Britischer Premier Wie Sunak die britische Wahl noch drehen will
Eine Niederlage der britischen Tories bei der Wahl am 4. Juli gilt als so gut wie sicher. Schon jetzt bringen sich mögliche Nachfolger für Sunak in Stellung. Doch er kämpft weiter. Seine Partei auch?
Silverstone - Es ist wohl die letzte Chance vor der Parlamentswahl am 4. Juli für Rishi Sunak, der „last chance saloon“. Der britische Premierminister setzt vor allem auf Steuersenkungen von gut 20 Milliarden Euro, um das Ruder noch herumzureißen und den gewaltigen Abstand in den Umfragen auf Herausforderer Keir Starmer doch zu verkürzen. Sunak stellte sein Manifesto, wie das Wahlprogramm in Großbritannien genannt wird, symbolisch am Formel-1-Kurs in Silverstone vor. Doch der Tory-Motor stottert nach Ansicht von Experten enorm.
„Die Kosten von Sunaks zahlreichen Versprechen steigen so schnell, wie seine Popularität sinkt“, sagte der Politologe Mark Garnett von der Universität Lancaster der Deutschen Presse-Agentur. „Schon seit vielen Monaten ist klar, dass die Wähler nicht zuhören - was auch immer die Konservativen sagen.“ Von BBC-Moderator Nick Robinson musste sich der Premier fragen lassen, warum man der Tory-Partei noch vertrauen solle - nach 14 Jahren mit fünf Regierungschefs, Skandalen, Chaos und gebrochenen Versprechen. Der 44-Jährige beharrte, es gehe um die Zukunft und seine Tories seien die einzige Partei „mit den großen Ideen, unser Land lebenswerter zu machen“.
Wahlkampf in den Sand gesetzt
Doch bei vielen Briten kommen Pleiten, Pech und Pannen an. Den bisherigen Wahlkampf haben die Konservativen krachend in den Sand gesetzt. Dass der Premier noch vor dem Treffen der Staats- und Regierungschefs vom D-Day-Gedenken in Frankreich abreiste, war der jüngste in einer Reihe von Fehltritten. Schon gibt es Spekulationen, Sunak könne noch vor der Wahl das Handtuch werfen - oder von seiner wütenden Partei gestürzt werden. „Zu seinem eigenen Besten hätte er vielleicht am Tag der Wahlbekanntgabe zurücktreten sollen, als starker Regen seinen Anzug ruinierte und ihn wie einen Verlierer aussehen ließ“, kritisierte Garnett.
Ob Sunak den Lauf der Dinge mit seinen Versprechen noch einmal ändern kann, gilt als fraglich. Im Zentrum stehen Steuersenkungen, konkret soll der Beitrag zur Sozialversicherung National Insurance erneut fallen. Aber Kritiker betonen, dass unter den Tories - mit Sunak als Finanzminister während der Pandemie - die Steuerlast auf den höchsten Stand seit Jahrzehnten gestiegen sei. So wurden trotz hoher Inflation die Schwellen für Steuersätze nicht nach oben korrigiert. Millionen Menschen rutschten ohne realen Einkommenszuwachs in höhere Steuerklassen.
„Teuerste Panikattacke der Geschichte“
Weitere Versprechen: Wer erstmals eine Immobilie kauft, soll weitgehend von der Grundsteuer befreit werden. 8000 neue Stellen bei der Polizei sind ebenso vorgesehen wie härtere Strafen für Schwerverbrecher, eine jährliche Obergrenze für Migranten und ein Wehr- oder Sozialdienst für 18-Jährige.
Ob das die Wähler überzeugt, ist zweifelhaft. Viele Briten machen sich Sorgen um den Gesundheitsdienst NHS, der kostenlosen Zugang für alle Menschen in Großbritannien verspricht, aber zunehmend unter finanziellem Druck steht. Der Staat braucht also mehr Geld, nicht weniger. Der Politikwissenschaftler Jonathan Portes vom King's College in London kommentierte, die Pläne seien eine Beleidigung für die Intelligenz der Wähler. Die Labour-Opposition sprach von der „teuersten Panikattacke der Geschichte“.
Gerüchte über Gegenmanifesto aus der eigenen Partei
In Sunaks eigener Partei ist vor allem dem rechten Flügel das Manifesto zu lasch. „Seine Behauptung, ein „echter“ Konservativer zu sein, wird seine rechten Kritiker nicht beeindrucken, die meinen, dass die Steuern unter seiner Führung zu stark gestiegen sind und die zu Recht an der Glaubwürdigkeit seiner nicht durchgerechneten Versprechen zweifeln“, sagte Experte Garnett. Gemunkelt wird sogar, rebellische Tories könnten ein Gegenprogramm mit Forderungen vorstellen, die auf rechtskonservative Wähler zugeschnitten sind.
Hauptgegner ist zwar die sozialdemokratische Labour-Partei von Keir Starmer, der aller Voraussicht nach neuer Premierminister wird. Aber am rechten Rand lauert Brexit-Vorkämpfer Nigel Farage, der sich für seine rechtspopulistische Partei Reform UK für ein Mandat im Parlament bewirbt. Ob er den Sprung ins Unterhaus schafft, ist ungewiss. Doch allein die Teilnahme von Reform dürfte Sunaks Tories in vielen Wahlkreisen wichtige Stimmen kosten. Das britische Mehrheitswahlrecht sieht vor, dass nur die Gewinnerin oder der Gewinner eines Wahlkreises ins Unterhaus einzieht.
Ist Sunak nur ein Quinoa-Salat?
Vor allem beim Thema Migration gilt Farage vielen konservativen Wählern als glaubwürdiger. Provokant fragte BBC-Journalist Robinson den Premier, ob er ein Quinoa-Salat sei, während Farage der „Sonntagsbraten mit allen Beilagen“ sei. Für den Fall einer erwarteten Wahlpleite laufen sich bereits Nachfolgekandidaten wie Ex-Innenministerin und Rechtsaußen Suella Braverman warm, die für eine Aufnahme von Farage in die Tory-Partei warb. Ein Rechtsruck bei den Tories scheint vorgezeichnet.