Angeklagten vorgetäuscht, das Areal sanieren und zu einem lukrativen Medienzentrum entwickeln zu wollen. Stattdessen soll aber von Anfang an geplant gewesen sein, Teilgrundstücke gewinnbringend zu verkaufen.
Thiele war 2005 Geschäftsführer eines kleinen Baugeräte-Verleihs in Jessen (Landkreis Wittenberg). Seine Firma "Bau und Praktik GmbH" hatte das 13 Hektar große Gelände von der Limsa gekauft, der Immobiliengesellschaft des Landes Sachsen-Anhalt. Sie veräußerte das Gelände im Namen aller neuen Länder, die laut Einigungsvertrag Eigentümer der DDR-Rundfunkimmobilien waren. Berlin hatte kein Interesse an dem riesigen Gelände, man wollte es so schnell wie möglich loswerden.
Gleich nach dem Erwerb hatte die "Bau und Praktik GmbH" das Rundfunkgelände in drei Teile zerlegt und an Firmen der anderen Angeklagten weitergereicht. Der wertvollste Teil, der die denkmalgeschützten DDR-Rundfunkanlagen enthielt, wurde schließlich für 3,9 Millionen Euro versteigert, er ging an den israelischen Investor Keshet. Im Kaufvertrag mit der Limsa war ja keine Spekulationsfrist vorgesehen. Die Limsa blieb dann auch noch auf fälligen Betriebskosten sitzen. Dabei war laut Anklage an den Kaufpreis die Verpflichtung gebunden, dass Thiele Belastungen des Grundstücks in Höhe von 100 000 Euro monatlich übernimmt.
Freilich hat sich nach der ominösen Veräußerung auch die Frage nach der Verantwortlichkeit der Länder gestellt. Der Rechnungshof von Sachsen-Anhalt fand dafür eindeutige Worte: Im höchsten Maße unprofessionell, nachlässig und leichtfertig sei Landesvermögen veräußert worden. Er nannte nicht nur die Kaufsumme unverständlich, auch die Bonität des Käufers wurde nicht geprüft: Thiele hatte offenbar nie die geforderte Kreditwürdigkeit von einer Million Euro nachgewiesen.
Heute baut die Reederei Riedel auf dem westlichen Teil, am Spreeufer, ihren neuen Heimathafen, der im Herbst 2011 als Winterquartier für alle 14 Schiffe fertig sein soll. Die Reederei hat das Gelände vor einem Jahr gekauft und befreit es gerade von Altlasten. Die Aufnahmesäle und Studios gehören noch immer der Keshet. Das Unternehmen will ein Zentrum für Musik, Kultur und Gastronomie entwickeln. Für die Studios, Sendesäle und Büros gibt es aktuell 160 Mieter, Bands, Musikproduzenten und Start-Up-Firmen. Auf dem dritten, östlichen Teil entlang der Hauptstraße sind zwischen alten DDR-Studio-Ruinen Auto- und Baustoff-Firmen angesiedelt.