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Zwischen Musik und Macht Zwischen Musik und Macht in der DDR: Ex-FDJ-Funktionär Hartmut König zieht eine bittere Lebensbilanz

Von Steffen Könau 25.08.2018, 09:05
Hartmut König, Komponist und Funktionär
Hartmut König, Komponist und Funktionär dpa

Halle (Saale) - Er wird geboren in ein zertrümmertes, zerbombtes Nachkriegsberlin, er trägt noch Kniestrümpfe, als er dem Mann begegnet, an dessen Seite er einer der ersten Rockstars der DDR werden wird. Und am Ende, Hartmut König ist inzwischen Ende 40, hochrangiger FDJ- und SED-Funktionär, einer der führenden Kulturpolitiker der DDR und Teil des auf den Tod Erich Honeckers wartenden Schattenkabinettes Egon Krenz, muss er sich eingestehen, dass die „neue Zeit“, in die die ganze Riege der in der DDR-Jugendbewegung sozialisierten zweiten Garde der DDR-Führung zu ziehen geglaubt hatte, beendet ist.

Vorerst, wie Hartmut König in seiner voluminösen Autobiografie „Warten wir die Zukunft ab“ (Verlag neues leben, 558 Seiten, 24,99 Euro) einschränkt. Der 70-Jährige will nicht von dem Lebenstraum von einer gerechteren Gesellschaft lassen, obwohl der misslungene Versuch DDR gerade ihm noch tief in den Knochen steckt. König, Sohn eines Werkzeugmachers und einer Telegrafistin und Enkel einer Freundin des Arbeiterschriftstellers Bruno Apitz, war stets mittendrin statt nur dabei, ein Zeitzeuge erster Ordnung für das bisschen Glanz und das große Elend des auf Kosten so vieler Menschen schiefgegangenen Sozialismusexperiments in Ostdeutschland.

Hartmut König: Sohn des DDR-berühmten Komponisten Gerd Natschinski

Am Anfang aber sah es nicht danach aus. Als kleiner Junge noch hatte König die Freundschaft von Thomas Natschinski gewonnen, Sohn des DDR-berühmten Komponisten Gerd Natschinski („Mein Freund Bunbury“) und mit dem Aufkommen von Elvis und Beatles Gründer der ersten DDR-Beatband Team 4. Unter den Mitgliedern ist auch König, ein begeisterter Gitarrenspieler und Sänger, vor allem aber ein junger Mann mit einem Händchen für Texte und Kompositionen.

Nicht nur für Team 4, auf Druck der Behörden bald in Thomas-Natschinski-Gruppe umbenannt, sondern auch für die FDJ-Singegruppe Oktoberklub schrieb König Lieder wie am Fließband - darunter spätere Klassiker wie „Sag mir, wo du stehst“ und „Mocca-Milch-Eisbar“.

FDJ-Funktionär war ausgebildeter Kühlanlagenbauer

Für den ausgebildeten Kühlanlagenbauer, der später am „Roten Kloster“ in Leipzig Journalistik studieren darf, sind die künstlerischen Erfolge die Eintrittskarte in die Nomenklatura der SED-Herrschaft. König, der in seinem Lebensrückblick deutlich macht, dass er dem Klischeebild des verbohrten Politbürokraten nie entsprochen hat, wird mit 29 Sekretär des FDJ-Zentralrates, mit Anfang 30 Kandidat des ZK der SED und mit 41 dessen Mitglied. König ist Kommunist, aber einer, der sich nach einem Reformer wie Gorbatschow sehnt.

Bezeichnend für den zerrütteten Zustand der DDR-Führung: Als König dem älteren Egon Krenz in einem Vier-Augen-Gespräch beschreibt, wie nötig auch die DDR Glasnost und Perestroika benötige, empfindet er das als „Beichte“, für die ihm, wie er fürchtet, harte Bestrafung drohen wird.

Krenz aber outet sich als ähnlich Hoffender, beide zusammen jedoch bleiben in der bleiernen Zeit der sich immer mehr ausbreitenden gesellschaftlichen Lähmung der Endzeit-DDR dennoch tatenlos. Hartmut König, vom Kulturschaffenden zum Kulturverwalter gewandelt, hilft, Westkünstler in die DDR zu holen. Bis dieses Ventil eines Tages auch nicht mehr hilft, all den inneren Druck abzulassen. (mz)