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Zum 80. Geburtstag von Norbert Blüm Zum 80. Geburtstag von Norbert Blüm: "Einmal Sozialpolitiker immer Sozialpolitiker"

Von Markus Decker 20.07.2015, 16:58

Köln - Der ehemalige Bundesarbeitsminister Norbert Blüm (CDU), der in Bonn lebt, hat heute Geburtstag. Wir haben ihn vorher angerufen – zwischen Tür und Angel. So wie Blüm zuletzt auch einige Menschen zwischen Tür und Angel angerufen hat.

Herr Blüm, Sie werden 80 Jahre alt. Wie sehen Sie dem entgegen?

Norbert Blüm: Mit großer Gelassenheit. Das ist ein Tag wie 364 andere Tage im Jahr. Ansonsten kann ich beim Blick auf die Zahl 80 nur sagen: Glück gehabt.

Wie werden Sie den Tag verbringen?

Blüm: Ich unternehme mit meiner Frau eine Fahrradtour an der Sieg, vielleicht mit einer Übernachtung.

Kein großer Bahnhof?

Blüm: Irgendwann machen wir noch eine Feier mit den Kindern und der Familie. Aber an dem Tag fahren wir an der schönen Sieg entlang.

Norbert Blüm, geboren am 21. Juli 1935 in Rüsselsheim, war von 1982 bis 1998 Bundesminister für Arbeit und Soziales in der Regierung von Helmut Kohl. Blüm, Werkzeugmacher und später Student der Philosophie, Germanistik und Geschichte in Bonn, ist seit 1950 Mitglied der CDU. Dort hat er sich stets in der Christlich-Demokratischen Arbeitnehmerschaft engagiert. (pet)

Wir haben schon zu Ihrem 70. Geburtstag, den Sie damals in Finnland verbrachten, ein Gespräch geführt. Was hat sich seither verändert?

Blüm: Einmal Sozialpolitiker, immer Sozialpolitiker. Man bleibt immer in der Diskussion drin. Und es sind neue Themen hinzugekommen. Ich habe zum Beispiel nicht gewusst, dass soziale Gerechtigkeit auch vor Gericht schwer verletzt werden kann. Das habe ich früher immer für eine heilige Halle gehalten. Jetzt muss ich sagen: Es geht da sehr menschlich zu. Und ich rege mich über die Überheblichkeit mancher Richter sehr auf – und über die Skrupellosigkeit mancher Rechtsanwälte. Ich habe darüber ein Buch geschrieben. Und so viele Briefe haben mich in meinem Leben noch nicht erreicht wie danach. Der Bundesrichter Thomas Fischer hat in der „Zeit“ hingegen eine Besprechung geschrieben mit dem angeblichen Zitat als Überschrift: „Von Recht verstehe ich wenig bis nichts.“ Darauf baut er seine Polemik auf. Das richtige Zitat lautet aber: „Von Justiz verstehe ich wenig bis nichts.“ Wenn er in seiner Beweisführung so schlampig vorgeht wie in seinen Artikeln, dann: Gute Nacht, Rechtsstaat! Und ein Feigling ist er auch noch. Denn er ist bisher jeder Diskussion mit mir ausgewichen. Aber so leicht lass ich mich nicht abschütteln. Dem Mann beiß ich noch in die Hosen.

Und wie sehen Sie die Politik, Griechenland zum Beispiel?

Blüm: Wir brauchen mehr Europapolitik, nicht weniger. Die Konsequenz daraus ist nicht, zurück in den Nationalstaat. Ich ziehe gerade den umgekehrten Schluss. Die Konsequenz daraus ist mehr europäische Finanzpolitik, mehr europäische Wirtschaftspolitik, mehr europäische Sozialordnung.

Lesen Sie weiter, welches Experiment Norbert Blüm vor seinem 80. Geburtstag gewagt hat.

Machen Sie sich Sorgen?

Blüm: Ja. Die letzten Jahrzehnte haben wir in Deutschland für Europa gearbeitet. Wenn das das Signal ist zur Umkehr, dann ist das die falsche Richtung.

Sie sind ja jetzt schon einige Jahre aus dem politischen Betrieb raus. Ist die Distanz größer geworden?

Blüm: Die ist gleich geblieben. Ich beteilige mich immer noch an Diskussionen. Sozialpolitik ist mein Leben.

Im „Spiegel“ konnte man gerade lesen, dass Sie ihr persönliches Telefonbuch abtelefoniert haben.

Blüm: Das war ein Experiment. Ich wollte mal hören, ob die alle noch am Leben sind. Tragischerweise war Bernhard Jagoda (der ehemalige Präsident der Bundesanstalt für Arbeit) ein paar Tage, nachdem ich ihn angerufen und lange mit ihm gesprochen hatte, tot. Ich wusste nicht, dass das unser letztes Gespräch war.

Wie ist er gestorben?

Blüm: Er ist morgens nicht mehr wach geworden.

Aber die Gespräche waren im Ganzen erfreulich?

Blüm: So etwas ist immer interessant. Es gibt nichts Interessanteres als Menschen. Ich wüsste nicht, was interessanter wäre. Wie unterschiedlich wir alle sind! Es war auch keiner dabei, der das Gespräch abgelehnt hätte. Und es waren immerhin 130 Gespräche über mehrere Tage, von rechts bis links, von Peter Gauweiler bis Franz Steinkühler. Das war ein richtiger Abenteuerurlaub! Mittlerweile habe ich ja fast mehr Freunde hinter der Friedhofsmauer als vor der Friedhofsmauer. Da muss man seine Freunde pflegen.

Ihr Motto für die nächsten zehn Jahre?

Blüm: Tue Recht und scheue niemanden! Das ist mein altes und mein neues Motto. In diesem Sinne!

Alles Gute!

Das Gespräch führte Markus Decker.