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Wechsel an der SPD-Spitze Wechsel an der SPD-Spitze: Ob mit Olaf Scholz Ruhe einkehrt ist zweifelhaft

Von Tobias Peter 13.02.2018, 21:18
Andrea Nahles und Olaf Scholz im Willy-Brandt-Haus nach der SPD-Präsidiumssitzung.
Andrea Nahles und Olaf Scholz im Willy-Brandt-Haus nach der SPD-Präsidiumssitzung. dpa

Berlin - Martin Schulz fällt dieser Auftritt nicht leicht, er muss erst einmal kräftig husten. Dann sagt er am Dienstagabend im Willy-Brandt-Haus, dass er sofort als SPD-Vorsitzender zurücktritt. 11 Monate als Parteichef – jetzt ist es aus.

Schulz sagt noch, nun gehe es darum, „dass der Blick der Mitglieder jetzt auf den Koalitionsvertrag gelenkt wird“ – und weg von Personaldebatten. Er habe Andrea Nahles als seine Nachfolgerin vorgeschlagen, das Präsidium habe dazu einstimmig ja gesagt. Gewählt werden solle Nahles auf einem Sonderparteitag am 22. April. Dann tritt der einstige Mister Hundert Prozent endgültig ab.

Scholz als Dienstältester trotzdem mit schlechten Umfragewerten

Schulz verrät an dieser Stelle noch nicht, wer die Partei für den Übergang führen soll. Diese Frage könnte eigentlich relativ bedeutungslos sein. Wenn, ja wenn nicht vorab der Plan bekannt geworden wäre, dass Nahles den kommissarischen Vorsitz selbst übernehmen sollte – obwohl sie bislang noch nicht mal in den Vorstand gewählt ist. Das löste Widerstand in mehreren SPD-Landesverbänden aus. So stark, dass Nahles und ihre Unterstützer den ursprünglichen Plan in der Präsidiums- und der Vorstandssitzung kassieren mussten.

Schleunigst musste also ein anderer Kandidat für den Übergangsjob her. Die Wahl fiel auf Olaf Scholz. Er ist als einer von sechs stellvertretenden Vorsitzenden für die Aufgabe als kommissarischer Chef legitimiert – zumal er der Dienstälteste unter den Stellvertretern ist, wie in der Partei betont wird. Auffällig ist aber, dass jetzt ausgerechnet der Stellvertreter die Geschäfte führen soll, der mit 59 Prozent auf dem Parteitag im Dezember das schlechteste Wahlergebnis aller Vizes bekommen hat. Dafür ist bekannt, dass Nahles und er sich vertrauen. Und dass Scholz in der großen Koalition Vize-Kanzler werden soll.

Der Frust über Hinterzimmer-Absprachen sitzt tief

Gemeinsam mit Generalsekretär Lars Klingbeil präsentierten Nahles und Scholz am Abend die Lösung für den Übergang in der Partei. Scholz sagte, er wolle „eine dienende Rolle“ ausüben. Nahles spricht vor allem darüber, wie sehr sie sich über die breite Unterstützung der Parteigremien für den Job als künftige Vorsitzende freut. „Ich will diese Verantwortung, die an mich herangetragen wird, jetzt gern wahrnehmen.“ Beide wollen nicht den Eindruck aufkommen lassen, Nahles sei beschädigt worden. Nur: Wenn Pläne nicht aufgehen, entsteht er automatisch.

Wird mit dem Übergangsvorsitzenden Scholz Ruhe in die Partei einkehren? Daran sind Zweifel erlaubt. Die Heftigkeit des Widerstands gegen eine sofortige Inthronisation von Nahles zeigt, wie tief der Frust in der Partei über Hinterzimmer-Absprachen sitzt.

Das Nahles-Lager hatte argumentiert, die Fraktionschefin sei ohnehin die Figur der Stunde. Mit ihr könne die Partei also auch in der chaotischen Phase des Übergangs am besten stabilisiert werden. Doch es hagelte Kritik. Die Arbeitsgemeinschaft Sozialdemokratischer Juristinnen und Juristen verwies darauf, ein kommissarisch geführter Vorsitz sei in der Satzung nicht vorgesehen. Die Landesverbände Schleswig-Holstein, Sachsen-Anhalt und Berlin stellten sich öffentlich gegen eine sofortige Übernahme des Parteivorsitzes durch Nahles – um jeden Eindruck von Klüngelei zu vermeiden, wie sie argumentierten.

Personalfragen überlagern den Koalitionsvertrag schon jetzt

Das alles beschert Nahles einen Fehlstart auf ihrem Weg in den Parteivorsitz. Dazu steht sie vor zahlreichen Problemen. Darunter weit größere als jenes, dass die Flensburger Oberbürgermeisterin Simone Lange überraschend angekündigt hat, auch für den Parteivorsitz kandidieren zu wollen – als „Basiskandidatur“, um den Mitgliedern eine Stimme zu geben.

Die wichtigste Baustelle ist der Mitgliederentscheid. Insbesondere Nahles soll die Basis davon überzeugen, dem Koalitionsvertrag mit CDU und CSU zustimmen. Im Fall eines Neins sind rasche Neuwahlen wahrscheinlich – angesichts von Umfragewerten von derzeit 16,5 Prozent gefährliche Aussichten für die SPD.

Jetzt wird Nahles darum kämpfen müssen, dass die ohnehin schwierige Debatte über den Koalitionsvertrag nicht komplett vom Streit über Personalfragen überlagert wird. Die CDU will ihre Minister zu ihrem Sonderparteitag am 26. Februar bekannt geben. Die SPD will bis nach dem Mitgliedervotum warten. Darin liegt Zündstoff. Das gilt vor allem für die Debatte über den Posten des Außenministers. Sigmar Gabriel hätte den Job gern wieder. Doch er hat sich mit seiner Neigung zu Querschüssen aus der Sicht vieler in der Parteiführung disqualifiziert.

Ministerposten vergeben kann die SPD ohnehin nur, wenn die Basis ja zur Koalition sagt. Sie habe eine große Verantwortung für das Land, jetzt für die Mitarbeit in der Regierung zu werben, sagte Nahles. „Das geht nicht in die Hose“, befand Nahles. Und: „Ich werde mich voll reinhängen, damit das auch gelingt.“